Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


zur mathematischen Bücherkenntniß, 9tes Stück, Breslau, 1777. 8.).

Kaufticität, Aetzbarkeit, Aetzkraft, Beizende Kraft, Vis caustica, corrosiva, Causticite.

Die scharfe und fressende Eigenschaft vieler Substanzen, z. B. der concentrirten mineralischen Säuren, der Laugensalze, des lebendigen Kalks, Arseniks, ätzenden Quecksilbersublimats, der Silberkrystallen, Spießglasbutter rc., vermöge welcher sie die Theile des thierischen Körpers zersetzen, und daher auf denselben innerlich als Gifte, äußerlich als Aetzmittel wirken; überhaupt aber auch an unorganisirten Körpern auflösende Kräfte ausüben. Man wird schon aus dieser Beschreibung sehen, daß die Aetzbarkeit in einer starken Auflösungskraft oder in einer sehr thätigen Verwandschaft mit vielen Substanzen, bestehe.

Die große Aehnlichkeit zwischen den Wirkungen der Aetzmittel und des Feuers, bewog die Chymiker, das Feuer für die einzige ätzende Substanz anzunehmen und die Kausticität des Kalks, der Laugensalze und der Säuren aus den Feuectheilchen herzuleiten, welche sich in den Zwischenräumen dieser Substanzen befänden. Aus dieser Theorie hat schon Lemery mit ungemeiner Leichtigkeit eine große Menge chymischer Erklärungen hergeleitet. Meyer in Osnabrück (Chym. Vers. zur nähern Kenntniß des ungelöschten Kalks rc. Hannover, 1764. 8.) änderte sie dahin ab, daß er anstatt des reinen Feuers, vielmehr eine Mischung desselben mit einer Säure, unter dem Namen des Kausticums oder der fetten Säure für den Grund aller Aetzbarkeit annahm -- eine Theorie, die er mit sorgfältigen und an sich sehr schätzbaren Erfahrungen zu unterstützen suchte. Baume (Chymie experimentale et raisonnee, a Paris, 1773. III. To. 8. übersetzt von I. C. Gehler, Leipzig, 1775. 1776. III Th. gr. 8.) verwarf zwar das Meyerische Kausticum, und nahm dafür das fast reine Feuer an, welches sich in unendlich verschiedenen Verbindungszuständen mit andern Körpern befinden


zur mathematiſchen Buͤcherkenntniß, 9tes Stuͤck, Breslau, 1777. 8.).

Kaufticitaͤt, Aetzbarkeit, Aetzkraft, Beizende Kraft, Vis cauſtica, corroſiva, Cauſticité.

Die ſcharfe und freſſende Eigenſchaft vieler Subſtanzen, z. B. der concentrirten mineraliſchen Saͤuren, der Laugenſalze, des lebendigen Kalks, Arſeniks, aͤtzenden Queckſilberſublimats, der Silberkryſtallen, Spießglasbutter rc., vermoͤge welcher ſie die Theile des thieriſchen Koͤrpers zerſetzen, und daher auf denſelben innerlich als Gifte, aͤußerlich als Aetzmittel wirken; uͤberhaupt aber auch an unorganiſirten Koͤrpern aufloͤſende Kraͤfte ausuͤben. Man wird ſchon aus dieſer Beſchreibung ſehen, daß die Aetzbarkeit in einer ſtarken Aufloͤſungskraft oder in einer ſehr thaͤtigen Verwandſchaft mit vielen Subſtanzen, beſtehe.

