Newton berechnete nun den Queersinus dieses Bogens für einen Kreis von 60 Erdhalbmessern, nahm aber dabey, weil er keine Bücher zur Hand hatte, und ihm Norwoods genauere Erdmessung vom J. 1635 nicht bekannt war, nach der damaligen gemeinen Art den Grad des Mittagskreises 60 englische Meilen, also den Erdhalbmesser 3430 Meilen an, welches viel zu klein ist, und daher den gedachten Queersinus nur 13 1/3 Fuß giebt. Viele Naturforscher würden sich darüber hinausgesetzt, und ihr Gebäude immer weiter aufgeführt haben. Aber dieser vortrefliche Philosoph, der nicht Systeme, sondern Wahrheit suchte, warf seine so schön verbundnen Muthmaßungen sogleich von sich, als sie ihm mit den Beobachtungen zu streiten schienen.
Erst nach zehn Jahren ward er durch einen Brief des D. Hoock zu einer Untersuchung veranlasset, bey welcher ihm seine ehemaligen Berechnungen über die Schwere des Monds wieder einfielen. Inzwischen war Picards Gradmessung in Frankreich bekannt geworden, nach welcher der Grad 57060 Toisen, d. i. nicht 60, sondern 69 1/2 englische Meilen hielt. Dies gab den Halbmesser der Erde weit größer, und für den Queersinus des Bogens von 32 56 in einem Kreise von 60 Erdhalbmessern genau die 15 1/2 Fuß, um welche der Mond in einer Minute Zeit sich der Erde nähern mußte; zum Beweise, daß die Schwere gegen die Erde sich bis zum Monde wirklich zeige, und im umgekehrten Verhältnisse des Quadrats der Entfernung abnehme.
Newton untersuchte nunmehr mit Hülfe der Geometrie, welche Curve ein geworfener Körper beschreibe, wenn er stets nach einerley Punkte gezogen wird, und sich diese Kraft verkehrt, wie das Quadrat des Abstands von diesem Punkte, verhält. Er fand anfänglich, daß bey jedem Gesetze der Kraft die vom Radius vector beschriebenen Flächenräume den Zeiten proportional seyn müßten; und dann, daß bey dem angenommenen Gesetze die Curve ein Kegelschnitt, und der Punkt, nach welchem die Kraft gerichtet ist, ein Brennpunkt desselben sey. Da nun dies nach den Keplerischen Regeln gerade der Fall beym Laufe der
Newton berechnete nun den Queerſinus dieſes Bogens fuͤr einen Kreis von 60 Erdhalbmeſſern, nahm aber dabey, weil er keine Buͤcher zur Hand hatte, und ihm Norwoods genauere Erdmeſſung vom J. 1635 nicht bekannt war, nach der damaligen gemeinen Art den Grad des Mittagskreiſes 60 engliſche Meilen, alſo den Erdhalbmeſſer 3430 Meilen an, welches viel zu klein iſt, und daher den gedachten Queerſinus nur 13 1/3 Fuß giebt. Viele Naturforſcher wuͤrden ſich daruͤber hinausgeſetzt, und ihr Gebaͤude immer weiter aufgefuͤhrt haben. Aber dieſer vortrefliche Philoſoph, der nicht Syſteme, ſondern Wahrheit ſuchte, warf ſeine ſo ſchoͤn verbundnen Muthmaßungen ſogleich von ſich, als ſie ihm mit den Beobachtungen zu ſtreiten ſchienen.
Erſt nach zehn Jahren ward er durch einen Brief des D. Hoock zu einer Unterſuchung veranlaſſet, bey welcher ihm ſeine ehemaligen Berechnungen uͤber die Schwere des Monds wieder einfielen. Inzwiſchen war Picards Gradmeſſung in Frankreich bekannt geworden, nach welcher der Grad 57060 Toiſen, d. i. nicht 60, ſondern 69 1/2 engliſche Meilen hielt. Dies gab den Halbmeſſer der Erde weit groͤßer, und fuͤr den Queerſinus des Bogens von 32 56 in einem Kreiſe von 60 Erdhalbmeſſern genau die 15 1/2 Fuß, um welche der Mond in einer Minute Zeit ſich der Erde naͤhern mußte; zum Beweiſe, daß die Schwere gegen die Erde ſich bis zum Monde wirklich zeige, und im umgekehrten Verhaͤltniſſe des Quadrats der Entfernung abnehme.
