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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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gern, daß ich alle Mängel dieser Definition fühle; es ist aber unmöglich, eine bessere zu geben. Die Farbe, als Erscheinung betrachtet, ist blos Sache des Gesichts, die sich durch Worte nicht erklären läst; will man sie aber als Wirkung einer physischen Ursache definiren, so muß man schlechterdings eine oder die andere Hypothese einmischen. Man kan alsdann nicht sagen, was Farben sind, sondern nur, wofür sie dieser oder jener Naturforscher halte.

Nach Newtons Theorie entsteht die weiße Farbe, wenn alle, die schwarze, wenn gar keine, die rothe, gelbe, grüne, blaue, wenn nur diejenigen Theile des Lichts ins Auge kommen, welche das Vermögen besitzen, die Empfindung der genannten Farben zu erregen.

Plutarch (De placitis philosophorum L. I. c. 15.) hat uns einige sehr dunkle Begriffe der Alten von den Farben aufbehalten. Die Pythagoräer, sagt er, nannten Farbe die Oberfläche der Körper, Empedokles, was mit den Ausflüssen des Gesichts übereinstimmt, Plato eine Flamme von den Körpern, deren Theile mit dem Gesichte symmetrisch sind. Richtiger hat Epikur gelehrt, daß die Farbe nichts eigenthümliches der Körper sey, sondern von gewissen Lagen ihrer Theilchen gegen das Auge herrühre. Dies folgte aus seiner Lehre von den Atomen, die er ungefärbt annahm, und Lukrez führt zur Erläuterung davon die Farben der Taubenhälse und Pfauenschwänze an. Aristoteles (De mente L. II. c. 7.) sagt, Licht sey das Durchsichtige, Farbe, was das Durchsichtige in Bewegung setzt. Seneca (Quaest. natur. L. I. c. 7.) bemerkt, daß das Licht der Sonne, wenn es durch ein eckigtes Stück Glas fällt, alle Farben des Regenbogens spiele. Er erklärt aber dies für falsche Farben, dergleichen man auch an dem Halse der Tauben sehe, oder an einem Spiegel, der die Farbe eines jeden Körpers annehme, ob er gleich selbst farbenlos sey. Die Peripatetiker nahmen bis zum siebzehnten Jahrhunderte die Farbe für eine den Körpern wesentlich zugehörige Eigenschaft an, ohne weiter viel belehrendes darüber zu sagen; manche unter ihnen betrachteten sie als einen Ausfluß


gern, daß ich alle Maͤngel dieſer Definition fuͤhle; es iſt aber unmoͤglich, eine beſſere zu geben. Die Farbe, als Erſcheinung betrachtet, iſt blos Sache des Geſichts, die ſich durch Worte nicht erklaͤren laͤſt; will man ſie aber als Wirkung einer phyſiſchen Urſache definiren, ſo muß man ſchlechterdings eine oder die andere Hypotheſe einmiſchen. Man kan alsdann nicht ſagen, was Farben ſind, ſondern nur, wofuͤr ſie dieſer oder jener Naturforſcher halte.

Nach Newtons Theorie entſteht die weiße Farbe, wenn alle, die ſchwarze, wenn gar keine, die rothe, gelbe, gruͤne, blaue, wenn nur diejenigen Theile des Lichts ins Auge kommen, welche das Vermoͤgen beſitzen, die Empfindung der genannten Farben zu erregen.