Die große Aehnlichkeit zwiſchen den Wirkungen der Aetzmittel und des Feuers, bewog die Chymiker, das Feuer fuͤr die einzige aͤtzende Subſtanz anzunehmen und die Kauſticitaͤt des Kalks, der Laugenſalze und der Saͤuren aus den Feuectheilchen herzuleiten, welche ſich in den Zwiſchenraͤumen dieſer Subſtanzen befaͤnden. Aus dieſer Theorie hat ſchon Lemery mit ungemeiner Leichtigkeit eine große Menge chymiſcher Erklaͤrungen hergeleitet. Meyer in Osnabruͤck (Chym. Verſ. zur naͤhern Kenntniß des ungeloͤſchten Kalks rc. Hannover, 1764. 8.) aͤnderte ſie dahin ab, daß er anſtatt des reinen Feuers, vielmehr eine Miſchung deſſelben mit einer Saͤure, unter dem Namen des Kauſticums oder der fetten Saͤure fuͤr den Grund aller Aetzbarkeit annahm — eine Theorie, die er mit ſorgfaͤltigen und an ſich ſehr ſchaͤtzbaren Erfahrungen zu unterſtuͤtzen ſuchte. Baume (Chymie experimentale et raiſonnée, à Paris, 1773. III. To. 8. uͤberſetzt von I. C. Gehler, Leipzig, 1775. 1776. III Th. gr. 8.) verwarf zwar das Meyeriſche Kauſticum, und nahm dafuͤr das faſt reine Feuer an, welches ſich in unendlich verſchiedenen Verbindungszuſtaͤnden mit andern Koͤrpern befinden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0750" xml:id="P.2.744" n="744"/><lb/>
zur mathemati&#x017F;chen Bu&#x0364;cherkenntniß, 9tes Stu&#x0364;ck, Breslau, 1777. 8.).</p>
          </div>
          <div n="2">
            <head>Kaufticita&#x0364;t, Aetzbarkeit, Aetzkraft, Beizende Kraft, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="lat"><hi rendition="#aq">Vis cau&#x017F;tica, corro&#x017F;iva</hi></foreign></name>, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="fra"><hi rendition="#aq #i">Cau&#x017F;ticité</hi></foreign></name>.</head><lb/>
            <p>Die &#x017F;charfe und fre&#x017F;&#x017F;ende Eigen&#x017F;chaft vieler Sub&#x017F;tanzen, z. B. der concentrirten <hi rendition="#b">minerali&#x017F;chen Sa&#x0364;uren,</hi> der <hi rendition="#b">Laugen&#x017F;alze,</hi> des <hi rendition="#b">lebendigen Kalks, Ar&#x017F;eniks, a&#x0364;tzenden Queck&#x017F;ilber&#x017F;ublimats,</hi> der <hi rendition="#b">Silberkry&#x017F;tallen, Spießglasbutter</hi> rc., vermo&#x0364;ge welcher &#x017F;ie die Theile des thieri&#x017F;chen Ko&#x0364;rpers zer&#x017F;etzen, und daher auf den&#x017F;elben innerlich als Gifte, a&#x0364;ußerlich als Aetzmittel wirken; u&#x0364;berhaupt aber auch an unorgani&#x017F;irten Ko&#x0364;rpern auflo&#x0364;&#x017F;ende Kra&#x0364;fte ausu&#x0364;ben. Man wird &#x017F;chon aus die&#x017F;er Be&#x017F;chreibung &#x017F;ehen, daß die Aetzbarkeit in einer &#x017F;tarken Auflo&#x0364;&#x017F;ungskraft oder in einer &#x017F;ehr tha&#x0364;tigen Verwand&#x017F;chaft mit vielen Sub&#x017F;tanzen, be&#x017F;tehe.</p>
            <p>Die große Aehnlichkeit zwi&#x017F;chen den Wirkungen der Aetzmittel und des Feuers, bewog die Chymiker, das Feuer fu&#x0364;r die einzige a&#x0364;tzende Sub&#x017F;tanz anzunehmen und die Kau&#x017F;ticita&#x0364;t des Kalks, der Laugen&#x017F;alze und der Sa&#x0364;uren aus den Feuectheilchen herzuleiten, welche &#x017F;ich in den Zwi&#x017F;chenra&#x0364;umen die&#x017F;er Sub&#x017F;tanzen befa&#x0364;nden. Aus die&#x017F;er Theorie hat &#x017F;chon <hi rendition="#b">Lemery</hi> mit ungemeiner Leichtigkeit eine große Menge chymi&#x017F;cher Erkla&#x0364;rungen hergeleitet. <hi rendition="#b">Meyer</hi> in Osnabru&#x0364;ck (Chym. Ver&#x017F;. zur na&#x0364;hern Kenntniß des ungelo&#x0364;&#x017F;chten Kalks rc. Hannover, 1764. 