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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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dem Falle, den die Figur darstellt, erst nach dem Durchkreuzen ins Auge, daher das Bild von A in I erscheinen sollte. Eben so müßte B sein Bild in M haben, und also das Bild IM umgekehrt vor dem Spiegel in der Luft zu schweben scheinen. Man nennt es daher ein Luftbild.

Es sind hierbey drey Fälle zu unterscheiden. 1) Wenn, wie bey Fig. 79., der Gegenstand AB zwischen F und C, dem Brennpunkte und Mittelpunkte des Spiegels liegt, so ist der Perpendikel durch A die Linie SACI, der Stral AR wird nach I zurückgeworfen, schneidet daselbst den Perpendikel, und stellt A in I, mithin das umgekehrte Luftbild IM noch vor dem Gegenstande AB selbst, und größer, als diesen, vor. 2) Wenn der Gegenstand im Mittelpunkte des Spiegels selbst, oder in C liegt, wie Ca, Fig. 79. Alsdann bekömmt der durch a gehende Perpendikel auf den Spiegel die Lage Ca selbst, und das Bild von a fällt in b, wo der reflectirte Stral Rb die Verlängerung von aC schneidet. Weil hier Cb=Ca, so ist in diesem Falle das Luftbild eben so groß, als der Gegenstand, und sollte denselben zu berühren scheinen. 3) Wenn der Gegenstand über den Mittelpunkt C hinaus liegt, wie Fig. 78., so schwebt das Luftbild näher vor dem Spiegel, und ist kleiner, als der Gegenstand.

Mit diesen Sätzen stimmt die Erfahrung zwar in Absicht auf die umgekehrte Lage und die Größe der Bilder völlig überein; was aber die scheinbaren Stellen der Luftbilder betrifft, so findet man zwischen den erwähnten drey Fällen wenig Unterschied, die Bilder scheinen einmal wie das anderemal gleichsam auf dem Spiegel selbst zu schweben, und man sieht sie sogar, wenn das Auge die Punkte I und M hinter sich hat. Dies ist allerdings ein wichtiger Einwurf gegen die Theorie, dessen Stärke Barrow selbst gefühlt hat. Bey dem Worte: Bild habe ich angeführt, wie man diese Schwierigkeit zu heben gesucht habe. Der Anblick der Luftbilder ist für uns eine neue und ungewöhnliche Art des Sehens, wobey wir das Bild auf den Spiegel selbst setzen, weil wir zwischen beyden nichts sehen, was uns einen Begriff von Abstand oder Entfernung geben könnte. So


dem Falle, den die Figur darſtellt, erſt nach dem Durchkreuzen ins Auge, daher das Bild von A in I erſcheinen ſollte. Eben ſo muͤßte B ſein Bild in M haben, und alſo das Bild IM umgekehrt vor dem Spiegel in der Luft zu ſchweben ſcheinen. Man nennt es daher ein Luftbild.

Es ſind hierbey drey Faͤlle zu unterſcheiden. 1) Wenn, wie bey Fig. 79., der Gegenſtand AB zwiſchen F und C, dem Brennpunkte und Mittelpunkte des Spiegels liegt, ſo iſt der Perpendikel durch A die Linie SACI, der Stral AR wird nach I zuruͤckgeworfen, ſchneidet daſelbſt den Perpendikel, und ſtellt A in I, mithin das umgekehrte Luftbild IM noch vor dem Gegenſtande AB ſelbſt, und groͤßer, als dieſen, vor. 2) Wenn der Gegenſtand im Mittelpunkte des Spiegels ſelbſt, oder in C liegt, wie Ca, Fig. 79. Alsdann bekoͤmmt der durch a gehende Perpendikel auf den Spiegel die Lage Ca ſelbſt, und das Bild von a faͤllt in b, wo der reflectirte Stral Rb die Verlaͤngerung von aC ſchneidet. Weil hier Cb=Ca, ſo iſt in dieſem Falle das Luftbild eben ſo groß, als der Gegenſtand, und ſollte denſelben zu beruͤhren ſcheinen. 3) Wenn der Gegenſtand uͤber den Mittelpunkt C hinaus liegt, wie Fig. 78., ſo ſchwebt das Luftbild naͤher vor dem Spiegel, und iſt kleiner, als der Gegenſtand.

