Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Als er nun das Auge weg auf eine andere Stelle des weißen Grundes wandte, sahe er daselbst das Bild dieses Rechtecks lebhaft grün. Der Eindruck dauerte sehr lang, und blieb noch im Auge, wenn es geschlossen ward. Aehnliche Erscheinungen zeigten sich auch, wenn er gelbe und schwarze Vierecke betrachtete, nur daß der letzte Eindruck alsdann ein blaues oder weißes Rechteck darstellte. Auch seine Freunde, die diese Versuche nachmachten, sahen eben dieselben Erscheinungen. Fiel die zufällige grüne Farbe, welche von dem Anschauen des rothen entstanden war, auf einen hellrothen Grund, so verwandlete sie sich in Gelb, die blaue, wenn sie auf einen gelben Grund fiel, ward grün u. s. w. Alle diese zufällige Farben rühren augenscheinlich davon her, daß der Eindruck, den die Farben auf der Netzhaut machen, noch eine Zeitlang nach dem Anschauen fortdauret. Aepinus (Observationes quaedam ad Opticam pertinentes, in Comm. Petrop. nov. To. X. p. 282.) zieht aus seinen Beobachtungen über die zufälligen Farben den Satz, daß der lebhafte Eindruck, den das Auge durch das Anschauen der Sonne oder eines leuchtenden Körpers überhaupt erhält, zuerst ein gelbes, dann ein grünes und zuletzt ein blaues Bild darstelle -- eine Bemerkung, die auch de la Hire (Sur les diff. accidens de la vue, Mem. de l'Acad. des Sc. 1694.) schon gemacht hat. Man sieht hieraus deutlich, daß der Eindruck des Lichts, wenn ihn der Gegenstand selbst nicht mehr unterhält, allmählich schwächer wird, und erkennt zugleich die Ordnung, in welcher die Farben in Absicht auf die Stärke ihrer Wirkung ins Auge abnehmen. Beguelin (Sur la source d'une illusion du sens'de la vue, in den Nouv. Mem. de l'Ac. de Prusse. 1771. p. 8.) bemerkte einmal, als er die niedrigstehende Sonne im Gesicht hatte, und eine im Schatten liegende Schrift las, daß sich die schwarzen Buchstaben in hellrothe zu verwandlen schienen. Er erklärt diese Erscheinung sehr richtig. Wenn man die Sonne im Gesicht hat, schließt man, um das Licht
Als er nun das Auge weg auf eine andere Stelle des weißen Grundes wandte, ſahe er daſelbſt das Bild dieſes Rechtecks lebhaft gruͤn. Der Eindruck dauerte ſehr lang, und blieb noch im Auge, wenn es geſchloſſen ward. Aehnliche Erſcheinungen zeigten ſich auch, wenn er gelbe und ſchwarze Vierecke betrachtete, nur daß der letzte Eindruck alsdann ein blaues oder weißes Rechteck darſtellte. Auch ſeine Freunde, die dieſe Verſuche nachmachten, ſahen eben dieſelben Erſcheinungen. Fiel die zufaͤllige gruͤne Farbe, welche von dem Anſchauen des rothen entſtanden war, auf einen hellrothen Grund, ſo verwandlete ſie ſich in Gelb, die blaue, wenn ſie auf einen gelben Grund fiel, ward gruͤn u. ſ. w. Alle dieſe zufaͤllige Farben ruͤhren augenſcheinlich davon her, daß der Eindruck, den die Farben auf der Netzhaut machen, noch eine Zeitlang nach dem Anſchauen fortdauret. Aepinus (Obſervationes quaedam ad Opticam pertinentes, in Comm. Petrop. nov. To. X. p. 282.) zieht aus ſeinen Beobachtungen uͤber die zufaͤlligen Farben den Satz, daß der lebhafte Eindruck, den das Auge durch das Anſchauen der Sonne oder eines leuchtenden Koͤrpers uͤberhaupt erhaͤlt, zuerſt ein gelbes, dann ein gruͤnes und zuletzt ein blaues Bild darſtelle — eine Bemerkung, die auch de la Hire (Sur les diff. accidens de la vue, Mém. de l'Acad. des Sc. 1694.) ſchon gemacht hat. Man ſieht hieraus deutlich, daß der Eindruck des Lichts, wenn ihn der Gegenſtand ſelbſt nicht mehr unterhaͤlt, allmaͤhlich ſchwaͤcher wird, und erkennt zugleich die Ordnung, in welcher die Farben in Abſicht auf die Staͤrke ihrer Wirkung ins Auge abnehmen. Beguelin (Sur la ſource d'une illuſion du ſens'de la vue, in den Nouv. Mém. de l'Ac. de Pruſſe. 1771. p. 8.) bemerkte einmal, als er die niedrigſtehende Sonne im Geſicht hatte, und eine im Schatten liegende Schrift las, daß ſich die ſchwarzen Buchſtaben in hellrothe zu verwandlen ſchienen. Er erklaͤrt dieſe Erſcheinung ſehr richtig. Wenn man die Sonne im Geſicht hat, ſchließt man, um das Licht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0162" xml:id="P.2.156" n="156"/><lb/> gleicher Hoͤhe mit dem Vierecke, aber nur den ſechſten Theil ſo breit, und ſo lebhaft roth, daß es das Auge blendete.