Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Isaak Vossius (De Nili et aliorum fluminum origine, Hagae Com. 1666. cap. 2,) bemerkt zuerst, daß das Quecksilber in Haarröhren niedriger stehe, und daß sich die Erscheinungen auch in communicirenden Röhren zeigen, wenn der eine Schenkel ein Haarröhrchen ist. Er sucht die Ursache in der Zähigkeit (viscositate) des Wassers, durch die es an das Glas anklebe, und dabey sein Gewicht verliere, wodurch zwar das Hängenbleiben des einmal aufgestiegnen Wassers, nicht aber das freywillige Aufsteigen selbst erklärt wird. Borellus (De motionibus naturalibus a gravitate pendentibus, Lugd. Bat. 1686. Prop. 182--188.) bemerkt, das Wasser steige schneller und höher, wenn die Röhre inwendig feucht sey. Er will die ganze Sache aus einer Art von Netz erklären, welches vom Wasser an der untern Oefnung der Röhre gebildet werde, und stellt sich, um die Hebung des Wassers begreiflich zu machen, die Theilchen desselben als biegsame Hebel vor. Jacob Bernoulli (De gravitate aetheris. Amst. 1683. 8. p. 239.) glaubt, die Lufttheilchen, als Kügelchen, passeten selten ganz genau in die Oefnung einer Röhre, die äußersten am Rande träfen die Wand der Röhre so, daß sie noch von ihr getragen würden, und wenn also etwa 6 solche Theilchen im Durchmesser Platz hätten, so würden 2 davon vom Rande der Röhre getragen, daher drückten nur noch 4 abwärts, und es sey also der Druck der Luft an dieser Stelle schwächer, als der von außen, daher das Fluidum höher hinaufgetrieben werde. Diese sehr gekünstelte Erklärung fällt schon dadurch hinweg, daß sich die Höhen,
Iſaak Voſſius (De Nili et aliorum fluminum origine, Hagae Com. 1666. cap. 2,) bemerkt zuerſt, daß das Queckſilber in Haarroͤhren niedriger ſtehe, und daß ſich die Erſcheinungen auch in communicirenden Roͤhren zeigen, wenn der eine Schenkel ein Haarroͤhrchen iſt. Er ſucht die Urſache in der Zaͤhigkeit (viſcoſitate) des Waſſers, durch die es an das Glas anklebe, und dabey ſein Gewicht verliere, wodurch zwar das Haͤngenbleiben des einmal aufgeſtiegnen Waſſers, nicht aber das freywillige Aufſteigen ſelbſt erklaͤrt wird. Borellus (De motionibus naturalibus a gravitate pendentibus, Lugd. Bat. 1686. Prop. 182—188.) bemerkt, das Waſſer ſteige ſchneller und hoͤher, wenn die Roͤhre inwendig feucht ſey. Er will die ganze Sache aus einer Art von Netz erklaͤren, welches vom Waſſer an der untern Oefnung der Roͤhre gebildet werde, und ſtellt ſich, um die Hebung des Waſſers begreiflich zu machen, die Theilchen deſſelben als biegſame Hebel vor. Jacob Bernoulli (De gravitate aetheris. Amſt. 1683. 8. p. 239.) glaubt, die Lufttheilchen, als Kuͤgelchen, paſſeten ſelten ganz genau in die Oefnung einer Roͤhre, die aͤußerſten am Rande traͤfen die Wand der Roͤhre ſo, daß ſie noch von ihr getragen wuͤrden, und wenn alſo etwa 6 ſolche Theilchen im Durchmeſſer Platz haͤtten, ſo wuͤrden 2 davon vom Rande der Roͤhre getragen, daher druͤckten nur noch 4 abwaͤrts, und es ſey alſo der Druck der Luft an dieſer Stelle ſchwaͤcher, als der von außen, daher das Fluidum hoͤher hinaufgetrieben werde. Dieſe ſehr gekuͤnſtelte Erklaͤrung faͤllt ſchon dadurch hinweg, daß ſich die Hoͤhen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0554" xml:id="P.2.548" n="548"/><lb/> tus Fabri</hi><hi rendition="#aq">(Scient. phyſ. Tract. V. L. II. Digreſſ. 1.)</hi> und aus ihm <hi rendition="#b">Johann Chriſtoph Sturm</hi> <hi rendition="#aq">(Collegium Curioſum, Norimb. 1676. 4. To. I. Tentam. 8.)</hi> fuͤhren die Erſcheinungen 1. 2. 3. umſtaͤndlich an, und erklaͤren ſie aus dem Drucke der Luft, welches dadurch hinlaͤnglich widerlegt wird, daß unter der Glocke der Luftpumpe alles eben ſo erfolgt. Sie ſetzen uͤbrigens noch die ganz falſche Beobachtung hinzu, daß das Waſſer in langen Roͤhren hoͤher ſteige, als in kurzen.