Mit dieſen Saͤtzen ſtimmt die Erfahrung zwar in Abſicht auf die umgekehrte Lage und die Groͤße der Bilder voͤllig uͤberein; was aber die ſcheinbaren Stellen der Luftbilder betrifft, ſo findet man zwiſchen den erwaͤhnten drey Faͤllen wenig Unterſchied, die Bilder ſcheinen einmal wie das anderemal gleichſam auf dem Spiegel ſelbſt zu ſchweben, und man ſieht ſie ſogar, wenn das Auge die Punkte I und M hinter ſich hat. Dies iſt allerdings ein wichtiger Einwurf gegen die Theorie, deſſen Staͤrke Barrow ſelbſt gefuͤhlt hat. Bey dem Worte: Bild habe ich angefuͤhrt, wie man dieſe Schwierigkeit zu heben geſucht habe. Der Anblick der Luftbilder iſt fuͤr uns eine neue und ungewoͤhnliche Art des Sehens, wobey wir das Bild auf den Spiegel ſelbſt ſetzen, weil wir zwiſchen beyden nichts ſehen, was uns einen Begriff von Abſtand oder Entfernung geben koͤnnte. So

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[647/0653] dem Falle, den die Figur darſtellt, erſt nach dem Durchkreuzen ins Auge, daher das Bild von A in I erſcheinen ſollte. Eben ſo muͤßte B ſein Bild in M haben, und alſo das Bild IM umgekehrt vor dem Spiegel in der Luft zu ſchweben ſcheinen. Man nennt es daher ein Luftbild. Es ſind hierbey drey Faͤlle zu unterſcheiden. 1) Wenn, wie bey Fig. 79., der Gegenſtand AB zwiſchen F und C, dem Brennpunkte und Mittelpunkte des Spiegels liegt, ſo iſt der Perpendikel durch A die Linie SACI, der Stral AR wird nach I zuruͤckgeworfen, ſchneidet daſelbſt den Perpendikel, und ſtellt A in I, mithin das umgekehrte Luftbild IM noch vor dem Gegenſtande AB ſelbſt, und groͤßer, als dieſen, vor. 2) Wenn der Gegenſtand im Mittelpunkte des Spiegels ſelbſt, oder in C liegt, wie Ca, Fig. 79. Alsdann bekoͤmmt der durch a gehende Perpendikel auf den Spiegel die Lage Ca ſelbſt, und das Bild von a faͤllt in b, wo der reflectirte Stral Rb die Verlaͤngerung von aC ſchneidet. Weil hier Cb=Ca, ſo iſt in dieſem Falle das Luftbild eben ſo groß, als der Gegenſtand, und ſollte denſelben zu beruͤhren ſcheinen. 3) Wenn der Gegenſtand uͤber den Mittelpunkt C hinaus liegt, wie Fig. 78., ſo ſchwebt das Luftbild naͤher vor dem Spiegel, und iſt kleiner, als der Gegenſtand. Mit dieſen Saͤtzen ſtimmt die Erfahrung zwar in Abſicht auf die umgekehrte Lage und die Groͤße der Bilder voͤllig uͤberein; was aber die ſcheinbaren Stellen der Luftbilder betrifft, ſo findet man zwiſchen den erwaͤhnten drey Faͤllen wenig Unterſchied, die Bilder ſcheinen einmal wie das anderemal gleichſam auf dem Spiegel ſelbſt zu ſchweben, und man ſieht ſie ſogar, wenn das Auge die Punkte I und M hinter ſich hat. Dies iſt allerdings ein wichtiger Einwurf gegen die Theorie, deſſen Staͤrke Barrow ſelbſt gefuͤhlt hat. Bey dem Worte: Bild habe ich angefuͤhrt, wie man dieſe Schwierigkeit zu heben geſucht habe. Der Anblick der Luftbilder iſt fuͤr uns eine neue und ungewoͤhnliche Art des Sehens, wobey wir das Bild auf den Spiegel ſelbſt ſetzen, weil wir zwiſchen beyden nichts ſehen, was uns einen Begriff von Abſtand oder Entfernung geben koͤnnte. So

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 647. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/653>, abgerufen am 01.09.2024.