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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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um die Zeit der Sonnenwenden (21 Jun. und 21 Dec.) in den Syzygien schwächer, und in den Quadraturen stärker, als zu andern Zeiten, sind.

In Absicht auf die tägliche Periode bemerkt man, 1) daß die volle See an den östlichen Küsten eher, als an den westlichen, eintritt; 2) daß sich in der heißen Zone das Meerwasser von Morgen gegen Abend zu bewegen scheint, und die Fluth für Orte, die unter einerley Mittagskreise liegen, zu gleichen Zeiten eintritt; 3) daß sie in den gemäßigten Zonen in geringern Breiten eher, als in größern, erfolgt; 4) daß über 65° Breite hinaus Ebbe und Fluth kaum merklich ist.

Bey der monatlichen Periode nimmt man wahr, 1) daß die Fluthen von den Quadraturen bis zu den Syzygien wachsen, von den Syzygien bis zu den Quadraturen aber abnehmen; 2) daß die hohe See in den Syzygien und Quadraturen selbst 3 Stunden nach der Culmination des Monds, von den Syzygien bis zu den Quadraturen aber früher, und von diesen bis zu jenen später, als 3 Stunden nach dieser Culmination, eintritt; 3) daß die südliche oder nördliche Breite des Monds keinen Einfluß auf die Zeit der Ebbe und Fluth hat.

In der jährlichen Periode endlich zeigt sich, 1) daß die Fluthen bey der Wintersonnenwende stärker, als bey der im Sommer, sind; 2) daß sie desto stärker sind, je näher der Mond der Erde steht, und je geringer sein Abstand vom Aequator oder seine Breite ist; daher die allerstärksten Fluthen eintreten, wenn die Nachtgleiche mit einer Syzygie und mit der Erdnähe des Monds zusammenfällt; 3) daß in den Nordländern die Fluthen der Syzygien im Sommer des Abends stärker, als des Morgens, im Winter hingegen des Morgens stärker, als des Abends, sind.

Man wird in diesen kurz zusammengefaßten Erscheinungen der Ebbe und Fluth ihre auffallende Beziehung auf den Stand des Monds und der Sonne sogleich gewahr werden, und so schon im vorans vermuthen, daß die Ursache derselben nirgends anders, als in der Einwirkung dieser Weltkörper auf die Erde, gesucht werden könne. Dies


um die Zeit der Sonnenwenden (21 Jun. und 21 Dec.) in den Syzygien ſchwaͤcher, und in den Quadraturen ſtaͤrker, als zu andern Zeiten, ſind.

In Abſicht auf die taͤgliche Periode bemerkt man, 1) daß die volle See an den oͤſtlichen Kuͤſten eher, als an den weſtlichen, eintritt; 2) daß ſich in der heißen Zone das Meerwaſſer von Morgen gegen Abend zu bewegen ſcheint, und die Fluth fuͤr Orte, die unter einerley Mittagskreiſe liegen, zu gleichen Zeiten eintritt; 3) daß ſie in den gemaͤßigten Zonen in geringern Breiten eher, als in groͤßern, erfolgt; 4) daß uͤber 65° Breite hinaus Ebbe und Fluth kaum merklich iſt.

Bey der monatlichen Periode nimmt man wahr, 1) daß die Fluthen von den Quadraturen bis zu den Syzygien wachſen, von den Syzygien bis zu den Quadraturen aber abnehmen; 2) daß die hohe See in den Syzygien und Quadraturen ſelbſt 3 Stunden nach der Culmination des Monds, von den Syzygien bis zu den Quadraturen aber fruͤher, und von dieſen bis zu jenen ſpaͤter, als 3 Stunden nach dieſer Culmination, eintritt; 3) daß die ſuͤdliche oder noͤrdliche Breite des Monds keinen Einfluß auf die Zeit der Ebbe und Fluth hat.