</p> <p>Als er nun das Auge weg auf eine andere Stelle des weißen Grundes wandte, ſahe er daſelbſt das Bild dieſes Rechtecks lebhaft gruͤn. Der Eindruck dauerte ſehr lang, und blieb noch im Auge, wenn es geſchloſſen ward. Aehnliche Erſcheinungen zeigten ſich auch, wenn er gelbe und ſchwarze Vierecke betrachtete, nur daß der letzte Eindruck alsdann ein blaues oder weißes Rechteck darſtellte. Auch ſeine Freunde, die dieſe Verſuche nachmachten, ſahen eben dieſelben Erſcheinungen.</p> <p>Fiel die zufaͤllige gruͤne Farbe, welche von dem Anſchauen des rothen entſtanden war, auf einen hellrothen Grund, ſo verwandlete ſie ſich in Gelb, die blaue, wenn ſie auf einen gelben Grund fiel, ward gruͤn u. ſ. w. Alle dieſe zufaͤllige Farben ruͤhren augenſcheinlich davon her, daß der Eindruck, den die Farben auf der Netzhaut machen, noch eine Zeitlang nach dem Anſchauen fortdauret.</p> <p><hi rendition="#b">Aepinus</hi> (<hi rendition="#aq">Obſervationes quaedam ad Opticam pertinentes, in Comm. Petrop. nov. To. X. p. 282.</hi>) zieht aus ſeinen Beobachtungen uͤber die zufaͤlligen Farben den Satz, daß der lebhafte Eindruck, den das Auge durch das Anſchauen der Sonne oder eines leuchtenden Koͤrpers uͤberhaupt erhaͤlt, zuerſt ein gelbes, dann ein gruͤnes und zuletzt ein blaues Bild darſtelle — eine Bemerkung, die auch <hi rendition="#b">de la Hire</hi> (<hi rendition="#aq">Sur les diff. accidens de la vue, Mém. de l'Acad. des Sc. 1694.</hi>) ſchon gemacht hat. Man ſieht hieraus deutlich, daß der Eindruck des Lichts, wenn ihn der Gegenſtand ſelbſt nicht mehr unterhaͤlt, allmaͤhlich ſchwaͤcher wird, und erkennt zugleich die Ordnung, in welcher die Farben in Abſicht auf die Staͤrke ihrer Wirkung ins Auge abnehmen.</p> <p><hi rendition="#b">Beguelin</hi> (<hi rendition="#aq">Sur la ſource d'une illuſion du ſens'de la vue,</hi> in den <hi rendition="#aq">Nouv. Mém. de l'Ac. de Pruſſe. 1771. p. 8.</hi>) bemerkte einmal, als er die niedrigſtehende Sonne im Geſicht hatte, und eine im Schatten liegende Schrift las, daß ſich die ſchwarzen Buchſtaben in hellrothe zu verwandlen ſchienen. Er erklaͤrt dieſe Erſcheinung ſehr richtig. Wenn man die Sonne im Geſicht hat, ſchließt man, um das Licht<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [156/0162]
gleicher Hoͤhe mit dem Vierecke, aber nur den ſechſten Theil ſo breit, und ſo lebhaft roth, daß es das Auge blendete.
Als er nun das Auge weg auf eine andere Stelle des weißen Grundes wandte, ſahe er daſelbſt das Bild dieſes Rechtecks lebhaft gruͤn. Der Eindruck dauerte ſehr lang, und blieb noch im Auge, wenn es geſchloſſen ward. Aehnliche Erſcheinungen zeigten ſich auch, wenn er gelbe und ſchwarze Vierecke betrachtete, nur daß der letzte Eindruck alsdann ein blaues oder weißes Rechteck darſtellte. Auch ſeine Freunde, die dieſe Verſuche nachmachten, ſahen eben dieſelben Erſcheinungen.
Fiel die zufaͤllige gruͤne Farbe, welche von dem Anſchauen des rothen entſtanden war, auf einen hellrothen Grund, ſo verwandlete ſie ſich in Gelb, die blaue, wenn ſie auf einen gelben Grund fiel, ward gruͤn u. ſ. w. Alle dieſe zufaͤllige Farben ruͤhren augenſcheinlich davon her, daß der Eindruck, den die Farben auf der Netzhaut machen, noch eine Zeitlang nach dem Anſchauen fortdauret.
Aepinus (Obſervationes quaedam ad Opticam pertinentes, in Comm. Petrop. nov. To. X. p. 282.) zieht aus ſeinen Beobachtungen uͤber die zufaͤlligen Farben den Satz, daß der lebhafte Eindruck, den das Auge durch das Anſchauen der Sonne oder eines leuchtenden Koͤrpers uͤberhaupt erhaͤlt, zuerſt ein gelbes, dann ein gruͤnes und zuletzt ein blaues Bild darſtelle — eine Bemerkung, die auch de la Hire (Sur les diff. accidens de la vue, Mém. de l'Acad. des Sc. 1694.) ſchon gemacht hat. Man ſieht hieraus deutlich, daß der Eindruck des Lichts, wenn ihn der Gegenſtand ſelbſt nicht mehr unterhaͤlt, allmaͤhlich ſchwaͤcher wird, und erkennt zugleich die Ordnung, in welcher die Farben in Abſicht auf die Staͤrke ihrer Wirkung ins Auge abnehmen.
Beguelin (Sur la ſource d'une illuſion du ſens'de la vue, in den Nouv. Mém. de l'Ac. de Pruſſe. 1771. p. 8.) bemerkte einmal, als er die niedrigſtehende Sonne im Geſicht hatte, und eine im Schatten liegende Schrift las, daß ſich die ſchwarzen Buchſtaben in hellrothe zu verwandlen ſchienen. Er erklaͤrt dieſe Erſcheinung ſehr richtig. Wenn man die Sonne im Geſicht hat, ſchließt man, um das Licht
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