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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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Fall der Körper, Descensus s. lapsus corporum gravium, Chaute des corps graves.

Die Bewegung der Körper durch ihre Schwere. Die Schwere treibt jeden auf der Erdfläche befindlichen Körper nach einer auf diese Fläche lothrechten Richtung. Wird dieses Bestreben durch ein Hinderniß aufgehoben, so entsteht blos Druck; kan es frey wirken, so erzeugt es wirkliche Bewegung oder Fall nach der Richtung der Schwere; wird es zum Theil gehindert, und kan nur zum Theil wirken, so entstehen Druck und Fall zugleich. Die Kugel, auf der Hand getragen, drückt die Hand; frey gelassen fällt sie lothrecht herab; auf einer schiefen Fläche rollt sie schief herab, und drückt zugleich die Fläche mit einem Theile ihres Gewichts.

Man kan die Betrachtung des Falls der Körper so abtheilen, daß zuerst der freye Fall (descensus liber), und dann der Fall auf vorgeschriebenen Wegen (descensus non liber) untersucht wird. Freyer Fall der Körper.

Die Gesetze des freyen Falles der Körper sind folgende:

I. An eben demselben Orte der Erde fallen alle Körper, große und kleine, schwere und leichte, mit einerley Geschwindigkeit. Der Centner fällt in gleicher Zeit eben so tief, als das Quentchen. Denn man wird ohne Zweifel zugeben, daß hundert gleich große und gleich schwere Steine, einer so geschwind, als der andere fallen, und daß es hiebey keinen Unterschied macht, ob sie einander berühren oder nicht, ob sie unter einander zusammenhängen oder nicht. Wenn also 99 davon zusammenhängen, oder einen einzigen ausmachen, so wird dieser große Stein darum nicht geschwinder fallen, als der einzelne hundertste, ob jener gleich 99mal schwerer, als dieser, ist, s. Kraft, beschleunigende. Daß aber bey wirklicher Anstellung des Versuchs im luftvollen Raume, leichtere Körper langsamer fallen, als schwere, ist blos eine Wirkung des Widerstandes der Luft, und gehört nicht zur Betrachtung des freyen Falles an sich.


Fall der Koͤrper, Deſcenſus ſ. lapſus corporum gravium, Chûte des corps graves.

Die Bewegung der Koͤrper durch ihre Schwere. Die Schwere treibt jeden auf der Erdflaͤche befindlichen Koͤrper nach einer auf dieſe Flaͤche lothrechten Richtung. Wird dieſes Beſtreben durch ein Hinderniß aufgehoben, ſo entſteht blos Druck; kan es frey wirken, ſo erzeugt es wirkliche Bewegung oder Fall nach der Richtung der Schwere; wird es zum Theil gehindert, und kan nur zum Theil wirken, ſo entſtehen Druck und Fall zugleich. Die Kugel, auf der Hand getragen, druͤckt die Hand; frey gelaſſen faͤllt ſie lothrecht herab; auf einer ſchiefen Flaͤche rollt ſie ſchief herab, und druͤckt zugleich die Flaͤche mit einem Theile ihres Gewichts.

Man kan die Betrachtung des Falls der Koͤrper ſo abtheilen, daß zuerſt der freye Fall (deſcenſus liber), und dann der Fall auf vorgeſchriebenen Wegen (deſcenſus non liber) unterſucht wird. Freyer Fall der Koͤrper.

Die Geſetze des freyen Falles der Koͤrper ſind folgende:

I. An eben demſelben Orte der Erde fallen alle Koͤrper, große und kleine, ſchwere und leichte, mit einerley Geſchwindigkeit. Der Centner faͤllt in gleicher Zeit eben ſo tief, als das Quentchen. Denn man wird ohne Zweifel zugeben, daß hundert gleich große und gleich ſchwere Steine, einer ſo geſchwind, als der andere fallen, und daß es hiebey keinen Unterſchied macht, ob ſie einander beruͤhren oder nicht, ob ſie unter einander zuſammenhaͤngen oder nicht. Wenn alſo 99 davon zuſammenhaͤngen, oder einen einzigen ausmachen, ſo wird dieſer große Stein darum nicht geſchwinder fallen, als der einzelne hundertſte, ob jener gleich 99mal ſchwerer, als dieſer, iſt, ſ. Kraft, beſchleunigende. Daß aber bey wirklicher Anſtellung des Verſuchs im luftvollen Raume, leichtere Koͤrper langſamer fallen, als ſchwere, iſt blos eine Wirkung des Widerſtandes der Luft, und gehoͤrt nicht zur Betrachtung des freyen Falles an ſich.

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[116/0122] Fall der Koͤrper, Deſcenſus ſ. lapſus corporum gravium, Chûte des corps graves. Die Bewegung der Koͤrper durch ihre Schwere. Die Schwere treibt jeden auf der Erdflaͤche befindlichen Koͤrper nach einer auf dieſe Flaͤche lothrechten Richtung. Wird dieſes Beſtreben durch ein Hinderniß aufgehoben, ſo entſteht blos Druck; kan es frey wirken, ſo erzeugt es wirkliche Bewegung oder Fall nach der Richtung der Schwere; wird es zum Theil gehindert, und kan nur zum Theil wirken, ſo entſtehen Druck und Fall zugleich. Die Kugel, auf der Hand getragen, druͤckt die Hand; frey gelaſſen faͤllt ſie lothrecht herab; auf einer ſchiefen Flaͤche rollt ſie ſchief herab, und druͤckt zugleich die Flaͤche mit einem Theile ihres Gewichts. Man kan die Betrachtung des Falls der Koͤrper ſo abtheilen, daß zuerſt der freye Fall (deſcenſus liber), und dann der Fall auf vorgeſchriebenen Wegen (deſcenſus non liber) unterſucht wird. Freyer Fall der Koͤrper. Die Geſetze des freyen Falles der Koͤrper ſind folgende: I. An eben demſelben Orte der Erde fallen alle Koͤrper, große und kleine, ſchwere und leichte, mit einerley Geſchwindigkeit. Der Centner faͤllt in gleicher Zeit eben ſo tief, als das Quentchen. Denn man wird ohne Zweifel zugeben, daß hundert gleich große und gleich ſchwere Steine, einer ſo geſchwind, als der andere fallen, und daß es hiebey keinen Unterſchied macht, ob ſie einander beruͤhren oder nicht, ob ſie unter einander zuſammenhaͤngen oder nicht. Wenn alſo 99 davon zuſammenhaͤngen, oder einen einzigen ausmachen, ſo wird dieſer große Stein darum nicht geſchwinder fallen, als der einzelne hundertſte, ob jener gleich 99mal ſchwerer, als dieſer, iſt, ſ. Kraft, beſchleunigende. Daß aber bey wirklicher Anſtellung des Verſuchs im luftvollen Raume, leichtere Koͤrper langſamer fallen, als ſchwere, iſt blos eine Wirkung des Widerſtandes der Luft, und gehoͤrt nicht zur Betrachtung des freyen Falles an ſich.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/122>, abgerufen am 28.04.2024.