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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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sich häufige Spuren von Versuchen, die Kosmogonie zu erklären. Viele unter den Alten nahmen ein Chaos an, aus welchem durch den Streit der Elemente eine Scheidung derselben erfolgt, und alles an seine gehörige Stelle getreten sey,

Lucidus hic aer, et quae tria corpora restant, Ignis, aquae, tellus unus acervus erant.

Ut semel haec rerum secessit lite suarum, Inque novas abiit massa soluta domos;

Flamma petit altum, propior locus aera cepit, Sederunt medio terra fretumque solo.

Ovid. Fast. I. 105 sqq.

Leucipp, Epikur und Demokrit hingegen ließen die Welt aus Atomen entspringen, welche von jeher in einer lothrechten fallenden Bewegung gewesen seyn, durch eine plötzliche Störung aber von ihrem geradlinichten Wege abgelenkt, sich zufällig zusammengefügt und so die Körper gebildet haben sollten. Ueber diese Meynungen der Alten hat Bayle im historisch-kritischen Wörterbuche unter den Art. Ovid und Epikur mit vielem Scharfsinn und Gelehrsamkeit geschrieben.

Descartes (Principia philosophiae, im 2ten B. seiner Opp. auch Amst. 1685. 4.) bildet die Welt aus einem harten Klumpen Materie, den der Schöpfer durch seine Allmacht zerschlug und in Bewegung setzte. Durch das Abreiben der Theile an einander entstand eine sehr subtile Materie, eine Menge kugelförmiger Theilchen und eine Anzahl grober eckichter Stücke. Dies sind seine drey Elemente. Die subtile Materie bildete die Sonnen oder Fixsterne; die kugelförmigen Theilchen machten den Aether oder die Materie der Wirbel aus; die eckigten Stücken gaben den Stoff zu den Planeten und Kometen. Die Erde war Anfangs ein Stern mit einem eignen Wirbel, aber mit vieler groben Materie vermischt, welche endlich eine ganz dunkle Rinde darum bildete, aus der das innere Centralfeuer nur hie und da noch hervorbricht. So ward sie von dem Wirbel der Sonne ergriffen und fortgerissen. Die gröbsten Theile des dritten Elements in der Erdrinde stürzten zuerst nieder, und


ſich haͤufige Spuren von Verſuchen, die Kosmogonie zu erklaͤren. Viele unter den Alten nahmen ein Chaos an, aus welchem durch den Streit der Elemente eine Scheidung derſelben erfolgt, und alles an ſeine gehoͤrige Stelle getreten ſey,

Lucidus hic aer, et quae tria corpora reſtant, Ignis, aquae, tellus unus acervus erant.

Ut ſemel haec rerum ſeceſſit lite ſuarum, Inque novas abiit maſſa ſoluta domos;

Flamma petit altum, propior locus aëra cepit, Sederunt medio terra fretumque ſolo.

Ovid. Faſt. I. 105 ſqq.

Leucipp, Epikur und Demokrit hingegen ließen die Welt aus Atomen entſpringen, welche von jeher in einer lothrechten fallenden Bewegung geweſen ſeyn, durch eine ploͤtzliche Stoͤrung aber von ihrem geradlinichten Wege abgelenkt, ſich zufaͤllig zuſammengefuͤgt und ſo die Koͤrper gebildet haben ſollten. Ueber dieſe Meynungen der Alten hat Bayle im hiſtoriſch-kritiſchen Woͤrterbuche unter den Art. Ovid und Epikur mit vielem Scharfſinn und Gelehrſamkeit geſchrieben.

Descartes (Principia philoſophiae, im 2ten B. ſeiner Opp. auch Amſt. 1685. 4.) bildet die Welt aus einem harten Klumpen Materie, den der Schoͤpfer durch ſeine Allmacht zerſchlug und in Bewegung ſetzte. Durch das Abreiben der Theile an einander entſtand eine ſehr ſubtile Materie, eine Menge kugelfoͤrmiger Theilchen und eine Anzahl grober eckichter Stuͤcke. Dies ſind ſeine drey Elemente. Die ſubtile Materie bildete die Sonnen oder Fixſterne; die kugelfoͤrmigen Theilchen machten den Aether oder die Materie der Wirbel aus; die eckigten Stuͤcken gaben den Stoff zu den Planeten und Kometen. Die Erde war Anfangs ein Stern mit einem eignen Wirbel, aber mit vieler groben Materie vermiſcht, welche endlich eine ganz dunkle Rinde darum bildete, aus der das innere Centralfeuer nur hie und da noch hervorbricht. So ward ſie von dem Wirbel der Sonne ergriffen und fortgeriſſen. Die groͤbſten Theile des dritten Elements in der Erdrinde ſtuͤrzten zuerſt nieder, und

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[54/0060] ſich haͤufige Spuren von Verſuchen, die Kosmogonie zu erklaͤren. Viele unter den Alten nahmen ein Chaos an, aus welchem durch den Streit der Elemente eine Scheidung derſelben erfolgt, und alles an ſeine gehoͤrige Stelle getreten ſey, Lucidus hic aer, et quae tria corpora reſtant, Ignis, aquae, tellus unus acervus erant. Ut ſemel haec rerum ſeceſſit lite ſuarum, Inque novas abiit maſſa ſoluta domos; Flamma petit altum, propior locus aëra cepit, Sederunt medio terra fretumque ſolo. Ovid. Faſt. I. 105 ſqq. Leucipp, Epikur und Demokrit hingegen ließen die Welt aus Atomen entſpringen, welche von jeher in einer lothrechten fallenden Bewegung geweſen ſeyn, durch eine ploͤtzliche Stoͤrung aber von ihrem geradlinichten Wege abgelenkt, ſich zufaͤllig zuſammengefuͤgt und ſo die Koͤrper gebildet haben ſollten. Ueber dieſe Meynungen der Alten hat Bayle im hiſtoriſch-kritiſchen Woͤrterbuche unter den Art. Ovid und Epikur mit vielem Scharfſinn und Gelehrſamkeit geſchrieben. Descartes (Principia philoſophiae, im 2ten B. ſeiner Opp. auch Amſt. 1685. 4.) bildet die Welt aus einem harten Klumpen Materie, den der Schoͤpfer durch ſeine Allmacht zerſchlug und in Bewegung ſetzte. Durch das Abreiben der Theile an einander entſtand eine ſehr ſubtile Materie, eine Menge kugelfoͤrmiger Theilchen und eine Anzahl grober eckichter Stuͤcke. Dies ſind ſeine drey Elemente. Die ſubtile Materie bildete die Sonnen oder Fixſterne; die kugelfoͤrmigen Theilchen machten den Aether oder die Materie der Wirbel aus; die eckigten Stuͤcken gaben den Stoff zu den Planeten und Kometen. Die Erde war Anfangs ein Stern mit einem eignen Wirbel, aber mit vieler groben Materie vermiſcht, welche endlich eine ganz dunkle Rinde darum bildete, aus der das innere Centralfeuer nur hie und da noch hervorbricht. So ward ſie von dem Wirbel der Sonne ergriffen und fortgeriſſen. Die groͤbſten Theile des dritten Elements in der Erdrinde ſtuͤrzten zuerſt nieder, und

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/60>, abgerufen am 02.05.2024.