Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


die sie bald für den Aether, bald für das Elementarfeuer rc. ausgegeben haben. Einige ließen jedes Theilchen dieser Materie sich um seine Axe drehen, andere, wie Malebranche, mehrere Theilchen einen Wirbel um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt bilden, und dadurch eine Schwungkraft erhalten, welche den Wirbel, wenn er durch die veränderte Gestalt des festen Körpers abgeplattet oder in ein Oval verwandelt ward, antrieb, seine vorige Gestalt wieder anzunehmen; noch andere schrieben der subtilen Materie oder dem Aether selbst Elasticität zu, und glaubten, er treibe, durch seine eigne Wiederherstellung in den vorigen Raum, die Theile des gespannten Körpers in ihre vorige Lage zurück. Dies letztere heißt, Elasticität des Aethers annehmen, um Elasticität der Körper daraus zu erklären, und läst immer die Frage übrig, was die Ursache der Elasticität des Aethers sey.

Musschenbroeck (Introd. ad philos. nat. To. I. §. 767.) setzt allen Erklärungen der Elasticität, die ein durchströmendes flüßiges Wesen annehmen, das entgegen, daß ein solches Flüßiges doch nur nach einer Richtung durchströmen werde. Wird nun ein Körper so gebogen. daß die Gänge da enger werden, wo die subtile Materie ausströmen soll, so läst sich denken, daß sie gegen die Wände drückt, und dem Körper Federkraft giebt. Jetzt beuge man ihn aber nach der andern Seite, so werden die Gänge da weiter, wo die flüßige Materie ausgeht, und hier ist nicht mehr einzusehen, wie sie einen Druck gegen die Seitenwände ausüben und dadurch Federkraft bewirken soll. Dennoch zeigt eine elastische Stange Federkraft, man mag sie nach der einen oder nach der andern Seite beugen, und überhaupt nach allen möglichen Richtungen. Aber eine Bewegung der subtilen Materie nach allen möglichen Richtungen zugleich läst sich gar nicht denken.

Andere haben zu einer zurückstoßenden Kraft zwischen den Theilchen der Körper selbst ihre Zuflucht genommen. Wenn man einen elastischen Körper zusammendrückt, sagen sie, so werden seine Zwischenräume enger, und seine Theilchen kommen näher an einander, so datz immer eines


die ſie bald fuͤr den Aether, bald fuͤr das Elementarfeuer rc. ausgegeben haben. Einige ließen jedes Theilchen dieſer Materie ſich um ſeine Axe drehen, andere, wie Malebranche, mehrere Theilchen einen Wirbel um einen gemeinſchaftlichen Mittelpunkt bilden, und dadurch eine Schwungkraft erhalten, welche den Wirbel, wenn er durch die veraͤnderte Geſtalt des feſten Koͤrpers abgeplattet oder in ein Oval verwandelt ward, antrieb, ſeine vorige Geſtalt wieder anzunehmen; noch andere ſchrieben der ſubtilen Materie oder dem Aether ſelbſt Elaſticitaͤt zu, und glaubten, er treibe, durch ſeine eigne Wiederherſtellung in den vorigen Raum, die Theile des geſpannten Koͤrpers in ihre vorige Lage zuruͤck. Dies letztere heißt, Elaſticitaͤt des Aethers annehmen, um Elaſticitaͤt der Koͤrper daraus zu erklaͤren, und laͤſt immer die Frage uͤbrig, was die Urſache der Elaſticitaͤt des Aethers ſey.

