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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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Newton berechnet (Princ. L. III. prop. 36.), daß die Schwere der Seewasser nach der Sonne sich zu ihrer Schwere nach der Erde, wie 1 zu 12868200 verhalte, und zieht durch Vergleichung mit den Wirkungen der Schwungkraft hieraus den Schluß, daß das Wasser an den Stellen, die unter der Sonne und der Sonne entgegengesetzt stehen, um (23 1/30) par. Zoll höher seyn müsse, als an denen Stellen, welche 90° von der Sonne abstehen. Mac-Laurin setzt durch genauere Berechnung dieses Resultat auf 22,8654 Zoll herab. Die Schwere gegen den Mond findet Newton (prop. 37.) etwa 4 1/2mal so groß, daß also beyde Kräfte zusammen das Wasser auf 10 1/2 Fuß, und, wenn der Mond in der Erdnähe ist, auf 12 1/2 Fuß erheben könnten. De la Lande setzt die Schwere gegen den Mond nur etwa dreymal so groß, als die gegen die Sonne, welches im Ganzen etwa 8 Fuß Fluth auf dem ofnen Meere betragen würde. Es ist aber hier genug, überhaupt so viel zu wissen, daß diese Kräfte hinreichend sind, die Bewegungen des Meeres zu bewirken, und daß die Wirkung des des Mondes wegen seiner Nähe hiebey weit stärker, als die der Sonne, ist.

Die Gewässer müssen sich also an dem Orte, der den Mond im Scheitel hat, und an dem entgegengesetzten Orte der Erde erheben, an den 90° hievon entfernten Stellen aber erniedrigen. Etwas ähnliches muß auch, doch in geringerm Grade, an denjenigen Orten geschehen, welche ähnliche Lagen gegen die Sonne haben. Verbindet man nun beyde Wirkungen mit einander, so sieht man leicht, daß die Erhebung der Gewässer an einerley Orte sowohl der Größe, als der Zeit nach, beträchtlichen Abwechselungen unterworfen seyn müsse.

In den Syzygien verbinden sich die Wirkungen der Sonne und des Monds zu gleichen Zeiten, und müssen daher stärkere Fluthen, als sonst, veranlassen. In den Quadraturen hingegen wirken beyde Weltkörper einander entgegen, weil sie alsdann um 90° von einander abstehen, daher das Wasstr zu der Zeit, wenn es sich gegen den Mond erhebt, durch die Wirkung der Sonne erniedriget


Newton berechnet (Princ. L. III. prop. 36.), daß die Schwere der Seewaſſer nach der Sonne ſich zu ihrer Schwere nach der Erde, wie 1 zu 12868200 verhalte, und zieht durch Vergleichung mit den Wirkungen der Schwungkraft hieraus den Schluß, daß das Waſſer an den Stellen, die unter der Sonne und der Sonne entgegengeſetzt ſtehen, um (23 1/30) par. Zoll hoͤher ſeyn muͤſſe, als an denen Stellen, welche 90° von der Sonne abſtehen. Mac-Laurin ſetzt durch genauere Berechnung dieſes Reſultat auf 22,8654 Zoll herab. Die Schwere gegen den Mond findet Newton (prop. 37.) etwa 4 1/2mal ſo groß, daß alſo beyde Kraͤfte zuſammen das Waſſer auf 10 1/2 Fuß, und, wenn der Mond in der Erdnaͤhe iſt, auf 12 1/2 Fuß erheben koͤnnten. De la Lande ſetzt die Schwere gegen den Mond nur etwa dreymal ſo groß, als die gegen die Sonne, welches im Ganzen etwa 8 Fuß Fluth auf dem ofnen Meere betragen wuͤrde. Es iſt aber hier genug, uͤberhaupt ſo viel zu wiſſen, daß dieſe Kraͤfte hinreichend ſind, die Bewegungen des Meeres zu bewirken, und daß die Wirkung des des Mondes wegen ſeiner Naͤhe hiebey weit ſtaͤrker, als die der Sonne, iſt.