In der jaͤhrlichen Periode endlich zeigt ſich, 1) daß die Fluthen bey der Winterſonnenwende ſtaͤrker, als bey der im Sommer, ſind; 2) daß ſie deſto ſtaͤrker ſind, je naͤher der Mond der Erde ſteht, und je geringer ſein Abſtand vom Aequator oder ſeine Breite iſt; daher die allerſtaͤrkſten Fluthen eintreten, wenn die Nachtgleiche mit einer Syzygie und mit der Erdnaͤhe des Monds zuſammenfaͤllt; 3) daß in den Nordlaͤndern die Fluthen der Syzygien im Sommer des Abends ſtaͤrker, als des Morgens, im Winter hingegen des Morgens ſtaͤrker, als des Abends, ſind.

Man wird in dieſen kurz zuſammengefaßten Erſcheinungen der Ebbe und Fluth ihre auffallende Beziehung auf den Stand des Monds und der Sonne ſogleich gewahr werden, und ſo ſchon im vorans vermuthen, daß die Urſache derſelben nirgends anders, als in der Einwirkung dieſer Weltkoͤrper auf die Erde, geſucht werden koͤnne. Dies

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[648/0662] um die Zeit der Sonnenwenden (21 Jun. und 21 Dec.) in den Syzygien ſchwaͤcher, und in den Quadraturen ſtaͤrker, als zu andern Zeiten, ſind. In Abſicht auf die taͤgliche Periode bemerkt man, 1) daß die volle See an den oͤſtlichen Kuͤſten eher, als an den weſtlichen, eintritt; 2) daß ſich in der heißen Zone das Meerwaſſer von Morgen gegen Abend zu bewegen ſcheint, und die Fluth fuͤr Orte, die unter einerley Mittagskreiſe liegen, zu gleichen Zeiten eintritt; 3) daß ſie in den gemaͤßigten Zonen in geringern Breiten eher, als in groͤßern, erfolgt; 4) daß uͤber 65° Breite hinaus Ebbe und Fluth kaum merklich iſt. Bey der monatlichen Periode nimmt man wahr, 1) daß die Fluthen von den Quadraturen bis zu den Syzygien wachſen, von den Syzygien bis zu den Quadraturen aber abnehmen; 2) daß die hohe See in den Syzygien und Quadraturen ſelbſt 3 Stunden nach der Culmination des Monds, von den Syzygien bis zu den Quadraturen aber fruͤher, und von dieſen bis zu jenen ſpaͤter, als 3 Stunden nach dieſer Culmination, eintritt; 3) daß die ſuͤdliche oder noͤrdliche Breite des Monds keinen Einfluß auf die Zeit der Ebbe und Fluth hat. In der jaͤhrlichen Periode endlich zeigt ſich, 1) daß die Fluthen bey der Winterſonnenwende ſtaͤrker, als bey der im Sommer, ſind; 2) daß ſie deſto ſtaͤrker ſind, je naͤher der Mond der Erde ſteht, und je geringer ſein Abſtand vom Aequator oder ſeine Breite iſt; daher die allerſtaͤrkſten Fluthen eintreten, wenn die Nachtgleiche mit einer Syzygie und mit der Erdnaͤhe des Monds zuſammenfaͤllt; 3) daß in den Nordlaͤndern die Fluthen der Syzygien im Sommer des Abends ſtaͤrker, als des Morgens, im Winter hingegen des Morgens ſtaͤrker, als des Abends, ſind. Man wird in dieſen kurz zuſammengefaßten Erſcheinungen der Ebbe und Fluth ihre auffallende Beziehung auf den Stand des Monds und der Sonne ſogleich gewahr werden, und ſo ſchon im vorans vermuthen, daß die Urſache derſelben nirgends anders, als in der Einwirkung dieſer Weltkoͤrper auf die Erde, geſucht werden koͤnne. Dies

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 648. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/662>, abgerufen am 19.05.2024.