Muſſchenbroeck (Introd. ad philoſ. nat. To. I. §. 767.) ſetzt allen Erklaͤrungen der Elaſticitaͤt, die ein durchſtroͤmendes fluͤßiges Weſen annehmen, das entgegen, daß ein ſolches Fluͤßiges doch nur nach einer Richtung durchſtroͤmen werde. Wird nun ein Koͤrper ſo gebogen. daß die Gaͤnge da enger werden, wo die ſubtile Materie ausſtroͤmen ſoll, ſo laͤſt ſich denken, daß ſie gegen die Waͤnde druͤckt, und dem Koͤrper Federkraft giebt. Jetzt beuge man ihn aber nach der andern Seite, ſo werden die Gaͤnge da weiter, wo die fluͤßige Materie ausgeht, und hier iſt nicht mehr einzuſehen, wie ſie einen Druck gegen die Seitenwaͤnde ausuͤben und dadurch Federkraft bewirken ſoll. Dennoch zeigt eine elaſtiſche Stange Federkraft, man mag ſie nach der einen oder nach der andern Seite beugen, und uͤberhaupt nach allen moͤglichen Richtungen. Aber eine Bewegung der ſubtilen Materie nach allen moͤglichen Richtungen zugleich laͤſt ſich gar nicht denken.

Andere haben zu einer zuruͤckſtoßenden Kraft zwiſchen den Theilchen der Koͤrper ſelbſt ihre Zuflucht genommen. Wenn man einen elaſtiſchen Koͤrper zuſammendruͤckt, ſagen ſie, ſo werden ſeine Zwiſchenraͤume enger, und ſeine Theilchen kommen naͤher an einander, ſo datz immer eines

