Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Die große Erfindung der aerostatischen Maschinen ward in August 1782 von zween Brüdern, Stephan und Joseph Montgolfier, Papierfabrikanten zu Annonay in Vivarais, Männern von Genie und eifrigen Liebhabern der Naturlehre, gemacht. Nach der Erzählung des jüngern Bruders (Discours lau a l' acad. des Sc. de Lyon. Nov. 1783.) versuchten sie anfänglich, wie Cavallo, Säcke von Papier mit brennbarer Luft zu füllen; kamen aber nachher durch das Beyspiel der in der Luft schwebenden Wolken auf die Idee, eine durch Kunst erzeugte Wolke in eine undurchdringliche Hülle einzuschliessen, wobey sie auch den Gedanken mit einmischten, daß die Leichtigkeit dieser Wolke durch die Elektricität werde befördert werden können. Es gelang dem ältern Montgolfier, im November 1782 zu Avignon, ein hohles Parallelepipedum von Taffet, von 40 Cubikschuh Inhalt, nachdem es inwendig durch brennendes Papier erhitzt worden war, an die Decke des Zimmers steigen zu sehen. Kurz darauf wiederholten beyde Brüder diesen Versuch zu Annonay, und sahen das Parallelepipedum in freyer Luft eine Höhe von 70 Schuhen erreichen. Eine noch größere Maschine von 650 Cubikschuh Inhalt stieg mit gleichem Erfolg; sie beschlossen daher, den Versuch noch mehr ins Große zu treiben, verfertigten eine Maschine von Leinwand, welche 35 Schuh im Durchmesser hielt, 450 Pfund wog, und noch über 400 Pfund Last mit sich aufhob, und ließen dieselbe nach einigen schon vorhergegangenen Versuchen am 5ten Iunius 1783 zu Annonay in Gegenwart der Stände von Vivarais in die Luft steigen, in welcher sie in weniger als zehn Minuten eine Höhe von
Die große Erfindung der aeroſtatiſchen Maſchinen ward in Auguſt 1782 von zween Bruͤdern, Stephan und Joſeph Montgolfier, Papierfabrikanten zu Annonay in Vivarais, Maͤnnern von Genie und eifrigen Liebhabern der Naturlehre, gemacht. Nach der Erzaͤhlung des juͤngern Bruders (Diſcours lû à l' acad. des Sc. de Lyon. Nov. 1783.) verſuchten ſie anfaͤnglich, wie Cavallo, Saͤcke von Papier mit brennbarer Luft zu fuͤllen; kamen aber nachher durch das Beyſpiel der in der Luft ſchwebenden Wolken auf die Idee, eine durch Kunſt erzeugte Wolke in eine undurchdringliche Huͤlle einzuſchlieſſen, wobey ſie auch den Gedanken mit einmiſchten, daß die Leichtigkeit dieſer Wolke durch die Elektricitaͤt werde befoͤrdert werden koͤnnen. Es gelang dem aͤltern Montgolfier, im November 1782 zu Avignon, ein hohles Parallelepipedum von Taffet, von 40 Cubikſchuh Inhalt, nachdem es inwendig durch brennendes Papier erhitzt worden war, an die Decke des Zimmers ſteigen zu ſehen. Kurz darauf wiederholten beyde Bruͤder dieſen Verſuch zu Annonay, und ſahen das Parallelepipedum in freyer Luft eine Hoͤhe von 70 Schuhen erreichen. Eine noch groͤßere Maſchine von 650 Cubikſchuh Inhalt ſtieg mit gleichem Erfolg; ſie beſchloſſen daher, den Verſuch noch mehr ins Große zu treiben, verfertigten eine Maſchine von Leinwand, welche 35 Schuh im Durchmeſſer hielt, 450 Pfund wog, und noch uͤber 400 Pfund Laſt mit ſich aufhob, und ließen dieſelbe nach einigen ſchon vorhergegangenen Verſuchen am 5ten Iunius 1783 zu Annonay in Gegenwart der Staͤnde von Vivarais in die Luft ſteigen, in welcher ſie in weniger als zehn Minuten eine Hoͤhe von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0070" xml:id="P.1.56" n="56"/><lb/> Zimmers zerplatzten. (<hi rendition="#aq">ſ. The hiſtory and practice of aëroſtation by <hi rendition="#i">Tiberius Cavallo.</hi> London 1785. gr. 8. p. 34.</hi> Geſchichte und Praxis der Aeroſtatik von <hi rendition="#b">Tib. Cavallo.</hi> Leipzig 1786. 8. S. 24, u. f.) Eben dergleichen Seifenblaſen ſind auch im Jahre 1782 in Goͤttingen von Herrn <hi rendition="#b">Lichtenberg</hi> gemacht worden, und wahrſcheinlich die erſten ſichtbar in der Luft aufſteigenden Koͤrper geweſen, welche die menſchliche Kunſt hervorgebracht hat.