ihrer Kraft in jedem Augenblicke nach Bedürfniß abändern können. Zugleich aber ist auch die menschliche Kraft, der Belohnung und Unterhaltung wegen, die kostbarste, und darf nie anders, als mit Schonung und Sparsamkeit angewendet werden. Die Alten trieben fast alle ihre Maschinen durch Sclaven, deren Unterhalt wenig kostete, und deren Leben und Gesundheit ihnen oft nicht sonderlich theuer war. Diese Anstrengung und Verschwendung der menschlichen Kräfte, in der wir es ihnen weder gleich thun können noch wollen, setzte sie in Stand, bey sehr eingeschränkten Kenntnissen der mechanischen Theorie, dennoch erstaunenswürdige Unternehmungen auszuführen. Bey unsern mechanischen Entwürfen hingegen muß immer die möglichste Schonung der menschlichen Kraft eine Hauptabsicht seyn. An der Aufrichtung des großen Obelisken im Circus Vaticanus zu Rom arbeiteten unter der Regierung des Caligula 20000 Menschen (Plin. H. N. XXXVI, 9.);Dominicus Fontana bewirkte im Jahre 1586. die Errichtung eben dieses Obelisken auf dem St. Petersplatze durch 960 Menschen und 80 Pferde.
Die Größe der menschlichen Kraft ist freylich in verschiedenen Körpern höchst verschieden; doch läßt sich hiebey für Menschen, die zur körperlichen Arbeit geschickt sind, im Durchschnitt ein Mittel angeben. Die Muskeln des Fußes und der Schenkel tragen, wenn man auf die Zehen tritt, das ganze Gewicht des Körpers, und oft noch Lasten von 150--160 Pfund. In gewöhnlicher aufrechter Stellung, oder auch mit etwas eingebognen Leibe und Knieen trägt oft ein Mensch mehrere Centner. Durch Drücken in vertikaler Richtung kan er höchstens so viel bewirken, als das Gewicht seines Körpers beträgt. Durch Zug oder Druck in horizontaler Richtung vermag er nicht mehr, als ein Gewicht von 24--25 Pfund, und wirkt mit einer Geschwindigkeit, welche 6000 Schuh in einer Stunde beträgt. Man darf dagegen nicht einwenden, daß ein Mann auf einem horizontalen Boden Lasten zu ziehen oder fortzuschieben vermag, die über einen Centner wiegen. Denn er hat bey diesem Zuge oder Drucke nicht das ganze Gewicht der
ihrer Kraft in jedem Augenblicke nach Beduͤrfniß abaͤndern koͤnnen. Zugleich aber iſt auch die menſchliche Kraft, der Belohnung und Unterhaltung wegen, die koſtbarſte, und darf nie anders, als mit Schonung und Sparſamkeit angewendet werden. Die Alten trieben faſt alle ihre Maſchinen durch Sclaven, deren Unterhalt wenig koſtete, und deren Leben und Geſundheit ihnen oft nicht ſonderlich theuer war. Dieſe Anſtrengung und Verſchwendung der menſchlichen Kraͤfte, in der wir es ihnen weder gleich thun koͤnnen noch wollen, ſetzte ſie in Stand, bey ſehr eingeſchraͤnkten Kenntniſſen der mechaniſchen Theorie, dennoch erſtaunenswuͤrdige Unternehmungen auszufuͤhren. Bey unſern mechaniſchen Entwuͤrfen hingegen muß immer die moͤglichſte Schonung der menſchlichen Kraft eine Hauptabſicht ſeyn. An der Aufrichtung des großen Obeliſken im Circus Vaticanus zu Rom arbeiteten unter der Regierung des Caligula 20000 Menſchen (Plin. H. N. XXXVI, 9.);Dominicus Fontana bewirkte im Jahre 1586. die Errichtung eben dieſes Obeliſken auf dem St. Petersplatze durch 960 Menſchen und 80 Pferde.
