Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Diese Vorzüge haben dem Franklinschen System ein großes und dauerhaftes Ansehen verschaft. Die schwachen Waffen, womit es Nollet bestritt, konnten ihm nicht schaden. Gerade die Theile, die Nollet tadelte, z. B. die Impermeabilität des Glases, die verschiedenen Elektricitäten beyder Seiten der Flasche, stehen am festesten, und gerade der Punkt ist zweifelhaft, den Nollet selbst annahm, nemlich die Einheit der elektrischen Materie. Noch jetzt kan man bey weitem nicht sagen, daß Franklins System widerlegt sey, ob man ihm gleich vieles mit Wahrscheinlichkeit entgegensetzen kan. Robert Symmer (Philos. Trans. Vol. LI. P. I.) zog aus seinen Versuchen über die Elektricität geriebner feidner Bänder und Strümpfe die Vermuthung, daß es zwo elektrische Materien gebe, die beyde einander stark anziehen, indem die Theilchen einer jeden sich unter einander selbst stark abstoßen. Nach dieser Hypothese sind also + E und -- E zwo wirklich verschiedene Materien, die mit einander in chymischer Verwandtschaft stehen, einander in der Entfernug anziehn oder binden, und bey wirklichem Uebergange sättigen können, da nach Franklins Meynung + E vielmehr in dem Ueberflusse, -- E in dem Mangel einer und ebenderselben Materie besteht. Wo nach Franklin der Uebergang allemal nur von der Seite, die zu viel hat, in die andere, die zu wenig hat, geschieht, da kan hier Uebergang bald von der Seite + E zu der -- E, bald von -- E zu + E, bald von beyden zugleich statt finden. Im übrigen sind die Erklärungen so ähnlich, daß diese Symmersche Theorie nicht mit Unrecht eine Verdoppelung der Franklinschen genannt werden könnte.
Dieſe Vorzuͤge haben dem Franklinſchen Syſtem ein großes und dauerhaftes Anſehen verſchaft. Die ſchwachen Waffen, womit es Nollet beſtritt, konnten ihm nicht ſchaden. Gerade die Theile, die Nollet tadelte, z. B. die Impermeabilitaͤt des Glaſes, die verſchiedenen Elektricitaͤten beyder Seiten der Flaſche, ſtehen am feſteſten, und gerade der Punkt iſt zweifelhaft, den Nollet ſelbſt annahm, nemlich die Einheit der elektriſchen Materie. Noch jetzt kan man bey weitem nicht ſagen, daß Franklins Syſtem widerlegt ſey, ob man ihm gleich vieles mit Wahrſcheinlichkeit entgegenſetzen kan. Robert Symmer (Philoſ. Trans. Vol. LI. P. I.) zog aus ſeinen Verſuchen uͤber die Elektricitaͤt geriebner feidner Baͤnder und Struͤmpfe die Vermuthung, daß es zwo elektriſche Materien gebe, die beyde einander ſtark anziehen, indem die Theilchen einer jeden ſich unter einander ſelbſt ſtark abſtoßen. Nach dieſer Hypotheſe ſind alſo + E und — E zwo wirklich verſchiedene Materien, die mit einander in chymiſcher Verwandtſchaft ſtehen, einander in der Entfernug anziehn oder binden, und bey wirklichem Uebergange ſaͤttigen koͤnnen, da nach Franklins Meynung + E vielmehr in dem Ueberfluſſe, — E in dem Mangel einer und ebenderſelben Materie beſteht. Wo nach Franklin der Uebergang allemal nur von der Seite, die zu viel hat, in die andere, die zu wenig hat, geſchieht, da kan hier Uebergang bald von der Seite + E zu der — E, bald von — E zu + E, bald von beyden zugleich ſtatt finden. Im uͤbrigen ſind die Erklaͤrungen ſo aͤhnlich, daß dieſe Symmerſche Theorie nicht mit Unrecht eine Verdoppelung der Franklinſchen genannt werden koͤnnte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0775" xml:id="P.1.761" n="761"/><lb/> gemacht, ſo gebe die poſitive Seite auf einmal ihren Ueberfluß an die negative ab, erſetze den Mangel derſelben, und ſtelle das Gleichgewicht her. Dies ſey die <hi rendition="#b">Entladung.</hi> Es bleibt bey der geladnen Flaſche kein Hauptphaͤnomen uͤbrig, das man nicht auf dieſe Art mit hinlaͤnglicher Deutlichkeit begriffe, und vorherſagen koͤnnte. Auch die Erſcheinungen des Elektrophors laſſen ſich aus dieſem Syſtem erklaͤren, wenigſtens damit vereinigen, <hi rendition="#b">ſ. Elektrophor.