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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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"und bleibende Luft; eben die Theilchen, die bey der Be"rührung aufs festeste zusammenhängen, gehen jetzt mit "der grösten Gewalt aus einander, und lassen sich sehr "schwer wieder zusammenbringen."

Diese repellirenden Kräfte aber kan man wohl eben so wenig für etwas den Körpern wesentliches halten, als die Anziehung; man muß sie vielmehr blos als eine bequeme Vorstellungsart des Phänomens der Federkraft ansehen, das sie inzwischen keineswegs erklären. Die Frage, was die Ursache der Elasticität sey, ist noch nicht beantwortet, wenn man von zurückstoßender Kraft der Theile redet, weil diese Kraft ja im Grunde nichts anders ist, als die Elasticität selbst, nach deren Ursache gefragt wird. Musschenbroek (Introd. ad phil. nat. To. II. §. 1202.) folgt Newton zwar darinn, daß die Elasticität der Luft, die er von der Federkraft fester Körper sorgfältig unterscheidet, von einer Repulsionskraft abhange, er fragt aber mit Recht nach einer fernern Ursache, und setzt hinzu: Sed qui sit haec vis repellens, an electricitas, an alia ejus causa, nondum clare innotuit; itaque oportet, ut quiescamus in eo, quod constat, aerem revera esse elasticum.

Ist vielleicht, nach Herrn de Saussure Vermuthung, Verbindung mit dem Elementarfeuer die Ursache der Elasticität der Luftgattungen und Dämpfe? Und ließe sich nicht hieraus sehr ungezwungen die Verstärkung der specifischen Elasticität durch die Wärme erklären? s. Dämpfe, Feuer. Gesetze der Federkraft fester Körper.

s'Gravesande (Physices elem. math. Lugd. Bat. 1725. 4. To. I. L. I. c. 29.) hat mit Weglassung aller Speculationen über die Ursache, vielmehr die Gesetze der Elasticität fester Körper genauer untersucht. Er stellt sich hiebey die elastischen Körper als aus dünnen Fibern oder Fäden zusammengesetzt vor, und untersucht also zuförderst, als den einfachsien Fall, die Elasticität der Metallsaiten, welche solche elastische Fäden selbst vorstellen.


”und bleibende Luft; eben die Theilchen, die bey der Be”ruͤhrung aufs feſteſte zuſammenhaͤngen, gehen jetzt mit ”der groͤſten Gewalt aus einander, und laſſen ſich ſehr ”ſchwer wieder zuſammenbringen.“

Dieſe repellirenden Kraͤfte aber kan man wohl eben ſo wenig fuͤr etwas den Koͤrpern weſentliches halten, als die Anziehung; man muß ſie vielmehr blos als eine bequeme Vorſtellungsart des Phaͤnomens der Federkraft anſehen, das ſie inzwiſchen keineswegs erklaͤren. Die Frage, was die Urſache der Elaſticitaͤt ſey, iſt noch nicht beantwortet, wenn man von zuruͤckſtoßender Kraft der Theile redet, weil dieſe Kraft ja im Grunde nichts anders iſt, als die Elaſticitaͤt ſelbſt, nach deren Urſache gefragt wird. Muſſchenbroek (Introd. ad phil. nat. To. II. §. 1202.) folgt Newton zwar darinn, daß die Elaſticitaͤt der Luft, die er von der Federkraft feſter Koͤrper ſorgfaͤltig unterſcheidet, von einer Repulſionskraft abhange, er fragt aber mit Recht nach einer fernern Urſache, und ſetzt hinzu: Sed qui ſit haec vis repellens, an electricitas, an alia ejus cauſa, nondum clare innotuit; itaque oportet, ut quieſcamus in eo, quod conſtat, aërem revera eſſe elaſticum.

Iſt vielleicht, nach Herrn de Sauſſure Vermuthung, Verbindung mit dem Elementarfeuer die Urſache der Elaſticitaͤt der Luftgattungen und Daͤmpfe? Und ließe ſich nicht hieraus ſehr ungezwungen die Verſtaͤrkung der ſpecifiſchen Elaſticitaͤt durch die Waͤrme erklaͤren? ſ. Daͤmpfe, Feuer. Geſetze der Federkraft feſter Koͤrper.

s'Graveſande (Phyſices elem. math. Lugd. Bat. 1725. 4. To. I. L. I. c. 29.) hat mit Weglaſſung aller Speculationen uͤber die Urſache, vielmehr die Geſetze der Elaſticitaͤt feſter Koͤrper genauer unterſucht. Er ſtellt ſich hiebey die elaſtiſchen Koͤrper als aus duͤnnen Fibern oder Faͤden zuſammengeſetzt vor, und unterſucht alſo zufoͤrderſt, als den einfachſien Fall, die Elaſticitaͤt der Metallſaiten, welche ſolche elaſtiſche Faͤden ſelbſt vorſtellen.

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[705/0719] ”und bleibende Luft; eben die Theilchen, die bey der Be”ruͤhrung aufs feſteſte zuſammenhaͤngen, gehen jetzt mit ”der groͤſten Gewalt aus einander, und laſſen ſich ſehr ”ſchwer wieder zuſammenbringen.“ Dieſe repellirenden Kraͤfte aber kan man wohl eben ſo wenig fuͤr etwas den Koͤrpern weſentliches halten, als die Anziehung; man muß ſie vielmehr blos als eine bequeme Vorſtellungsart des Phaͤnomens der Federkraft anſehen, das ſie inzwiſchen keineswegs erklaͤren. Die Frage, was die Urſache der Elaſticitaͤt ſey, iſt noch nicht beantwortet, wenn man von zuruͤckſtoßender Kraft der Theile redet, weil dieſe Kraft ja im Grunde nichts anders iſt, als die Elaſticitaͤt ſelbſt, nach deren Urſache gefragt wird. Muſſchenbroek (Introd. ad phil. nat. To. II. §. 1202.) folgt Newton zwar darinn, daß die Elaſticitaͤt der Luft, die er von der Federkraft feſter Koͤrper ſorgfaͤltig unterſcheidet, von einer Repulſionskraft abhange, er fragt aber mit Recht nach einer fernern Urſache, und ſetzt hinzu: Sed qui ſit haec vis repellens, an electricitas, an alia ejus cauſa, nondum clare innotuit; itaque oportet, ut quieſcamus in eo, quod conſtat, aërem revera eſſe elaſticum. Iſt vielleicht, nach Herrn de Sauſſure Vermuthung, Verbindung mit dem Elementarfeuer die Urſache der Elaſticitaͤt der Luftgattungen und Daͤmpfe? Und ließe ſich nicht hieraus ſehr ungezwungen die Verſtaͤrkung der ſpecifiſchen Elaſticitaͤt durch die Waͤrme erklaͤren? ſ. Daͤmpfe, Feuer. Geſetze der Federkraft feſter Koͤrper. s'Graveſande (Phyſices elem. math. Lugd. Bat. 1725. 4. To. I. L. I. c. 29.) hat mit Weglaſſung aller Speculationen uͤber die Urſache, vielmehr die Geſetze der Elaſticitaͤt feſter Koͤrper genauer unterſucht. Er ſtellt ſich hiebey die elaſtiſchen Koͤrper als aus duͤnnen Fibern oder Faͤden zuſammengeſetzt vor, und unterſucht alſo zufoͤrderſt, als den einfachſien Fall, die Elaſticitaͤt der Metallſaiten, welche ſolche elaſtiſche Faͤden ſelbſt vorſtellen.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 705. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/719>, abgerufen am 19.05.2024.