Newton unterſuchte nunmehr mit Huͤlfe der Geometrie, welche Curve ein geworfener Koͤrper beſchreibe, wenn er ſtets nach einerley Punkte gezogen wird, und ſich dieſe Kraft verkehrt, wie das Quadrat des Abſtands von dieſem Punkte, verhaͤlt. Er fand anfaͤnglich, daß bey jedem Geſetze der Kraft die vom Radius vector beſchriebenen Flaͤchenraͤume den Zeiten proportional ſeyn muͤßten; und dann, daß bey dem angenommenen Geſetze die Curve ein Kegelſchnitt, und der Punkt, nach welchem die Kraft gerichtet iſt, ein Brennpunkt deſſelben ſey. Da nun dies nach den Kepleriſchen Regeln gerade der Fall beym Laufe der
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Newton berechnete nun den Queerſinus dieſes Bogens fuͤr einen Kreis von 60 Erdhalbmeſſern, nahm aber dabey, weil er keine Buͤcher zur Hand hatte, und ihm Norwoods genauere Erdmeſſung vom J. 1635 nicht bekannt war, nach der damaligen gemeinen Art den Grad des Mittagskreiſes 60 engliſche Meilen, alſo den Erdhalbmeſſer 3430 Meilen an, welches viel zu klein iſt, und daher den gedachten Queerſinus nur 13 1/3 Fuß giebt. Viele Naturforſcher wuͤrden ſich daruͤber hinausgeſetzt, und ihr Gebaͤude immer weiter aufgefuͤhrt haben. Aber dieſer vortrefliche Philoſoph, der nicht Syſteme, ſondern Wahrheit ſuchte, warf ſeine ſo ſchoͤn verbundnen Muthmaßungen ſogleich von ſich, als ſie ihm mit den Beobachtungen zu ſtreiten ſchienen.
Erſt nach zehn Jahren ward er durch einen Brief des D. Hoock zu einer Unterſuchung veranlaſſet, bey welcher ihm ſeine ehemaligen Berechnungen uͤber die Schwere des Monds wieder einfielen. Inzwiſchen war Picards Gradmeſſung in Frankreich bekannt geworden, nach welcher der Grad 57060 Toiſen, d. i. nicht 60, ſondern 69 1/2 engliſche Meilen hielt. Dies gab den Halbmeſſer der Erde weit groͤßer, und fuͤr den Queerſinus des Bogens von 32 56 in einem Kreiſe von 60 Erdhalbmeſſern genau die 15 1/2 Fuß, um welche der Mond in einer Minute Zeit ſich der Erde naͤhern mußte; zum Beweiſe, daß die Schwere gegen die Erde ſich bis zum Monde wirklich zeige, und im umgekehrten Verhaͤltniſſe des Quadrats der Entfernung abnehme.
Newton unterſuchte nunmehr mit Huͤlfe der Geometrie, welche Curve ein geworfener Koͤrper beſchreibe, wenn er ſtets nach einerley Punkte gezogen wird, und ſich dieſe Kraft verkehrt, wie das Quadrat des Abſtands von dieſem Punkte, verhaͤlt. Er fand anfaͤnglich, daß bey jedem Geſetze der Kraft die vom Radius vector beſchriebenen Flaͤchenraͤume den Zeiten proportional ſeyn muͤßten; und dann, daß bey dem angenommenen Geſetze die Curve ein Kegelſchnitt, und der Punkt, nach welchem die Kraft gerichtet iſt, ein Brennpunkt deſſelben ſey. Da nun dies nach den Kepleriſchen Regeln gerade der Fall beym Laufe der
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/529>, abgerufen am 22.11.2024.
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