</hi></p> <p>Dieſe Vorzuͤge haben dem Franklinſchen Syſtem ein großes und dauerhaftes Anſehen verſchaft. Die ſchwachen Waffen, womit es <hi rendition="#b">Nollet</hi> beſtritt, konnten ihm nicht ſchaden. Gerade die Theile, die <hi rendition="#b">Nollet</hi> tadelte, z. B. die Impermeabilitaͤt des Glaſes, die verſchiedenen Elektricitaͤten beyder Seiten der Flaſche, ſtehen am feſteſten, und gerade der Punkt iſt zweifelhaft, den <hi rendition="#b">Nollet</hi> ſelbſt annahm, nemlich die Einheit der elektriſchen Materie. Noch jetzt kan man bey weitem nicht ſagen, daß Franklins Syſtem widerlegt ſey, ob man ihm gleich vieles mit Wahrſcheinlichkeit entgegenſetzen kan.</p> <p><hi rendition="#b">Robert Symmer</hi><hi rendition="#aq">(Philoſ. Trans. Vol. LI. P. I.)</hi> zog aus ſeinen Verſuchen uͤber die Elektricitaͤt geriebner feidner Baͤnder und Struͤmpfe die Vermuthung, daß es <hi rendition="#b">zwo elektriſche Materien</hi> gebe, die beyde einander ſtark anziehen, indem die Theilchen einer jeden ſich unter einander ſelbſt ſtark abſtoßen. Nach dieſer Hypotheſe ſind alſo <hi rendition="#aq">+ E</hi> und <hi rendition="#aq">— E</hi> zwo wirklich verſchiedene Materien, die mit einander in chymiſcher Verwandtſchaft ſtehen, einander in der Entfernug anziehn oder binden, und bey wirklichem Uebergange ſaͤttigen koͤnnen, da nach <hi rendition="#b">Franklins</hi> Meynung <hi rendition="#aq">+ E</hi> vielmehr in dem Ueberfluſſe, <hi rendition="#aq">— E</hi> in dem Mangel einer und ebenderſelben Materie beſteht. Wo nach Franklin der Uebergang allemal nur von der Seite, die zu viel hat, in die andere, die zu wenig hat, geſchieht, da kan hier Uebergang bald von der Seite <hi rendition="#aq">+ E</hi> zu der <hi rendition="#aq">— E,</hi> bald von <hi rendition="#aq">— E</hi> zu <hi rendition="#aq">+ E,</hi> bald von beyden zugleich ſtatt finden. Im uͤbrigen ſind die Erklaͤrungen ſo aͤhnlich, daß dieſe Symmerſche Theorie nicht mit Unrecht eine Verdoppelung der Franklinſchen genannt werden koͤnnte.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [761/0775]
gemacht, ſo gebe die poſitive Seite auf einmal ihren Ueberfluß an die negative ab, erſetze den Mangel derſelben, und ſtelle das Gleichgewicht her. Dies ſey die Entladung. Es bleibt bey der geladnen Flaſche kein Hauptphaͤnomen uͤbrig, das man nicht auf dieſe Art mit hinlaͤnglicher Deutlichkeit begriffe, und vorherſagen koͤnnte. Auch die Erſcheinungen des Elektrophors laſſen ſich aus dieſem Syſtem erklaͤren, wenigſtens damit vereinigen, ſ. Elektrophor.
Dieſe Vorzuͤge haben dem Franklinſchen Syſtem ein großes und dauerhaftes Anſehen verſchaft. Die ſchwachen Waffen, womit es Nollet beſtritt, konnten ihm nicht ſchaden. Gerade die Theile, die Nollet tadelte, z. B. die Impermeabilitaͤt des Glaſes, die verſchiedenen Elektricitaͤten beyder Seiten der Flaſche, ſtehen am feſteſten, und gerade der Punkt iſt zweifelhaft, den Nollet ſelbſt annahm, nemlich die Einheit der elektriſchen Materie. Noch jetzt kan man bey weitem nicht ſagen, daß Franklins Syſtem widerlegt ſey, ob man ihm gleich vieles mit Wahrſcheinlichkeit entgegenſetzen kan.
Robert Symmer (Philoſ. Trans. Vol. LI. P. I.) zog aus ſeinen Verſuchen uͤber die Elektricitaͤt geriebner feidner Baͤnder und Struͤmpfe die Vermuthung, daß es zwo elektriſche Materien gebe, die beyde einander ſtark anziehen, indem die Theilchen einer jeden ſich unter einander ſelbſt ſtark abſtoßen. Nach dieſer Hypotheſe ſind alſo + E und — E zwo wirklich verſchiedene Materien, die mit einander in chymiſcher Verwandtſchaft ſtehen, einander in der Entfernug anziehn oder binden, und bey wirklichem Uebergange ſaͤttigen koͤnnen, da nach Franklins Meynung + E vielmehr in dem Ueberfluſſe, — E in dem Mangel einer und ebenderſelben Materie beſteht. Wo nach Franklin der Uebergang allemal nur von der Seite, die zu viel hat, in die andere, die zu wenig hat, geſchieht, da kan hier Uebergang bald von der Seite + E zu der — E, bald von — E zu + E, bald von beyden zugleich ſtatt finden. Im uͤbrigen ſind die Erklaͤrungen ſo aͤhnlich, daß dieſe Symmerſche Theorie nicht mit Unrecht eine Verdoppelung der Franklinſchen genannt werden koͤnnte.
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