Die Gewaͤſſer muͤſſen ſich alſo an dem Orte, der den Mond im Scheitel hat, und an dem entgegengeſetzten Orte der Erde erheben, an den 90° hievon entfernten Stellen aber erniedrigen. Etwas aͤhnliches muß auch, doch in geringerm Grade, an denjenigen Orten geſchehen, welche aͤhnliche Lagen gegen die Sonne haben. Verbindet man nun beyde Wirkungen mit einander, ſo ſieht man leicht, daß die Erhebung der Gewaͤſſer an einerley Orte ſowohl der Groͤße, als der Zeit nach, betraͤchtlichen Abwechſelungen unterworfen ſeyn muͤſſe.

In den Syzygien verbinden ſich die Wirkungen der Sonne und des Monds zu gleichen Zeiten, und muͤſſen daher ſtaͤrkere Fluthen, als ſonſt, veranlaſſen. In den Quadraturen hingegen wirken beyde Weltkoͤrper einander entgegen, weil ſie alsdann um 90° von einander abſtehen, daher das Waſſtr zu der Zeit, wenn es ſich gegen den Mond erhebt, durch die Wirkung der Sonne erniedriget

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[654/0668] Newton berechnet (Princ. L. III. prop. 36.), daß die Schwere der Seewaſſer nach der Sonne ſich zu ihrer Schwere nach der Erde, wie 1 zu 12868200 verhalte, und zieht durch Vergleichung mit den Wirkungen der Schwungkraft hieraus den Schluß, daß das Waſſer an den Stellen, die unter der Sonne und der Sonne entgegengeſetzt ſtehen, um (23 1/30) par. Zoll hoͤher ſeyn muͤſſe, als an denen Stellen, welche 90° von der Sonne abſtehen. Mac-Laurin ſetzt durch genauere Berechnung dieſes Reſultat auf 22,8654 Zoll herab. Die Schwere gegen den Mond findet Newton (prop. 37.) etwa 4 1/2mal ſo groß, daß alſo beyde Kraͤfte zuſammen das Waſſer auf 10 1/2 Fuß, und, wenn der Mond in der Erdnaͤhe iſt, auf 12 1/2 Fuß erheben koͤnnten. De la Lande ſetzt die Schwere gegen den Mond nur etwa dreymal ſo groß, als die gegen die Sonne, welches im Ganzen etwa 8 Fuß Fluth auf dem ofnen Meere betragen wuͤrde. Es iſt aber hier genug, uͤberhaupt ſo viel zu wiſſen, daß dieſe Kraͤfte hinreichend ſind, die Bewegungen des Meeres zu bewirken, und daß die Wirkung des des Mondes wegen ſeiner Naͤhe hiebey weit ſtaͤrker, als die der Sonne, iſt. Die Gewaͤſſer muͤſſen ſich alſo an dem Orte, der den Mond im Scheitel hat, und an dem entgegengeſetzten Orte der Erde erheben, an den 90° hievon entfernten Stellen aber erniedrigen. Etwas aͤhnliches muß auch, doch in geringerm Grade, an denjenigen Orten geſchehen, welche aͤhnliche Lagen gegen die Sonne haben. Verbindet man nun beyde Wirkungen mit einander, ſo ſieht man leicht, daß die Erhebung der Gewaͤſſer an einerley Orte ſowohl der Groͤße, als der Zeit nach, betraͤchtlichen Abwechſelungen unterworfen ſeyn muͤſſe. In den Syzygien verbinden ſich die Wirkungen der Sonne und des Monds zu gleichen Zeiten, und muͤſſen daher ſtaͤrkere Fluthen, als ſonſt, veranlaſſen. In den Quadraturen hingegen wirken beyde Weltkoͤrper einander entgegen, weil ſie alsdann um 90° von einander abſtehen, daher das Waſſtr zu der Zeit, wenn es ſich gegen den Mond erhebt, durch die Wirkung der Sonne erniedriget

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/668>, abgerufen am 19.05.2024.