8.) a&#x0364;nderte &#x017F;ie dahin ab, daß er an&#x017F;tatt des reinen Feuers, vielmehr eine Mi&#x017F;chung de&#x017F;&#x017F;elben mit einer Sa&#x0364;ure, unter dem Namen des <hi rendition="#b">Kau&#x017F;ticums</hi> oder der <hi rendition="#b">fetten Sa&#x0364;ure</hi> fu&#x0364;r den Grund aller Aetzbarkeit annahm &#x2014; eine Theorie, die er mit &#x017F;orgfa&#x0364;ltigen und an &#x017F;ich &#x017F;ehr &#x017F;cha&#x0364;tzbaren Erfahrungen zu unter&#x017F;tu&#x0364;tzen &#x017F;uchte. <hi rendition="#b">Baume</hi> <hi rendition="#aq">(Chymie experimentale et rai&#x017F;onnée, à Paris, 1773. III. To. 8.</hi> u&#x0364;ber&#x017F;etzt von <hi rendition="#b">I. C. Gehler,</hi> Leipzig, <hi rendition="#aq">1775. 1776. III</hi> Th. gr. 8.) verwarf zwar das Meyeri&#x017F;che Kau&#x017F;ticum, und nahm dafu&#x0364;r das <hi rendition="#b">fa&#x017F;t reine Feuer</hi> an, welches &#x017F;ich in unendlich ver&#x017F;chiedenen Verbindungszu&#x017F;ta&#x0364;nden mit andern Ko&#x0364;rpern befinden<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[744/0750] zur mathematiſchen Buͤcherkenntniß, 9tes Stuͤck, Breslau, 1777. 8.). Kaufticitaͤt, Aetzbarkeit, Aetzkraft, Beizende Kraft, Vis cauſtica, corroſiva, Cauſticité. Die ſcharfe und freſſende Eigenſchaft vieler Subſtanzen, z. B. der concentrirten mineraliſchen Saͤuren, der Laugenſalze, des lebendigen Kalks, Arſeniks, aͤtzenden Queckſilberſublimats, der Silberkryſtallen, Spießglasbutter rc., vermoͤge welcher ſie die Theile des thieriſchen Koͤrpers zerſetzen, und daher auf denſelben innerlich als Gifte, aͤußerlich als Aetzmittel wirken; uͤberhaupt aber auch an unorganiſirten Koͤrpern aufloͤſende Kraͤfte ausuͤben. Man wird ſchon aus dieſer Beſchreibung ſehen, daß die Aetzbarkeit in einer ſtarken Aufloͤſungskraft oder in einer ſehr thaͤtigen Verwandſchaft mit vielen Subſtanzen, beſtehe. Die große Aehnlichkeit zwiſchen den Wirkungen der Aetzmittel und des Feuers, bewog die Chymiker, das Feuer fuͤr die einzige aͤtzende Subſtanz anzunehmen und die Kauſticitaͤt des Kalks, der Laugenſalze und der Saͤuren aus den Feuectheilchen herzuleiten, welche ſich in den Zwiſchenraͤumen dieſer Subſtanzen befaͤnden. Aus dieſer Theorie hat ſchon Lemery mit ungemeiner Leichtigkeit eine große Menge chymiſcher Erklaͤrungen hergeleitet. Meyer in Osnabruͤck (Chym. Verſ. zur naͤhern Kenntniß des ungeloͤſchten Kalks rc. Hannover, 1764. 8.) aͤnderte ſie dahin ab, daß er anſtatt des reinen Feuers, vielmehr eine Miſchung deſſelben mit einer Saͤure, unter dem Namen des Kauſticums oder der fetten Saͤure fuͤr den Grund aller Aetzbarkeit annahm — eine Theorie, die er mit ſorgfaͤltigen und an ſich ſehr ſchaͤtzbaren Erfahrungen zu unterſtuͤtzen ſuchte. Baume (Chymie experimentale et raiſonnée, à Paris, 1773. III. To. 8. uͤberſetzt von I. C. Gehler, Leipzig, 1775. 1776. III Th. gr. 8.) verwarf zwar das Meyeriſche Kauſticum, und nahm dafuͤr das faſt reine Feuer an, welches ſich in unendlich verſchiedenen Verbindungszuſtaͤnden mit andern Koͤrpern befinden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/750
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 744. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/750>, abgerufen am 22.05.2024.