Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Von diesen Theorien hängen nun alle die Erscheinungen ab, welche ich oben aus de la Lande als Beweise für das System der Gravitation angeführt habe. Jede derselben macht einen besondern Zweig von Anwendungen aus, an welchen dieses System so fruchtbar ist, und welche die neuern Geometer und Astronomen so vollständig ausgeführt und so übereinstimmend mit den Beobachtungen gefunden haben, daß das System der allgemeinen Schwere nichts mehr von dem Wechsel der Zeiten und Meynungen zu fürchten hat. Auch ist dieses System in neuern Zeiten nicht weiter mit erheblichen Gründen bestritten worden; denn diejenigen, welche dagegen schreiben, ohne es zu kennen, verdienen hier keine Erwähnung. Im Monat Iunius des Jahrs 1769 erschien im Journal de beaux arts et de sciences, welches damals der Abt Aubert sammelte, ein Brief aus Faucigny, worinn ein gewisser Coultaud, der sich ancien Professeur de Physique a Turin unterzeichnet hatte, die Versicherung gab, durch wiederholte Versuche in den dasigen Gebirgen die Schwere in der Höhe größer, als am Fuße der Berge gefunden zu haben, weil das Pendel in einer Höhe von 1085 Toisen dem am tiefern Standorte binnen 2 Monaten um 27 Min. 20 Sec. vorgeeilt sey. Er berechnete aus diesem Versuche, den er das Grab der Attraction und ihrer Gesetze nennt, daß die Schwere im Verhältnisse der Entfernung von der Erde zunehmen müsse, worauf der P. Bertier ein eignes, der newtonischen Theorie entgegengesetztes, System baute. Es folgte im December 1771 ein zweyter Brief eines gewissen Mercier in Sitten an Herrn Gesner in Zürich, der eben dies durch neue Versuche bestätigte. Die Sache erregte einiges Aufsehen, und d'Alembert bewieß schon, daß es in den Gebirgen Stellen geben könne, wo selbst nach Newtons Gesetzen das Pendel in der Höhe schneller, als unten, schwingen müsse. Endlich fand sich bey genauerer Nachfrage, daß das ganze Vorgeben ein Gewebe von Lügen sey, daß die erzählten
Von dieſen Theorien haͤngen nun alle die Erſcheinungen ab, welche ich oben aus de la Lande als Beweiſe fuͤr das Syſtem der Gravitation angefuͤhrt habe. Jede derſelben macht einen beſondern Zweig von Anwendungen aus, an welchen dieſes Syſtem ſo fruchtbar iſt, und welche die neuern Geometer und Aſtronomen ſo vollſtaͤndig ausgefuͤhrt und ſo uͤbereinſtimmend mit den Beobachtungen gefunden haben, daß das Syſtem der allgemeinen Schwere nichts mehr von dem Wechſel der Zeiten und Meynungen zu fuͤrchten hat. Auch iſt dieſes Syſtem in neuern Zeiten nicht weiter mit erheblichen Gruͤnden beſtritten worden; denn diejenigen, welche dagegen ſchreiben, ohne es zu kennen, verdienen hier keine Erwaͤhnung. Im Monat Iunius des Jahrs 1769 erſchien im Journal de beaux arts et de ſciences, welches damals der Abt Aubert ſammelte, ein Brief aus Faucigny, worinn ein gewiſſer Coultaud, der ſich ancien Profeſſeur de Phyſique à Turin unterzeichnet hatte, die Verſicherung gab, durch wiederholte Verſuche in den daſigen Gebirgen die Schwere in der Hoͤhe groͤßer, als am Fuße der Berge gefunden zu haben, weil das Pendel in einer Hoͤhe von 1085 Toiſen dem am tiefern Standorte binnen 2 Monaten um 27 Min. 20 Sec. vorgeeilt ſey. Er berechnete aus dieſem Verſuche, den er das Grab der Attraction und ihrer Geſetze nennt, daß die Schwere im Verhaͤltniſſe der Entfernung von der Erde zunehmen muͤſſe, worauf der P. Bertier ein eignes, der newtoniſchen Theorie entgegengeſetztes, Syſtem baute. Es folgte im December 1771 ein zweyter Brief eines gewiſſen Mercier in Sitten an Herrn Gesner in Zuͤrich, der eben dies durch neue Verſuche beſtaͤtigte. Die Sache erregte einiges Aufſehen, und d'Alembert bewieß ſchon, daß es in den Gebirgen Stellen geben koͤnne, wo ſelbſt nach Newtons Geſetzen das Pendel in der Hoͤhe ſchneller, als unten, ſchwingen muͤſſe. Endlich fand ſich bey genauerer Nachfrage, daß das ganze Vorgeben ein Gewebe von Luͤgen ſey, daß die erzaͤhlten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0540" xml:id="P.2.534" n="534"/><lb/> des Monds 40mal kleiner als die Maſſe der Erde, ſeine Dichte hingegen zu der Dichte der Erde, wie 11:9.