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0714" xml:id="P.1.700" n="700"/><lb/>
die &#x017F;ie bald fu&#x0364;r den Aether, bald fu&#x0364;r das Elementarfeuer rc. ausgegeben haben. Einige ließen jedes Theilchen die&#x017F;er Materie &#x017F;ich um &#x017F;eine Axe drehen, andere, wie <hi rendition="#b">Malebranche,</hi> mehrere Theilchen einen Wirbel um einen gemein&#x017F;chaftlichen Mittelpunkt bilden, und dadurch eine Schwungkraft erhalten, welche den Wirbel, wenn er durch die vera&#x0364;nderte Ge&#x017F;talt des fe&#x017F;ten Ko&#x0364;rpers abgeplattet oder in ein Oval verwandelt ward, antrieb, &#x017F;eine vorige Ge&#x017F;talt wieder anzunehmen; noch andere &#x017F;chrieben der &#x017F;ubtilen Materie oder dem Aether &#x017F;elb&#x017F;t Ela&#x017F;ticita&#x0364;t zu, und glaubten, er treibe, durch &#x017F;eine eigne Wiederher&#x017F;tellung in den vorigen Raum, die Theile des ge&#x017F;pannten Ko&#x0364;rpers in ihre vorige Lage zuru&#x0364;ck. Dies letztere heißt, Ela&#x017F;ticita&#x0364;t des Aethers annehmen, um Ela&#x017F;ticita&#x0364;t der Ko&#x0364;rper daraus zu erkla&#x0364;ren, und la&#x0364;&#x017F;t immer die Frage u&#x0364;brig, was die Ur&#x017F;ache der Ela&#x017F;ticita&#x0364;t des Aethers &#x017F;ey.</p>
          <p><hi rendition="#b">Mu&#x017F;&#x017F;chenbroeck</hi><hi rendition="#aq">(Introd. ad philo&#x017F;. nat. To. I. §. 767.)</hi> &#x017F;etzt allen Erkla&#x0364;rungen der Ela&#x017F;ticita&#x0364;t, die ein durch&#x017F;tro&#x0364;mendes flu&#x0364;ßiges We&#x017F;en annehmen, das entgegen, daß ein &#x017F;olches Flu&#x0364;ßiges doch nur nach einer Richtung durch&#x017F;tro&#x0364;men werde. Wird nun ein Ko&#x0364;rper &#x017F;o gebogen. daß die Ga&#x0364;nge da enger werden, wo die &#x017F;ubtile Materie aus&#x017F;tro&#x0364;men &#x017F;oll, &#x017F;o la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich denken, daß &#x017F;ie gegen die Wa&#x0364;nde dru&#x0364;ckt, und dem Ko&#x0364;rper Federkraft giebt. Jetzt beuge man ihn aber nach der andern Seite, &#x017F;o werden die Ga&#x0364;nge da weiter, wo die flu&#x0364;ßige Materie ausgeht, und hier i&#x017F;t nicht mehr einzu&#x017F;ehen, wie &#x017F;ie einen Druck gegen die Seitenwa&#x0364;nde ausu&#x0364;ben und dadurch Federkraft bewirken &#x017F;oll. Dennoch zeigt eine ela&#x017F;ti&#x017F;che Stange Federkraft, man mag &#x017F;ie nach der einen oder nach der andern Seite beugen, und u&#x0364;berhaupt nach allen mo&#x0364;glichen Richtungen. Aber eine Bewegung der &#x017F;ubtilen Materie nach allen mo&#x0364;glichen Richtungen zugleich la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich gar nicht denken.</p>
          <p>Andere haben zu einer zuru&#x0364;ck&#x017F;toßenden Kraft zwi&#x017F;chen den Theilchen der Ko&#x0364;rper &#x017F;elb&#x017F;t ihre Zuflucht genommen. Wenn man einen ela&#x017F;ti&#x017F;chen Ko&#x0364;rper zu&#x017F;ammendru&#x0364;ckt, &#x017F;agen &#x017F;ie, &#x017F;o werden &#x017F;eine Zwi&#x017F;chenra&#x0364;ume enger, und &#x017F;eine Theilchen kommen na&#x0364;her an einander, &#x017F;o datz immer eines<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[700/0714] die ſie bald fuͤr den Aether, bald fuͤr das Elementarfeuer rc. ausgegeben haben. Einige ließen jedes Theilchen dieſer Materie ſich um ſeine Axe drehen, andere, wie Malebranche, mehrere Theilchen einen Wirbel um einen gemeinſchaftlichen Mittelpunkt bilden, und dadurch eine Schwungkraft erhalten, welche den Wirbel, wenn er durch die veraͤnderte Geſtalt des feſten Koͤrpers abgeplattet oder in ein Oval verwandelt ward, antrieb, ſeine vorige Geſtalt wieder anzunehmen; noch andere ſchrieben der ſubtilen Materie oder dem Aether ſelbſt Elaſticitaͤt zu, und glaubten, er treibe, durch ſeine eigne Wiederherſtellung in den vorigen Raum, die Theile des geſpannten Koͤrpers in ihre vorige Lage zuruͤck. Dies letztere heißt, Elaſticitaͤt des Aethers annehmen, um Elaſticitaͤt der Koͤrper daraus zu erklaͤren, und laͤſt immer die Frage uͤbrig, was die Urſache der Elaſticitaͤt des Aethers ſey. Muſſchenbroeck (Introd. ad philoſ. nat. To. I. §. 767.) ſetzt allen Erklaͤrungen der Elaſticitaͤt, die ein durchſtroͤmendes fluͤßiges Weſen annehmen, das entgegen, daß ein ſolches Fluͤßiges doch nur nach einer Richtung durchſtroͤmen werde. Wird nun ein Koͤrper ſo gebogen. daß die Gaͤnge da enger werden, wo die ſubtile Materie ausſtroͤmen ſoll, ſo laͤſt ſich denken, daß ſie gegen die Waͤnde druͤckt, und dem Koͤrper Federkraft giebt. Jetzt beuge man ihn aber nach der andern Seite, ſo werden die Gaͤnge da weiter, wo die fluͤßige Materie ausgeht, und hier iſt nicht mehr einzuſehen, wie ſie einen Druck gegen die Seitenwaͤnde ausuͤben und dadurch Federkraft bewirken ſoll. Dennoch zeigt eine elaſtiſche Stange Federkraft, man mag ſie nach der einen oder nach der andern Seite beugen, und uͤberhaupt nach allen moͤglichen Richtungen. Aber eine Bewegung der ſubtilen Materie nach allen moͤglichen Richtungen zugleich laͤſt ſich gar nicht denken. Andere haben zu einer zuruͤckſtoßenden Kraft zwiſchen den Theilchen der Koͤrper ſelbſt ihre Zuflucht genommen. Wenn man einen elaſtiſchen Koͤrper zuſammendruͤckt, ſagen ſie, ſo werden ſeine Zwiſchenraͤume enger, und ſeine Theilchen kommen naͤher an einander, ſo datz immer eines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/714
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 700. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/714>, abgerufen am 19.05.2024.