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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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gelöschter Kalk
(calx viva, calx pura Bergm., Chaux vive.) Die Kalksteine verlieren bey dieser Verwandlung fast die Helfte von ihrem Gewichte.

Dieser lebendige Kalk ist ein wahres ätzendes fixes Laugensalz, das sich auch wirklich, obgleich mit einiger Schwierigkeit, im Wasser auflösen läßt. Nach Bergmann (De acido äereo, §. 11.) erfordert ein Theil Kalk 300 Theile, nach andern 680 Theile siedendes Wasser zur völligen Auflösung. Die Auflösung selbst heißt Kalkwasser (aqua calcis, ean de chaux). Wenn man dieses Kalkwasser von dem nicht aufgelöseten Kalke abgießt, so ist es völlig durchsichtig und farbenlos, hat einen eignen schrumpfenden alkalischen Geschmack, färbt die blauen Pflanzensäfte grün, und zeigt alle Eigenschaften eines aufgelößten Laugensalzes. In völlig gefüllten und verschlossenen Gefäßen bleibt das Kalkwasser unverändert. An der freyen Luft aber erzeugt sich auf der Oberfläche desselben ein Hautchen, der Kalkrahm (cremor calcis), das endlich zu Boden fällt, und einem neuen Häutchen Platz macht, bis zuletzt aller aufgelösete Kalk niedergeschlagen ist. Alsdann aber ist derselbe nicht mehr ätzend, brauset wieder mit den Säuren, und löset sich im Wasser nicht mehr auf; kurz, er ist nicht mehr lebendiger, sondern wiederum roher Kalk.

Eben dies geschieht, wenn man fixe Luft oder Luftsäure zu dem Kalkwasser bringt. Es wird davon sogleich trüb, und läßt rohen Kalk fallen. Fährt man mit dem Zumischen der Luftsäure fort, so lößt sich dieser rohe Kalk wieder auf; das Wasser aber erhält den ääenden Geschmack, und die Eigenschaften des Kalkwassers nicht wieder. Durch das Kochen wird der rohe Kalk wieder aus demselben niedergeschlagen.

Der Weingeist, welcher keine Luftsäure enthält, schlägt zwar den Kalk ebenfalls aus dem Kalkwasser nieder; es ist aber dieser Niederschlag nicht roher, sondern lebendiger Kalk.

Wenn man auf den gebrannten Kalk Wasser gießt, so dringt dasselbe mit einem Gezische hinein, er zerspaltet,


geloͤſchter Kalk
(calx viva, calx pura Bergm., Chaux vive.) Die Kalkſteine verlieren bey dieſer Verwandlung faſt die Helfte von ihrem Gewichte.

Dieſer lebendige Kalk iſt ein wahres aͤtzendes fixes Laugenſalz, das ſich auch wirklich, obgleich mit einiger Schwierigkeit, im Waſſer aufloͤſen laͤßt. Nach Bergmann (De acido äereo, §. 11.) erfordert ein Theil Kalk 300 Theile, nach andern 680 Theile ſiedendes Waſſer zur voͤlligen Aufloͤſung. Die Aufloͤſung ſelbſt heißt Kalkwaſſer (aqua calcis, ean de chaux). Wenn man dieſes Kalkwaſſer von dem nicht aufgeloͤſeten Kalke abgießt, ſo iſt es voͤllig durchſichtig und farbenlos, hat einen eignen ſchrumpfenden alkaliſchen Geſchmack, faͤrbt die blauen Pflanzenſaͤfte gruͤn, und zeigt alle Eigenſchaften eines aufgeloͤßten Laugenſalzes. In voͤllig gefuͤllten und verſchloſſenen Gefaͤßen bleibt das Kalkwaſſer unveraͤndert. An der freyen Luft aber erzeugt ſich auf der Oberflaͤche deſſelben ein Hautchen, der Kalkrahm (cremor calcis), das endlich zu Boden faͤllt, und einem neuen Haͤutchen Platz macht, bis zuletzt aller aufgeloͤſete Kalk niedergeſchlagen iſt. Alsdann aber iſt derſelbe nicht mehr aͤtzend, brauſet wieder mit den Saͤuren, und loͤſet ſich im Waſſer nicht mehr auf; kurz, er iſt nicht mehr lebendiger, ſondern wiederum roher Kalk.