</p> <p><hi rendition="#b">Iſaak Voſſius</hi><hi rendition="#aq">(De Nili et aliorum fluminum origine, Hagae Com. 1666. cap. 2,)</hi> bemerkt zuerſt, daß das Queckſilber in Haarroͤhren niedriger ſtehe, und daß ſich die Erſcheinungen auch in communicirenden Roͤhren zeigen, wenn der eine Schenkel ein Haarroͤhrchen iſt. Er ſucht die Urſache in der <hi rendition="#b">Zaͤhigkeit</hi> <hi rendition="#aq">(viſcoſitate)</hi> des Waſſers, durch die es an das Glas anklebe, und dabey ſein Gewicht verliere, wodurch zwar das Haͤngenbleiben des einmal aufgeſtiegnen Waſſers, nicht aber das freywillige Aufſteigen ſelbſt erklaͤrt wird.</p> <p><hi rendition="#b">Borellus</hi><hi rendition="#aq">(De motionibus naturalibus a gravitate pendentibus, Lugd. Bat. 1686. Prop. 182—188.)</hi> bemerkt, das Waſſer ſteige ſchneller und hoͤher, wenn die Roͤhre inwendig feucht ſey. Er will die ganze Sache aus einer Art von Netz erklaͤren, welches vom Waſſer an der untern Oefnung der Roͤhre gebildet werde, und ſtellt ſich, um die Hebung des Waſſers begreiflich zu machen, die Theilchen deſſelben als biegſame Hebel vor.</p> <p><hi rendition="#b">Jacob Bernoulli</hi><hi rendition="#aq">(De gravitate aetheris. Amſt. 1683. 8. p. 239.)</hi> glaubt, die Lufttheilchen, als Kuͤgelchen, paſſeten ſelten ganz genau in die Oefnung einer Roͤhre, die aͤußerſten am Rande traͤfen die Wand der Roͤhre ſo, daß ſie noch von ihr getragen wuͤrden, und wenn alſo etwa 6 ſolche Theilchen im Durchmeſſer Platz haͤtten, ſo wuͤrden 2 davon vom Rande der Roͤhre getragen, daher druͤckten nur noch 4 abwaͤrts, und es ſey alſo der Druck der Luft an dieſer Stelle ſchwaͤcher, als der von außen, daher das Fluidum hoͤher hinaufgetrieben werde. Dieſe ſehr gekuͤnſtelte Erklaͤrung faͤllt ſchon dadurch hinweg, daß ſich die Hoͤhen,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [548/0554]
tus Fabri (Scient. phyſ. Tract. V. L. II. Digreſſ. 1.) und aus ihm Johann Chriſtoph Sturm (Collegium Curioſum, Norimb. 1676. 4. To. I. Tentam. 8.) fuͤhren die Erſcheinungen 1. 2. 3. umſtaͤndlich an, und erklaͤren ſie aus dem Drucke der Luft, welches dadurch hinlaͤnglich widerlegt wird, daß unter der Glocke der Luftpumpe alles eben ſo erfolgt. Sie ſetzen uͤbrigens noch die ganz falſche Beobachtung hinzu, daß das Waſſer in langen Roͤhren hoͤher ſteige, als in kurzen.
Iſaak Voſſius (De Nili et aliorum fluminum origine, Hagae Com. 1666. cap. 2,) bemerkt zuerſt, daß das Queckſilber in Haarroͤhren niedriger ſtehe, und daß ſich die Erſcheinungen auch in communicirenden Roͤhren zeigen, wenn der eine Schenkel ein Haarroͤhrchen iſt. Er ſucht die Urſache in der Zaͤhigkeit (viſcoſitate) des Waſſers, durch die es an das Glas anklebe, und dabey ſein Gewicht verliere, wodurch zwar das Haͤngenbleiben des einmal aufgeſtiegnen Waſſers, nicht aber das freywillige Aufſteigen ſelbſt erklaͤrt wird.
Borellus (De motionibus naturalibus a gravitate pendentibus, Lugd. Bat. 1686. Prop. 182—188.) bemerkt, das Waſſer ſteige ſchneller und hoͤher, wenn die Roͤhre inwendig feucht ſey. Er will die ganze Sache aus einer Art von Netz erklaͤren, welches vom Waſſer an der untern Oefnung der Roͤhre gebildet werde, und ſtellt ſich, um die Hebung des Waſſers begreiflich zu machen, die Theilchen deſſelben als biegſame Hebel vor.
Jacob Bernoulli (De gravitate aetheris. Amſt. 1683. 8. p. 239.) glaubt, die Lufttheilchen, als Kuͤgelchen, paſſeten ſelten ganz genau in die Oefnung einer Roͤhre, die aͤußerſten am Rande traͤfen die Wand der Roͤhre ſo, daß ſie noch von ihr getragen wuͤrden, und wenn alſo etwa 6 ſolche Theilchen im Durchmeſſer Platz haͤtten, ſo wuͤrden 2 davon vom Rande der Roͤhre getragen, daher druͤckten nur noch 4 abwaͤrts, und es ſey alſo der Druck der Luft an dieſer Stelle ſchwaͤcher, als der von außen, daher das Fluidum hoͤher hinaufgetrieben werde. Dieſe ſehr gekuͤnſtelte Erklaͤrung faͤllt ſchon dadurch hinweg, daß ſich die Hoͤhen,
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