Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


nach eben dieser Theorie müßte das Erdbeben in Kleinasien im 17ten Jahre nach C. G. aus einer Tiefe von 200 Meilen herauf und mit einer Kraft gewirkt haben, welche durch Dämpfe gar nicht hervorgebracht werden könnte. Man sieht, daß er theils aus Bemerkungen schließet, die bey sehr schwachen Erschütterungen gemacht, und bey weitem nicht allgemein sind, theils aber auch die Theorie der Minen auf einen Fall anwendet, wobey das Regelmäßige, das sie voraus setzt, nicht mehr statt findet.

Er sucht es hierauf wahrscheinlich zu machen, daß das Erdbeben in einer elektrischen Erschütterung bestehe, zeigt aus der vorhergegangnen Witteruug und Fruchtbarkeit, aus den Nordlichtern und Meteoren rc., daß die Atmosphäre zur Zeit der londner Erdbeben vorzüglich elektrisch gewesen sey. Wenn sich nun eine unelektrische Wolke dieser Atmosphäre genähert, und ihren Gehalt auf die höchstelektrische Erde entladen habe, so müsse daraus eine Erschütterung der Erdfläche entstanden seyn, aus welcher er alle Phänomene der damaligen londner Erdbeben ganz ungezwungen erkläret. Dom Andreas Bina (Ragionamente sopra la cagione de' terremoti, in Perugia, 1751. 4.) leitet die Erdbeben ebenfalls aus dem leidner Versuche her, und läßt unterirdische Wasserbehälter mit Schwefel und Pech umzogen, die Stelle der geladnen Flaschen vertreten. D. Hales (Some considerations on the causes of Earthquakes, in d. Phlilos. Trans. Vol. XLVI. no. 497.) begnügt sich damit, bloß die schwächern Erschütterungen, welche nicht durch nahe Vulkane verursachet werden, für Wirkungen der Entzündung aufsteigender Schwefeldämpfe durch das Blitzen einer schweflichten Wolke zu erklären.

Beccaria (Lettere dell'elettricismo, Bologna 1758. 4.) trug die Erklärung der Erdbeben aus der Elektricität auf eine bessere Art vor, zu einer Zeit, da man schon richtigere Begriffe von der Entstehung des Blitzes und von den elektrischen Erschütterungen hatte. Er nahm hiebey eine Störung des Gleichgewichts der Elektricität tief im Innersten der Erde an, welche durch mehrere erschütternde Schläge gegen die Atmosphäre, oder gegen andere Theile der Erdfläche


nach eben dieſer Theorie muͤßte das Erdbeben in Kleinaſien im 17ten Jahre nach C. G. aus einer Tiefe von 200 Meilen herauf und mit einer Kraft gewirkt haben, welche durch Daͤmpfe gar nicht hervorgebracht werden koͤnnte. Man ſieht, daß er theils aus Bemerkungen ſchließet, die bey ſehr ſchwachen Erſchuͤtterungen gemacht, und bey weitem nicht allgemein ſind, theils aber auch die Theorie der Minen auf einen Fall anwendet, wobey das Regelmaͤßige, das ſie voraus ſetzt, nicht mehr ſtatt findet.

Er ſucht es hierauf wahrſcheinlich zu machen, daß das Erdbeben in einer elektriſchen Erſchuͤtterung beſtehe, zeigt aus der vorhergegangnen Witteruug und Fruchtbarkeit, aus den Nordlichtern und Meteoren rc., daß die Atmoſphaͤre zur Zeit der londner Erdbeben vorzuͤglich elektriſch geweſen ſey. Wenn ſich nun eine unelektriſche Wolke dieſer Atmoſphaͤre genaͤhert, und ihren Gehalt auf die hoͤchſtelektriſche Erde entladen habe, ſo muͤſſe daraus eine Erſchuͤtterung der Erdflaͤche entſtanden ſeyn, aus welcher er alle Phaͤnomene der damaligen londner Erdbeben ganz ungezwungen erklaͤret. Dom Andreas Bina (Ragionamente ſopra la cagione de' terremoti, in Perugia, 1751. 4.) leitet die Erdbeben ebenfalls aus dem leidner Verſuche her, und laͤßt unterirdiſche Waſſerbehaͤlter mit Schwefel und Pech umzogen, die Stelle der geladnen Flaſchen vertreten. D. Hales (Some conſiderations on the cauſes of Earthquakes, in d. Phliloſ. Trans. Vol. XLVI. no. 497.) begnuͤgt ſich damit, bloß die ſchwaͤchern Erſchuͤtterungen, welche nicht durch nahe Vulkane verurſachet werden, fuͤr Wirkungen der Entzuͤndung aufſteigender Schwefeldaͤmpfe durch das Blitzen einer ſchweflichten Wolke zu erklaͤren.