</p> <p>Von dieſen Theorien haͤngen nun alle die Erſcheinungen ab, welche ich oben aus <hi rendition="#b">de la Lande</hi> als Beweiſe fuͤr das Syſtem der Gravitation angefuͤhrt habe. Jede derſelben macht einen beſondern Zweig von Anwendungen aus, an welchen dieſes Syſtem ſo fruchtbar iſt, und welche die neuern Geometer und Aſtronomen ſo vollſtaͤndig ausgefuͤhrt und ſo uͤbereinſtimmend mit den Beobachtungen gefunden haben, daß das Syſtem der allgemeinen Schwere nichts mehr von dem Wechſel der Zeiten und Meynungen zu fuͤrchten hat.</p> <p>Auch iſt dieſes Syſtem in neuern Zeiten nicht weiter mit erheblichen Gruͤnden beſtritten worden; denn diejenigen, welche dagegen ſchreiben, ohne es zu kennen, verdienen hier keine Erwaͤhnung. Im Monat Iunius des Jahrs 1769 erſchien im <hi rendition="#aq">Journal de beaux arts et de ſciences,</hi> welches damals der Abt <hi rendition="#b">Aubert</hi> ſammelte, ein Brief aus Faucigny, worinn ein gewiſſer <hi rendition="#b">Coultaud,</hi> der ſich <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">ancien Profeſſeur de Phyſique à Turin</hi></hi> unterzeichnet hatte, die Verſicherung gab, durch wiederholte Verſuche in den daſigen Gebirgen die Schwere in der Hoͤhe groͤßer, als am Fuße der Berge gefunden zu haben, weil das Pendel in einer Hoͤhe von 1085 Toiſen dem am tiefern Standorte binnen 2 Monaten um 27 Min. 20 Sec. vorgeeilt ſey. Er berechnete aus dieſem Verſuche, den er das Grab der Attraction und ihrer Geſetze nennt, daß die Schwere im Verhaͤltniſſe der Entfernung von der Erde zunehmen muͤſſe, worauf der P. <hi rendition="#b">Bertier</hi> ein eignes, der newtoniſchen Theorie entgegengeſetztes, Syſtem baute. Es folgte im December 1771 ein zweyter Brief eines gewiſſen <hi rendition="#b">Mercier</hi> in Sitten an Herrn <hi rendition="#b">Gesner</hi> in Zuͤrich, der eben dies durch neue Verſuche beſtaͤtigte. Die Sache erregte einiges Aufſehen, und <hi rendition="#b">d'Alembert</hi> bewieß ſchon, daß es in den Gebirgen Stellen geben koͤnne, wo ſelbſt nach Newtons Geſetzen das Pendel in der Hoͤhe ſchneller, als unten, ſchwingen muͤſſe. Endlich fand ſich bey genauerer Nachfrage, daß das ganze Vorgeben ein Gewebe von Luͤgen ſey, daß die erzaͤhlten<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [534/0540]
des Monds 40mal kleiner als die Maſſe der Erde, ſeine Dichte hingegen zu der Dichte der Erde, wie 11:9.
Von dieſen Theorien haͤngen nun alle die Erſcheinungen ab, welche ich oben aus de la Lande als Beweiſe fuͤr das Syſtem der Gravitation angefuͤhrt habe. Jede derſelben macht einen beſondern Zweig von Anwendungen aus, an welchen dieſes Syſtem ſo fruchtbar iſt, und welche die neuern Geometer und Aſtronomen ſo vollſtaͤndig ausgefuͤhrt und ſo uͤbereinſtimmend mit den Beobachtungen gefunden haben, daß das Syſtem der allgemeinen Schwere nichts mehr von dem Wechſel der Zeiten und Meynungen zu fuͤrchten hat.
Auch iſt dieſes Syſtem in neuern Zeiten nicht weiter mit erheblichen Gruͤnden beſtritten worden; denn diejenigen, welche dagegen ſchreiben, ohne es zu kennen, verdienen hier keine Erwaͤhnung. Im Monat Iunius des Jahrs 1769 erſchien im Journal de beaux arts et de ſciences, welches damals der Abt Aubert ſammelte, ein Brief aus Faucigny, worinn ein gewiſſer Coultaud, der ſich ancien Profeſſeur de Phyſique à Turin unterzeichnet hatte, die Verſicherung gab, durch wiederholte Verſuche in den daſigen Gebirgen die Schwere in der Hoͤhe groͤßer, als am Fuße der Berge gefunden zu haben, weil das Pendel in einer Hoͤhe von 1085 Toiſen dem am tiefern Standorte binnen 2 Monaten um 27 Min. 20 Sec. vorgeeilt ſey. Er berechnete aus dieſem Verſuche, den er das Grab der Attraction und ihrer Geſetze nennt, daß die Schwere im Verhaͤltniſſe der Entfernung von der Erde zunehmen muͤſſe, worauf der P. Bertier ein eignes, der newtoniſchen Theorie entgegengeſetztes, Syſtem baute. Es folgte im December 1771 ein zweyter Brief eines gewiſſen Mercier in Sitten an Herrn Gesner in Zuͤrich, der eben dies durch neue Verſuche beſtaͤtigte. Die Sache erregte einiges Aufſehen, und d'Alembert bewieß ſchon, daß es in den Gebirgen Stellen geben koͤnne, wo ſelbſt nach Newtons Geſetzen das Pendel in der Hoͤhe ſchneller, als unten, ſchwingen muͤſſe. Endlich fand ſich bey genauerer Nachfrage, daß das ganze Vorgeben ein Gewebe von Luͤgen ſey, daß die erzaͤhlten
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