Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


ihm etwas entzogen werde. Dies ist aber eine willkührlich angenommene Behauptung, die keinen Beweis abgeben kan.

2. Wenn die Glaselektricität aus Spitzen ausgeht, sind die Feuerbüschel lang, stark und prasselnd; kürzer hingegen, schwächer und mehr zischend, wenn eine Spitze Harzelektricität verliert. Franklin nimmt die starken Büschel für Ausströmen des Ueberflusses, die schwachen für Eindringen an, wodurch Mangel ersetzt werde. Die Vertheidiger seines Systems haben noch angeführt, daß Spitzen, wenn sie + E annehmen oder -- E abgeben, gar keinen Büschel, sondern einen leuchtenden Punkt zeigten, oder nur glühend schienen. Hiemit scheinen aber die Versuche nicht immer übereinzustimmen; denn sowohl negative als positive Spitzen zeigen Lichtbüschel, die erstern nur schwächere. Noch mehr. An beyderley Spitzen fühlt man ein Blasen, wenn man die flache Hand dagegen hält, und dieser Wind kömmt jederzeit von der Spitze her, geht aber nie auf sie zu. Man kan durch dieses Blasen Körper in Bewegung setzen, s. Flugrad, elektrisches, und diese drehen sich allezeit nach einerley Seite, es sey nun + E, was sie treibt, oder -- E. Ia, eben das geschieht auch im luftleeren Raume. Kampher, den man auf dem Conductor anzündet, wieder ausbläset, und dann plötzlich elektrisiret, wird in lange divergirende Fäden ausgesponnen, der Conductor mag + E oder -- E haben. Das scheint doch eher anzuzeigen, daß auch aus negativen Spitzen etwas wirklich ausgehe, nicht blos etwas in sie eindringe:

3. Franklin glaubte zu bemerken, daß der Funken zwischen der Schwefelkugel und seinem Finger sich über des letztern Oberfläche zu verbreiten schien, als ob er aus dem Finger flösse; bey der Glaskugel aber war der Fall anders. Hierauf ist zu antworten, daß ja die Verbreitung über eine Fläche eben sowohl Einfließen als Ausfließen anzeigen könne, und daß das Phänomen viel zu undeutlich sey, als daß es zum Entscheidungsgrunde eines Systems dienen könnte.


ihm etwas entzogen werde. Dies iſt aber eine willkuͤhrlich angenommene Behauptung, die keinen Beweis abgeben kan.

2. Wenn die Glaselektricitaͤt aus Spitzen ausgeht, ſind die Feuerbuͤſchel lang, ſtark und praſſelnd; kuͤrzer hingegen, ſchwaͤcher und mehr ziſchend, wenn eine Spitze Harzelektricitaͤt verliert. Franklin nimmt die ſtarken Buͤſchel fuͤr Ausſtroͤmen des Ueberfluſſes, die ſchwachen fuͤr Eindringen an, wodurch Mangel erſetzt werde. Die Vertheidiger ſeines Syſtems haben noch angefuͤhrt, daß Spitzen, wenn ſie + E annehmen oder — E abgeben, gar keinen Buͤſchel, ſondern einen leuchtenden Punkt zeigten, oder nur gluͤhend ſchienen. Hiemit ſcheinen aber die Verſuche nicht immer uͤbereinzuſtimmen; denn ſowohl negative als poſitive Spitzen zeigen Lichtbuͤſchel, die erſtern nur ſchwaͤchere. Noch mehr. An beyderley Spitzen fuͤhlt man ein Blaſen, wenn man die flache Hand dagegen haͤlt, und dieſer Wind koͤmmt jederzeit von der Spitze her, geht aber nie auf ſie zu. Man kan durch dieſes Blaſen Koͤrper in Bewegung ſetzen, ſ. Flugrad, elektriſches, und dieſe drehen ſich allezeit nach einerley Seite, es ſey nun + E, was ſie treibt, oder — E. Ia, eben das geſchieht auch im luftleeren Raume. Kampher, den man auf dem Conductor anzuͤndet, wieder ausblaͤſet, und dann ploͤtzlich elektriſiret, wird in lange divergirende Faͤden ausgeſponnen, der Conductor mag + E oder — E haben. Das ſcheint doch eher anzuzeigen, daß auch aus negativen Spitzen etwas wirklich ausgehe, nicht blos etwas in ſie eindringe:

3. Franklin glaubte zu bemerken, daß der Funken zwiſchen der Schwefelkugel und ſeinem Finger ſich uͤber des letztern Oberflaͤche zu verbreiten ſchien, als ob er aus dem Finger floͤſſe; bey der Glaskugel aber war der Fall anders. Hierauf iſt zu antworten, daß ja die Verbreitung uͤber eine Flaͤche eben ſowohl Einfließen als Ausfließen anzeigen koͤnne, und daß das Phaͤnomen viel zu undeutlich ſey, als daß es zum Entſcheidungsgrunde eines Syſtems dienen koͤnnte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0778" xml:id="P.1.764" n="764"/><lb/>
ihm etwas entzogen werde. Dies i&#x017F;t aber eine willku&#x0364;hrlich angenommene Behauptung, die keinen Beweis abgeben kan.</p>
          <p>2. Wenn die Glaselektricita&#x0364;t aus Spitzen ausgeht, &#x017F;ind die Feuerbu&#x0364;&#x017F;chel lang, &#x017F;tark und pra&#x017F;&#x017F;elnd; ku&#x0364;rzer hingegen, &#x017F;chwa&#x0364;cher und mehr zi&#x017F;chend, wenn eine Spitze Harzelektricita&#x0364;t verliert. Franklin nimmt die &#x017F;tarken Bu&#x0364;&#x017F;chel fu&#x0364;r <hi rendition="#b">Aus&#x017F;tro&#x0364;men</hi> des Ueberflu&#x017F;&#x017F;es, die &#x017F;chwachen fu&#x0364;r <hi rendition="#b">Eindringen</hi> an, wodurch Mangel er&#x017F;etzt werde. Die Vertheidiger &#x017F;eines Sy&#x017F;tems haben noch angefu&#x0364;hrt, daß Spitzen, wenn &#x017F;ie <hi rendition="#aq">+ E</hi> annehmen oder <hi rendition="#aq">&#x2014; E</hi> abgeben, gar keinen Bu&#x0364;&#x017F;chel, &#x017F;ondern einen leuchtenden Punkt zeigten, oder nur glu&#x0364;hend &#x017F;chienen. Hiemit &#x017F;cheinen aber die Ver&#x017F;uche nicht immer u&#x0364;bereinzu&#x017F;timmen; denn &#x017F;owohl negative als po&#x017F;itive Spitzen zeigen Lichtbu&#x0364;&#x017F;chel, die er&#x017F;tern nur &#x017F;chwa&#x0364;chere. Noch mehr. An beyderley Spitzen fu&#x0364;hlt man ein Bla&#x017F;en, wenn man die flache Hand dagegen ha&#x0364;lt, und die&#x017F;er Wind ko&#x0364;mmt jederzeit von der Spitze her, geht aber nie auf &#x017F;ie zu. Man kan durch die&#x017F;es Bla&#x017F;en Ko&#x0364;rper in Bewegung &#x017F;etzen, <hi rendition="#b">&#x017F;. Flugrad, elektri&#x017F;ches,</hi> und die&#x017F;e drehen &#x017F;ich allezeit nach einerley Seite, es &#x017F;ey nun <hi rendition="#aq">+ E,</hi> was &#x017F;ie treibt, oder <hi rendition="#aq">&#x2014; E.</hi> Ia, eben das ge&#x017F;chieht auch im <hi rendition="#b">luftleeren</hi> Raume. Kampher, den man auf dem Conductor anzu&#x0364;ndet, wieder ausbla&#x0364;&#x017F;et, und dann plo&#x0364;tzlich elektri&#x017F;iret, wird in lange divergirende Fa&#x0364;den ausge&#x017F;ponnen, der Conductor mag <hi rendition="#aq">+ E</hi> oder <hi rendition="#aq">&#x2014; E</hi> haben. Das &#x017F;cheint doch eher anzuzeigen, daß auch aus negativen Spitzen etwas wirklich ausgehe, nicht blos etwas in &#x017F;ie <hi rendition="#b">eindringe:</hi></p>