Beccaria (Lettere dell'elettricismo, Bologna 1758. 4.) trug die Erklaͤrung der Erdbeben aus der Elektricitaͤt auf eine beſſere Art vor, zu einer Zeit, da man ſchon richtigere Begriffe von der Entſtehung des Blitzes und von den elektriſchen Erſchuͤtterungen hatte. Er nahm hiebey eine Stoͤrung des Gleichgewichts der Elektricitaͤt tief im Innerſten der Erde an, welche durch mehrere erſchuͤtternde Schlaͤge gegen die Atmoſphaͤre, oder gegen andere Theile der Erdflaͤche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0012" xml:id="P.2.6" n="6"/><lb/>
nach eben die&#x017F;er Theorie mu&#x0364;ßte das Erdbeben in Kleina&#x017F;ien im 17ten Jahre nach C. G. aus einer Tiefe von 200 Meilen herauf und mit einer Kraft gewirkt haben, welche durch Da&#x0364;mpfe gar nicht hervorgebracht werden ko&#x0364;nnte. Man &#x017F;ieht, daß er theils aus Bemerkungen &#x017F;chließet, die bey &#x017F;ehr &#x017F;chwachen Er&#x017F;chu&#x0364;tterungen gemacht, und bey weitem nicht allgemein &#x017F;ind, theils aber auch die Theorie der Minen auf einen Fall anwendet, wobey das Regelma&#x0364;ßige, das &#x017F;ie voraus &#x017F;etzt, nicht mehr &#x017F;tatt findet.</p>
            <p>Er &#x017F;ucht es hierauf wahr&#x017F;cheinlich zu machen, daß das Erdbeben in einer elektri&#x017F;chen Er&#x017F;chu&#x0364;tterung be&#x017F;tehe, zeigt aus der vorhergegangnen Witteruug und Fruchtbarkeit, aus den Nordlichtern und Meteoren rc., daß die Atmo&#x017F;pha&#x0364;re zur Zeit der londner Erdbeben vorzu&#x0364;glich elektri&#x017F;ch gewe&#x017F;en &#x017F;ey. Wenn &#x017F;ich nun eine unelektri&#x017F;che Wolke die&#x017F;er Atmo&#x017F;pha&#x0364;re gena&#x0364;hert, und ihren Gehalt auf die ho&#x0364;ch&#x017F;telektri&#x017F;che Erde entladen habe, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e daraus eine Er&#x017F;chu&#x0364;tterung der Erdfla&#x0364;che ent&#x017F;tanden &#x017F;eyn, aus welcher er alle Pha&#x0364;nomene der damaligen londner Erdbeben ganz ungezwungen erkla&#x0364;ret. <hi rendition="#b">Dom Andreas Bina</hi> (<hi rendition="#aq">Ragionamente &#x017F;opra la cagione de' terremoti, in Perugia, 1751. 4.</hi>) leitet die Erdbeben ebenfalls aus dem leidner Ver&#x017F;uche her, und la&#x0364;ßt unterirdi&#x017F;che Wa&#x017F;&#x017F;erbeha&#x0364;lter mit Schwefel und Pech umzogen, die Stelle der geladnen Fla&#x017F;chen vertreten. <hi rendition="#b">D. Hales</hi> (<hi rendition="#aq">Some con&#x017F;iderations on the cau&#x017F;es of Earthquakes,</hi> in d. <hi rendition="#aq">Phlilo&#x017F;. Trans. Vol. XLVI. no. 497.</hi>) begnu&#x0364;gt &#x017F;ich damit, bloß die &#x017F;chwa&#x0364;chern Er&#x017F;chu&#x0364;tterungen, welche nicht durch nahe Vulkane verur&#x017F;achet werden, fu&#x0364;r Wirkungen der Entzu&#x0364;ndung auf&#x017F;teigender Schwefelda&#x0364;mpfe durch das Blitzen einer &#x017F;chweflichten Wolke zu erkla&#x0364;ren.</p>