Die Groͤße der menſchlichen Kraft iſt freylich in verſchiedenen Koͤrpern hoͤchſt verſchieden; doch laͤßt ſich hiebey fuͤr Menſchen, die zur koͤrperlichen Arbeit geſchickt ſind, im Durchſchnitt ein Mittel angeben. Die Muſkeln des Fußes und der Schenkel tragen, wenn man auf die Zehen tritt, das ganze Gewicht des Koͤrpers, und oft noch Laſten von 150—160 Pfund. In gewoͤhnlicher aufrechter Stellung, oder auch mit etwas eingebognen Leibe und Knieen traͤgt oft ein Menſch mehrere Centner. Durch Druͤcken in vertikaler Richtung kan er hoͤchſtens ſo viel bewirken, als das Gewicht ſeines Koͤrpers betraͤgt. Durch Zug oder Druck in horizontaler Richtung vermag er nicht mehr, als ein Gewicht von 24—25 Pfund, und wirkt mit einer Geſchwindigkeit, welche 6000 Schuh in einer Stunde betraͤgt. Man darf dagegen nicht einwenden, daß ein Mann auf einem horizontalen Boden Laſten zu ziehen oder fortzuſchieben vermag, die uͤber einen Centner wiegen. Denn er hat bey dieſem Zuge oder Drucke nicht das ganze Gewicht der
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ihrer Kraft in jedem Augenblicke nach Beduͤrfniß abaͤndern koͤnnen. Zugleich aber iſt auch die menſchliche Kraft, der Belohnung und Unterhaltung wegen, die koſtbarſte, und darf nie anders, als mit Schonung und Sparſamkeit angewendet werden. Die Alten trieben faſt alle ihre Maſchinen durch Sclaven, deren Unterhalt wenig koſtete, und deren Leben und Geſundheit ihnen oft nicht ſonderlich theuer war. Dieſe Anſtrengung und Verſchwendung der menſchlichen Kraͤfte, in der wir es ihnen weder gleich thun koͤnnen noch wollen, ſetzte ſie in Stand, bey ſehr eingeſchraͤnkten Kenntniſſen der mechaniſchen Theorie, dennoch erſtaunenswuͤrdige Unternehmungen auszufuͤhren. Bey unſern mechaniſchen Entwuͤrfen hingegen muß immer die moͤglichſte Schonung der menſchlichen Kraft eine Hauptabſicht ſeyn. An der Aufrichtung des großen Obeliſken im Circus Vaticanus zu Rom arbeiteten unter der Regierung des Caligula 20000 Menſchen (Plin. H. N. XXXVI, 9.); Dominicus Fontana bewirkte im Jahre 1586. die Errichtung eben dieſes Obeliſken auf dem St. Petersplatze durch 960 Menſchen und 80 Pferde.
Die Groͤße der menſchlichen Kraft iſt freylich in verſchiedenen Koͤrpern hoͤchſt verſchieden; doch laͤßt ſich hiebey fuͤr Menſchen, die zur koͤrperlichen Arbeit geſchickt ſind, im Durchſchnitt ein Mittel angeben. Die Muſkeln des Fußes und der Schenkel tragen, wenn man auf die Zehen tritt, das ganze Gewicht des Koͤrpers, und oft noch Laſten von 150—160 Pfund. In gewoͤhnlicher aufrechter Stellung, oder auch mit etwas eingebognen Leibe und Knieen traͤgt oft ein Menſch mehrere Centner. Durch Druͤcken in vertikaler Richtung kan er hoͤchſtens ſo viel bewirken, als das Gewicht ſeines Koͤrpers betraͤgt. Durch Zug oder Druck in horizontaler Richtung vermag er nicht mehr, als ein Gewicht von 24—25 Pfund, und wirkt mit einer Geſchwindigkeit, welche 6000 Schuh in einer Stunde betraͤgt. Man darf dagegen nicht einwenden, daß ein Mann auf einem horizontalen Boden Laſten zu ziehen oder fortzuſchieben vermag, die uͤber einen Centner wiegen. Denn er hat bey dieſem Zuge oder Drucke nicht das ganze Gewicht der
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 808. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/814>, abgerufen am 25.11.2024.
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