Eben dies geſchieht, wenn man fixe Luft oder Luftſaͤure zu dem Kalkwaſſer bringt. Es wird davon ſogleich truͤb, und laͤßt rohen Kalk fallen. Faͤhrt man mit dem Zumiſchen der Luftſaͤure fort, ſo loͤßt ſich dieſer rohe Kalk wieder auf; das Waſſer aber erhaͤlt den aͤaͤenden Geſchmack, und die Eigenſchaften des Kalkwaſſers nicht wieder. Durch das Kochen wird der rohe Kalk wieder aus demſelben niedergeſchlagen.

Der Weingeiſt, welcher keine Luftſaͤure enthaͤlt, ſchlaͤgt zwar den Kalk ebenfalls aus dem Kalkwaſſer nieder; es iſt aber dieſer Niederſchlag nicht roher, ſondern lebendiger Kalk.

Wenn man auf den gebrannten Kalk Waſſer gießt, ſo dringt daſſelbe mit einem Geziſche hinein, er zerſpaltet,

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[728/0734] geloͤſchter Kalk (calx viva, calx pura Bergm., Chaux vive.) Die Kalkſteine verlieren bey dieſer Verwandlung faſt die Helfte von ihrem Gewichte. Dieſer lebendige Kalk iſt ein wahres aͤtzendes fixes Laugenſalz, das ſich auch wirklich, obgleich mit einiger Schwierigkeit, im Waſſer aufloͤſen laͤßt. Nach Bergmann (De acido äereo, §. 11.) erfordert ein Theil Kalk 300 Theile, nach andern 680 Theile ſiedendes Waſſer zur voͤlligen Aufloͤſung. Die Aufloͤſung ſelbſt heißt Kalkwaſſer (aqua calcis, ean de chaux). Wenn man dieſes Kalkwaſſer von dem nicht aufgeloͤſeten Kalke abgießt, ſo iſt es voͤllig durchſichtig und farbenlos, hat einen eignen ſchrumpfenden alkaliſchen Geſchmack, faͤrbt die blauen Pflanzenſaͤfte gruͤn, und zeigt alle Eigenſchaften eines aufgeloͤßten Laugenſalzes. In voͤllig gefuͤllten und verſchloſſenen Gefaͤßen bleibt das Kalkwaſſer unveraͤndert. An der freyen Luft aber erzeugt ſich auf der Oberflaͤche deſſelben ein Hautchen, der Kalkrahm (cremor calcis), das endlich zu Boden faͤllt, und einem neuen Haͤutchen Platz macht, bis zuletzt aller aufgeloͤſete Kalk niedergeſchlagen iſt. Alsdann aber iſt derſelbe nicht mehr aͤtzend, brauſet wieder mit den Saͤuren, und loͤſet ſich im Waſſer nicht mehr auf; kurz, er iſt nicht mehr lebendiger, ſondern wiederum roher Kalk. Eben dies geſchieht, wenn man fixe Luft oder Luftſaͤure zu dem Kalkwaſſer bringt. Es wird davon ſogleich truͤb, und laͤßt rohen Kalk fallen. Faͤhrt man mit dem Zumiſchen der Luftſaͤure fort, ſo loͤßt ſich dieſer rohe Kalk wieder auf; das Waſſer aber erhaͤlt den aͤaͤenden Geſchmack, und die Eigenſchaften des Kalkwaſſers nicht wieder. Durch das Kochen wird der rohe Kalk wieder aus demſelben niedergeſchlagen. Der Weingeiſt, welcher keine Luftſaͤure enthaͤlt, ſchlaͤgt zwar den Kalk ebenfalls aus dem Kalkwaſſer nieder; es iſt aber dieſer Niederſchlag nicht roher, ſondern lebendiger Kalk. Wenn man auf den gebrannten Kalk Waſſer gießt, ſo dringt daſſelbe mit einem Geziſche hinein, er zerſpaltet,

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 728. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/734>, abgerufen am 18.05.2024.