            <p><hi rendition="#b">Beccaria</hi> (<hi rendition="#aq">Lettere dell'elettricismo, Bologna 1758. 4.</hi>) trug die Erkla&#x0364;rung der Erdbeben aus der Elektricita&#x0364;t auf eine be&#x017F;&#x017F;ere Art vor, zu einer Zeit, da man &#x017F;chon richtigere Begriffe von der Ent&#x017F;tehung des Blitzes und von den elektri&#x017F;chen Er&#x017F;chu&#x0364;tterungen hatte. Er nahm hiebey eine Sto&#x0364;rung des Gleichgewichts der Elektricita&#x0364;t tief im Inner&#x017F;ten der Erde an, welche durch mehrere er&#x017F;chu&#x0364;tternde Schla&#x0364;ge gegen die Atmo&#x017F;pha&#x0364;re, oder gegen andere Theile der Erdfla&#x0364;che<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0012] nach eben dieſer Theorie muͤßte das Erdbeben in Kleinaſien im 17ten Jahre nach C. G. aus einer Tiefe von 200 Meilen herauf und mit einer Kraft gewirkt haben, welche durch Daͤmpfe gar nicht hervorgebracht werden koͤnnte. Man ſieht, daß er theils aus Bemerkungen ſchließet, die bey ſehr ſchwachen Erſchuͤtterungen gemacht, und bey weitem nicht allgemein ſind, theils aber auch die Theorie der Minen auf einen Fall anwendet, wobey das Regelmaͤßige, das ſie voraus ſetzt, nicht mehr ſtatt findet. Er ſucht es hierauf wahrſcheinlich zu machen, daß das Erdbeben in einer elektriſchen Erſchuͤtterung beſtehe, zeigt aus der vorhergegangnen Witteruug und Fruchtbarkeit, aus den Nordlichtern und Meteoren rc., daß die Atmoſphaͤre zur Zeit der londner Erdbeben vorzuͤglich elektriſch geweſen ſey. Wenn ſich nun eine unelektriſche Wolke dieſer Atmoſphaͤre genaͤhert, und ihren Gehalt auf die hoͤchſtelektriſche Erde entladen habe, ſo muͤſſe daraus eine Erſchuͤtterung der Erdflaͤche entſtanden ſeyn, aus welcher er alle Phaͤnomene der damaligen londner Erdbeben ganz ungezwungen erklaͤret. Dom Andreas Bina (Ragionamente ſopra la cagione de' terremoti, in Perugia, 1751. 4.) leitet die Erdbeben ebenfalls aus dem leidner Verſuche her, und laͤßt unterirdiſche Waſſerbehaͤlter mit Schwefel und Pech umzogen, die Stelle der geladnen Flaſchen vertreten. D. Hales (Some conſiderations on the cauſes of Earthquakes, in d. Phliloſ. Trans. Vol. XLVI. no. 497.) begnuͤgt ſich damit, bloß die ſchwaͤchern Erſchuͤtterungen, welche nicht durch nahe Vulkane verurſachet werden, fuͤr Wirkungen der Entzuͤndung aufſteigender Schwefeldaͤmpfe durch das Blitzen einer ſchweflichten Wolke zu erklaͤren. Beccaria (Lettere dell'elettricismo, Bologna 1758. 4.) trug die Erklaͤrung der Erdbeben aus der Elektricitaͤt auf eine beſſere Art vor, zu einer Zeit, da man ſchon richtigere Begriffe von der Entſtehung des Blitzes und von den elektriſchen Erſchuͤtterungen hatte. Er nahm hiebey eine Stoͤrung des Gleichgewichts der Elektricitaͤt tief im Innerſten der Erde an, welche durch mehrere erſchuͤtternde Schlaͤge gegen die Atmoſphaͤre, oder gegen andere Theile der Erdflaͤche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/12
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/12>, abgerufen am 28.03.2024.