Plutarch (De placitis philoſophorum L. I. c. 15.) hat uns einige ſehr dunkle Begriffe der Alten von den Farben aufbehalten. Die Pythagoraͤer, ſagt er, nannten Farbe die Oberflaͤche der Koͤrper, Empedokles, was mit den Ausfluͤſſen des Geſichts uͤbereinſtimmt, Plato eine Flamme von den Koͤrpern, deren Theile mit dem Geſichte ſymmetriſch ſind. Richtiger hat Epikur gelehrt, daß die Farbe nichts eigenthuͤmliches der Koͤrper ſey, ſondern von gewiſſen Lagen ihrer Theilchen gegen das Auge herruͤhre. Dies folgte aus ſeiner Lehre von den Atomen, die er ungefaͤrbt annahm, und Lukrez fuͤhrt zur Erlaͤuterung davon die Farben der Taubenhaͤlſe und Pfauenſchwaͤnze an. Ariſtoteles (De mente L. II. c. 7.) ſagt, Licht ſey das Durchſichtige, Farbe, was das Durchſichtige in Bewegung ſetzt. Seneca (Quaeſt. natur. L. I. c. 7.) bemerkt, daß das Licht der Sonne, wenn es durch ein eckigtes Stuͤck Glas faͤllt, alle Farben des Regenbogens ſpiele. Er erklaͤrt aber dies fuͤr falſche Farben, dergleichen man auch an dem Halſe der Tauben ſehe, oder an einem Spiegel, der die Farbe eines jeden Koͤrpers annehme, ob er gleich ſelbſt farbenlos ſey. Die Peripatetiker nahmen bis zum ſiebzehnten Jahrhunderte die Farbe fuͤr eine den Koͤrpern weſentlich zugehoͤrige Eigenſchaft an, ohne weiter viel belehrendes daruͤber zu ſagen; manche unter ihnen betrachteten ſie als einen Ausfluß

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[132/0138] gern, daß ich alle Maͤngel dieſer Definition fuͤhle; es iſt aber unmoͤglich, eine beſſere zu geben. Die Farbe, als Erſcheinung betrachtet, iſt blos Sache des Geſichts, die ſich durch Worte nicht erklaͤren laͤſt; will man ſie aber als Wirkung einer phyſiſchen Urſache definiren, ſo muß man ſchlechterdings eine oder die andere Hypotheſe einmiſchen. Man kan alsdann nicht ſagen, was Farben ſind, ſondern nur, wofuͤr ſie dieſer oder jener Naturforſcher halte. Nach Newtons Theorie entſteht die weiße Farbe, wenn alle, die ſchwarze, wenn gar keine, die rothe, gelbe, gruͤne, blaue, wenn nur diejenigen Theile des Lichts ins Auge kommen, welche das Vermoͤgen beſitzen, die Empfindung der genannten Farben zu erregen. Plutarch (De placitis philoſophorum L. I. c. 15.) hat uns einige ſehr dunkle Begriffe der Alten von den Farben aufbehalten. Die Pythagoraͤer, ſagt er, nannten Farbe die Oberflaͤche der Koͤrper, Empedokles, was mit den Ausfluͤſſen des Geſichts uͤbereinſtimmt, Plato eine Flamme von den Koͤrpern, deren Theile mit dem Geſichte ſymmetriſch ſind. Richtiger hat Epikur gelehrt, daß die Farbe nichts eigenthuͤmliches der Koͤrper ſey, ſondern von gewiſſen Lagen ihrer Theilchen gegen das Auge herruͤhre. Dies folgte aus ſeiner Lehre von den Atomen, die er ungefaͤrbt annahm, und Lukrez fuͤhrt zur Erlaͤuterung davon die Farben der Taubenhaͤlſe und Pfauenſchwaͤnze an. Ariſtoteles (De mente L. II. c. 7.) ſagt, Licht ſey das Durchſichtige, Farbe, was das Durchſichtige in Bewegung ſetzt. Seneca (Quaeſt. natur. L. I. c. 7.) bemerkt, daß das Licht der Sonne, wenn es durch ein eckigtes Stuͤck Glas faͤllt, alle Farben des Regenbogens ſpiele. Er erklaͤrt aber dies fuͤr falſche Farben, dergleichen man auch an dem Halſe der Tauben ſehe, oder an einem Spiegel, der die Farbe eines jeden Koͤrpers annehme, ob er gleich ſelbſt farbenlos ſey. Die Peripatetiker nahmen bis zum ſiebzehnten Jahrhunderte die Farbe fuͤr eine den Koͤrpern weſentlich zugehoͤrige Eigenſchaft an, ohne weiter viel belehrendes daruͤber zu ſagen; manche unter ihnen betrachteten ſie als einen Ausfluß

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/138>, abgerufen am 28.04.2024.