          <p>3. Franklin glaubte zu bemerken, daß der Funken zwi&#x017F;chen der Schwefelkugel und &#x017F;einem Finger &#x017F;ich u&#x0364;ber des letztern Oberfla&#x0364;che zu verbreiten &#x017F;chien, als ob er aus dem Finger flo&#x0364;&#x017F;&#x017F;e; bey der Glaskugel aber war der Fall anders. Hierauf i&#x017F;t zu antworten, daß ja die Verbreitung u&#x0364;ber eine Fla&#x0364;che eben &#x017F;owohl Einfließen als Ausfließen anzeigen ko&#x0364;nne, und daß das Pha&#x0364;nomen viel zu undeutlich &#x017F;ey, als daß es zum Ent&#x017F;cheidungsgrunde eines Sy&#x017F;tems dienen ko&#x0364;nnte.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[764/0778] ihm etwas entzogen werde. Dies iſt aber eine willkuͤhrlich angenommene Behauptung, die keinen Beweis abgeben kan. 2. Wenn die Glaselektricitaͤt aus Spitzen ausgeht, ſind die Feuerbuͤſchel lang, ſtark und praſſelnd; kuͤrzer hingegen, ſchwaͤcher und mehr ziſchend, wenn eine Spitze Harzelektricitaͤt verliert. Franklin nimmt die ſtarken Buͤſchel fuͤr Ausſtroͤmen des Ueberfluſſes, die ſchwachen fuͤr Eindringen an, wodurch Mangel erſetzt werde. Die Vertheidiger ſeines Syſtems haben noch angefuͤhrt, daß Spitzen, wenn ſie + E annehmen oder — E abgeben, gar keinen Buͤſchel, ſondern einen leuchtenden Punkt zeigten, oder nur gluͤhend ſchienen. Hiemit ſcheinen aber die Verſuche nicht immer uͤbereinzuſtimmen; denn ſowohl negative als poſitive Spitzen zeigen Lichtbuͤſchel, die erſtern nur ſchwaͤchere. Noch mehr. An beyderley Spitzen fuͤhlt man ein Blaſen, wenn man die flache Hand dagegen haͤlt, und dieſer Wind koͤmmt jederzeit von der Spitze her, geht aber nie auf ſie zu. Man kan durch dieſes Blaſen Koͤrper in Bewegung ſetzen, ſ. Flugrad, elektriſches, und dieſe drehen ſich allezeit nach einerley Seite, es ſey nun + E, was ſie treibt, oder — E. Ia, eben das geſchieht auch im luftleeren Raume. Kampher, den man auf dem Conductor anzuͤndet, wieder ausblaͤſet, und dann ploͤtzlich elektriſiret, wird in lange divergirende Faͤden ausgeſponnen, der Conductor mag + E oder — E haben. Das ſcheint doch eher anzuzeigen, daß auch aus negativen Spitzen etwas wirklich ausgehe, nicht blos etwas in ſie eindringe: 3. Franklin glaubte zu bemerken, daß der Funken zwiſchen der Schwefelkugel und ſeinem Finger ſich uͤber des letztern Oberflaͤche zu verbreiten ſchien, als ob er aus dem Finger floͤſſe; bey der Glaskugel aber war der Fall anders. Hierauf iſt zu antworten, daß ja die Verbreitung uͤber eine Flaͤche eben ſowohl Einfließen als Ausfließen anzeigen koͤnne, und daß das Phaͤnomen viel zu undeutlich ſey, als daß es zum Entſcheidungsgrunde eines Syſtems dienen koͤnnte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/778
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 764. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/778>, abgerufen am 24.11.2024.