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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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würde diese die Erschütterung den Nerven mittheilen und zum Gehirn bringen.

Aber eine große Schwierigkeit bey allen diesen Erklärungen ist, daß man keine Oefnung findet, durch welche Luft von gleicher Federkraft mit der äußern ins Labyrinth gelangen kan, indem beyde Fenster mit Häutchen verschlossen sind. Schon ältere Zergliederer haben Feuchtigkeiten im Labyrinthe wahrgenommen: Cotunni (Diss. de aquaeductibus auris humanae internae. Neap. 1760. 4.) und Meckel (Diss. de labyrinthi auris contentis. Argentor. 1777. 4.) haben endlich erwiesen, daß es ganz voll Wasser sey. Diese Entdeckung würde die ältern Naturforscher sehr in Verlegenheit gesetzt haben; jetzt wissen wir aber, daß auch das Wasser in einigem Grade elastisch sey, und den Schall fortpflanze; überdies sind auch zwey zarte Räumchen vorhanden, in welche das Wasser zum Theil ausweichen kan. Herr D. Wünsch (De auris humanae proprietatibus. Lips. 1777. 4.) glaubt, es werde die ganze sehr zarte und elastische Masse des Labyrinths erschüttert, welche Meinung auch wohl die wahrscheinlichste ist.

Wenn die Erschütterungen aus regelmäßigen und gleichzeitig auf einander folgenden Schlägen bestehen, so wird ein Klang oder Ton, wenn aber dieses Regelmäßige fehlt, wird ein blos unharmonischer Schall empfunden. Beyde können, wenn sie stark werden, den Gaumen und die Zähne erschüttern, und sogar Taubheit verursachen.

Daß man mehrere Töne zugleich höret, erklärt man leicht dadurch, weil jeder Ton nur die mit ihm harmonischen Fasern der Spiralscheidewand erschüttert, daher von verschiedenen Tönen auch verschiedene Nervenspitzen gerührt werden. Das Labyrinth, die Schnecke und die vier kleinen Gehörknöchelchen wachsen nicht, sondern sind bey Kindern eben so groß, als bey Erwachsenen. Sollte hiebey nicht die Absicht seyn, zu bewirken, daß gewisse bestimmte Töne immer eben dieselben Stellen dieser Theile und auf eben dieselbe Art erschüttern müssen. Denn, wenn z. B. die Nervenfasern der Spiralscheidewand an Länge zunähmen, so würden Kinder gewisse hohe Töne hören können, die sie als


wuͤrde dieſe die Erſchuͤtterung den Nerven mittheilen und zum Gehirn bringen.

Aber eine große Schwierigkeit bey allen dieſen Erklaͤrungen iſt, daß man keine Oefnung findet, durch welche Luft von gleicher Federkraft mit der aͤußern ins Labyrinth gelangen kan, indem beyde Fenſter mit Haͤutchen verſchloſſen ſind. Schon aͤltere Zergliederer haben Feuchtigkeiten im Labyrinthe wahrgenommen: Cotunni (Diſſ. de aquaeductibus auris humanae internae. Neap. 1760. 4.) und Meckel (Diſſ. de labyrinthi auris contentis. Argentor. 1777. 4.) haben endlich erwieſen, daß es ganz voll Waſſer ſey. Dieſe Entdeckung wuͤrde die aͤltern Naturforſcher ſehr in Verlegenheit geſetzt haben; jetzt wiſſen wir aber, daß auch das Waſſer in einigem Grade elaſtiſch ſey, und den Schall fortpflanze; uͤberdies ſind auch zwey zarte Raͤumchen vorhanden, in welche das Waſſer zum Theil ausweichen kan. Herr D. Wuͤnſch (De auris humanae proprietatibus. Lipſ. 1777. 4.) glaubt, es werde die ganze ſehr zarte und elaſtiſche Maſſe des Labyrinths erſchuͤttert, welche Meinung auch wohl die wahrſcheinlichſte iſt.

Wenn die Erſchuͤtterungen aus regelmaͤßigen und gleichzeitig auf einander folgenden Schlaͤgen beſtehen, ſo wird ein Klang oder Ton, wenn aber dieſes Regelmaͤßige fehlt, wird ein blos unharmoniſcher Schall empfunden. Beyde koͤnnen, wenn ſie ſtark werden, den Gaumen und die Zaͤhne erſchuͤttern, und ſogar Taubheit verurſachen.