</p> <p>Die große Erfindung der aeroſtatiſchen Maſchinen ward in Auguſt 1782 von zween Bruͤdern, <hi rendition="#b">Stephan</hi> und <hi rendition="#b">Joſeph Montgolfier,</hi> Papierfabrikanten zu Annonay in Vivarais, Maͤnnern von Genie und eifrigen Liebhabern der Naturlehre, gemacht. Nach der Erzaͤhlung des juͤngern Bruders <hi rendition="#aq">(Diſcours lû à l' acad. des Sc. de Lyon. Nov. 1783.)</hi> verſuchten ſie anfaͤnglich, wie Cavallo, Saͤcke von Papier mit brennbarer Luft zu fuͤllen; kamen aber nachher durch das Beyſpiel der in der Luft ſchwebenden Wolken auf die Idee, eine durch Kunſt erzeugte Wolke in eine undurchdringliche Huͤlle einzuſchlieſſen, wobey ſie auch den Gedanken mit einmiſchten, daß die Leichtigkeit dieſer Wolke durch die Elektricitaͤt werde befoͤrdert werden koͤnnen. Es gelang dem aͤltern Montgolfier, im November 1782 zu Avignon, ein hohles Parallelepipedum von Taffet, von 40 Cubikſchuh Inhalt, nachdem es inwendig durch brennendes Papier erhitzt worden war, an die Decke des Zimmers ſteigen zu ſehen. Kurz darauf wiederholten beyde Bruͤder dieſen Verſuch zu Annonay, und ſahen das Parallelepipedum in freyer Luft eine Hoͤhe von 70 Schuhen erreichen. Eine noch groͤßere Maſchine von 650 Cubikſchuh Inhalt ſtieg mit gleichem Erfolg; ſie beſchloſſen daher, den Verſuch noch mehr ins Große zu treiben, verfertigten eine Maſchine von Leinwand, welche 35 Schuh im Durchmeſſer hielt, 450 Pfund wog, und noch uͤber 400 Pfund Laſt mit ſich aufhob, und ließen dieſelbe nach einigen ſchon vorhergegangenen Verſuchen am 5ten Iunius 1783 zu Annonay in Gegenwart der Staͤnde von Vivarais in die Luft ſteigen, in welcher ſie in weniger als zehn Minuten eine Hoͤhe von<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0070]
Zimmers zerplatzten. (ſ. The hiſtory and practice of aëroſtation by Tiberius Cavallo. London 1785. gr. 8. p. 34. Geſchichte und Praxis der Aeroſtatik von Tib. Cavallo. Leipzig 1786. 8. S. 24, u. f.) Eben dergleichen Seifenblaſen ſind auch im Jahre 1782 in Goͤttingen von Herrn Lichtenberg gemacht worden, und wahrſcheinlich die erſten ſichtbar in der Luft aufſteigenden Koͤrper geweſen, welche die menſchliche Kunſt hervorgebracht hat.
Die große Erfindung der aeroſtatiſchen Maſchinen ward in Auguſt 1782 von zween Bruͤdern, Stephan und Joſeph Montgolfier, Papierfabrikanten zu Annonay in Vivarais, Maͤnnern von Genie und eifrigen Liebhabern der Naturlehre, gemacht. Nach der Erzaͤhlung des juͤngern Bruders (Diſcours lû à l' acad. des Sc. de Lyon. Nov. 1783.) verſuchten ſie anfaͤnglich, wie Cavallo, Saͤcke von Papier mit brennbarer Luft zu fuͤllen; kamen aber nachher durch das Beyſpiel der in der Luft ſchwebenden Wolken auf die Idee, eine durch Kunſt erzeugte Wolke in eine undurchdringliche Huͤlle einzuſchlieſſen, wobey ſie auch den Gedanken mit einmiſchten, daß die Leichtigkeit dieſer Wolke durch die Elektricitaͤt werde befoͤrdert werden koͤnnen. Es gelang dem aͤltern Montgolfier, im November 1782 zu Avignon, ein hohles Parallelepipedum von Taffet, von 40 Cubikſchuh Inhalt, nachdem es inwendig durch brennendes Papier erhitzt worden war, an die Decke des Zimmers ſteigen zu ſehen. Kurz darauf wiederholten beyde Bruͤder dieſen Verſuch zu Annonay, und ſahen das Parallelepipedum in freyer Luft eine Hoͤhe von 70 Schuhen erreichen. Eine noch groͤßere Maſchine von 650 Cubikſchuh Inhalt ſtieg mit gleichem Erfolg; ſie beſchloſſen daher, den Verſuch noch mehr ins Große zu treiben, verfertigten eine Maſchine von Leinwand, welche 35 Schuh im Durchmeſſer hielt, 450 Pfund wog, und noch uͤber 400 Pfund Laſt mit ſich aufhob, und ließen dieſelbe nach einigen ſchon vorhergegangenen Verſuchen am 5ten Iunius 1783 zu Annonay in Gegenwart der Staͤnde von Vivarais in die Luft ſteigen, in welcher ſie in weniger als zehn Minuten eine Hoͤhe von
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