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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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1) Farben sind nicht Modificationen des Lichts durch die Brechung und Zurückwerfung, sie sind vielmehr ursprüngliche und eigenthümliche Eigenschaften desselben, die in verschiedenen Stralen verschieden sind. Einige Lichtstrahlen besitzen das Vermögen, die Empfindung der rothen Farbe, und keiner andern, andere die der grünen, und keiner andern, u. s. f. zu erregen. Nicht blos die kenntlichsten Abstufungen, Roth, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violet, haben ihre eigenen Stralen, durch die sie hervorgebracht werden, sondern auch alle dazwischen fallende Schattirungen haben dergleichen.

2) Mit demselben Grade der Brechbarkeit ist allezeit dieselbe Farbe verbunden, und umgekehrt.

3) Ein gleichartiges oder einfaches Licht (lumen homogeneum), welches aus lauter Stralen von gleicher Brechbarkeit besteht, verändert seine Farbe weder durch Brechung noch durch Zurückwerfung, noch durch sonst eine bekannte Ursache. Newton nahm mit solchem gleichartigen Lichte mancherley Veränderungen vor (Optice L. I. P. II. prop. 2.), er konnte aber nie eine neue Farbe daraus erzwingen. Durch Zusammenziehung oder Zerstreuung ward die Farbe zwar lebhafter oder matter: aber die Gattung blieb unveränderlich.

4) Durch Vermischung ungleichartiger Lichtstralen lassen sich Farben erzeugen, die zwar den Farben des einfachen oder gleichartigen Lichts dem Scheine nach ähnlich sind, aber nicht das unwandelbare des einfachen Lichts besitzen. So erscheint blaues und gelbes Pulver, wohl vermischt, dem bloßen Auge grün, und doch sind die Farben der einzelnen Theile nicht verändert, weil sie durchs Mikroskop noch immer blau und gelb erscheinen. Roth und gelb geben vermischt eine Farbe, die dem einfachen Orange gleicht, durchs Prisma aber sich wieder in die einfachen Gattungen, aus denen sie besteht, nemlich in Roth und Gelb zerlegen läst.

5) Die Farben des einfachen Lichts, welche durch die Brechung im Prisma hervorgebracht werden, heißen einfache, ursprüngliche, prismatische Farben, Grund-


1) Farben ſind nicht Modificationen des Lichts durch die Brechung und Zuruͤckwerfung, ſie ſind vielmehr urſpruͤngliche und eigenthuͤmliche Eigenſchaften deſſelben, die in verſchiedenen Stralen verſchieden ſind. Einige Lichtſtrahlen beſitzen das Vermoͤgen, die Empfindung der rothen Farbe, und keiner andern, andere die der gruͤnen, und keiner andern, u. ſ. f. zu erregen. Nicht blos die kenntlichſten Abſtufungen, Roth, Orange, Gelb, Gruͤn, Blau, Indigo, Violet, haben ihre eigenen Stralen, durch die ſie hervorgebracht werden, ſondern auch alle dazwiſchen fallende Schattirungen haben dergleichen.

2) Mit demſelben Grade der Brechbarkeit iſt allezeit dieſelbe Farbe verbunden, und umgekehrt.

3) Ein gleichartiges oder einfaches Licht (lumen homogeneum), welches aus lauter Stralen von gleicher Brechbarkeit beſteht, veraͤndert ſeine Farbe weder durch Brechung noch durch Zuruͤckwerfung, noch durch ſonſt eine bekannte Urſache. Newton nahm mit ſolchem gleichartigen Lichte mancherley Veraͤnderungen vor (Optice L. I. P. II. prop. 2.), er konnte aber nie eine neue Farbe daraus erzwingen. Durch Zuſammenziehung oder Zerſtreuung ward die Farbe zwar lebhafter oder matter: aber die Gattung blieb unveraͤnderlich.

4) Durch Vermiſchung ungleichartiger Lichtſtralen laſſen ſich Farben erzeugen, die zwar den Farben des einfachen oder gleichartigen Lichts dem Scheine nach aͤhnlich ſind, aber nicht das unwandelbare des einfachen Lichts beſitzen. So erſcheint blaues und gelbes Pulver, wohl vermiſcht, dem bloßen Auge gruͤn, und doch ſind die Farben der einzelnen Theile nicht veraͤndert, weil ſie durchs Mikroſkop noch immer blau und gelb erſcheinen. Roth und gelb geben vermiſcht eine Farbe, die dem einfachen Orange gleicht, durchs Priſma aber ſich wieder in die einfachen Gattungen, aus denen ſie beſteht, nemlich in Roth und Gelb zerlegen laͤſt.

5) Die Farben des einfachen Lichts, welche durch die Brechung im Priſma hervorgebracht werden, heißen einfache, urſpruͤngliche, priſmatiſche Farben, Grund-

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[135/0141] 1) Farben ſind nicht Modificationen des Lichts durch die Brechung und Zuruͤckwerfung, ſie ſind vielmehr urſpruͤngliche und eigenthuͤmliche Eigenſchaften deſſelben, die in verſchiedenen Stralen verſchieden ſind. Einige Lichtſtrahlen beſitzen das Vermoͤgen, die Empfindung der rothen Farbe, und keiner andern, andere die der gruͤnen, und keiner andern, u. ſ. f. zu erregen. Nicht blos die kenntlichſten Abſtufungen, Roth, Orange, Gelb, Gruͤn, Blau, Indigo, Violet, haben ihre eigenen Stralen, durch die ſie hervorgebracht werden, ſondern auch alle dazwiſchen fallende Schattirungen haben dergleichen. 2) Mit demſelben Grade der Brechbarkeit iſt allezeit dieſelbe Farbe verbunden, und umgekehrt. 3) Ein gleichartiges oder einfaches Licht (lumen homogeneum), welches aus lauter Stralen von gleicher Brechbarkeit beſteht, veraͤndert ſeine Farbe weder durch Brechung noch durch Zuruͤckwerfung, noch durch ſonſt eine bekannte Urſache. Newton nahm mit ſolchem gleichartigen Lichte mancherley Veraͤnderungen vor (Optice L. I. P. II. prop. 2.), er konnte aber nie eine neue Farbe daraus erzwingen. Durch Zuſammenziehung oder Zerſtreuung ward die Farbe zwar lebhafter oder matter: aber die Gattung blieb unveraͤnderlich. 4) Durch Vermiſchung ungleichartiger Lichtſtralen laſſen ſich Farben erzeugen, die zwar den Farben des einfachen oder gleichartigen Lichts dem Scheine nach aͤhnlich ſind, aber nicht das unwandelbare des einfachen Lichts beſitzen. So erſcheint blaues und gelbes Pulver, wohl vermiſcht, dem bloßen Auge gruͤn, und doch ſind die Farben der einzelnen Theile nicht veraͤndert, weil ſie durchs Mikroſkop noch immer blau und gelb erſcheinen. Roth und gelb geben vermiſcht eine Farbe, die dem einfachen Orange gleicht, durchs Priſma aber ſich wieder in die einfachen Gattungen, aus denen ſie beſteht, nemlich in Roth und Gelb zerlegen laͤſt. 5) Die Farben des einfachen Lichts, welche durch die Brechung im Priſma hervorgebracht werden, heißen einfache, urſpruͤngliche, priſmatiſche Farben, Grund-

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/141>, abgerufen am 23.11.2024.