Daß man mehrere Toͤne zugleich hoͤret, erklaͤrt man leicht dadurch, weil jeder Ton nur die mit ihm harmoniſchen Faſern der Spiralſcheidewand erſchuͤttert, daher von verſchiedenen Toͤnen auch verſchiedene Nervenſpitzen geruͤhrt werden. Das Labyrinth, die Schnecke und die vier kleinen Gehoͤrknoͤchelchen wachſen nicht, ſondern ſind bey Kindern eben ſo groß, als bey Erwachſenen. Sollte hiebey nicht die Abſicht ſeyn, zu bewirken, daß gewiſſe beſtimmte Toͤne immer eben dieſelben Stellen dieſer Theile und auf eben dieſelbe Art erſchuͤttern muͤſſen. Denn, wenn z. B. die Nervenfaſern der Spiralſcheidewand an Laͤnge zunaͤhmen, ſo wuͤrden Kinder gewiſſe hohe Toͤne hoͤren koͤnnen, die ſie als

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[450/0456] wuͤrde dieſe die Erſchuͤtterung den Nerven mittheilen und zum Gehirn bringen. Aber eine große Schwierigkeit bey allen dieſen Erklaͤrungen iſt, daß man keine Oefnung findet, durch welche Luft von gleicher Federkraft mit der aͤußern ins Labyrinth gelangen kan, indem beyde Fenſter mit Haͤutchen verſchloſſen ſind. Schon aͤltere Zergliederer haben Feuchtigkeiten im Labyrinthe wahrgenommen: Cotunni (Diſſ. de aquaeductibus auris humanae internae. Neap. 1760. 4.) und Meckel (Diſſ. de labyrinthi auris contentis. Argentor. 1777. 4.) haben endlich erwieſen, daß es ganz voll Waſſer ſey. Dieſe Entdeckung wuͤrde die aͤltern Naturforſcher ſehr in Verlegenheit geſetzt haben; jetzt wiſſen wir aber, daß auch das Waſſer in einigem Grade elaſtiſch ſey, und den Schall fortpflanze; uͤberdies ſind auch zwey zarte Raͤumchen vorhanden, in welche das Waſſer zum Theil ausweichen kan. Herr D. Wuͤnſch (De auris humanae proprietatibus. Lipſ. 1777. 4.) glaubt, es werde die ganze ſehr zarte und elaſtiſche Maſſe des Labyrinths erſchuͤttert, welche Meinung auch wohl die wahrſcheinlichſte iſt. Wenn die Erſchuͤtterungen aus regelmaͤßigen und gleichzeitig auf einander folgenden Schlaͤgen beſtehen, ſo wird ein Klang oder Ton, wenn aber dieſes Regelmaͤßige fehlt, wird ein blos unharmoniſcher Schall empfunden. Beyde koͤnnen, wenn ſie ſtark werden, den Gaumen und die Zaͤhne erſchuͤttern, und ſogar Taubheit verurſachen. Daß man mehrere Toͤne zugleich hoͤret, erklaͤrt man leicht dadurch, weil jeder Ton nur die mit ihm harmoniſchen Faſern der Spiralſcheidewand erſchuͤttert, daher von verſchiedenen Toͤnen auch verſchiedene Nervenſpitzen geruͤhrt werden. Das Labyrinth, die Schnecke und die vier kleinen Gehoͤrknoͤchelchen wachſen nicht, ſondern ſind bey Kindern eben ſo groß, als bey Erwachſenen. Sollte hiebey nicht die Abſicht ſeyn, zu bewirken, daß gewiſſe beſtimmte Toͤne immer eben dieſelben Stellen dieſer Theile und auf eben dieſelbe Art erſchuͤttern muͤſſen. Denn, wenn z. B. die Nervenfaſern der Spiralſcheidewand an Laͤnge zunaͤhmen, ſo wuͤrden Kinder gewiſſe hohe Toͤne hoͤren koͤnnen, die ſie als

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/456>, abgerufen am 22.11.2024.