solchen Drachen hebe, erklärt Musschenbroek(Introductio ad phil. nat. §. 573.). Taf. V. Fig. 90. sey an den Stab AB die schlaffe Schnur DEC angebunden. Wenn nun an irgend einen Punkt derselben E noch die Schnur EM befestiget und bey M mit der Hand gehalten wird, die Fläche des Drachen aber mit der horizontalen Richtung des Windes OP einen schiefen Winkel = OPH macht, so läst sich der Stoß des Windes OP gegen den Schwerpunkt O, in die beyden Theile OH und HP zerlegen. Da der letztere Theil der Fläche AB gleichlaufend ist, und daher nicht auf ihre Bewegung wirkt, so bleibt blos der erstere Theil OH wirksam; der Drache wird nach der Richtung OH fortgetrieben; er steigt also höher, weil H höher, als O, liegt. Zugleich wird diese Wirkung noch dadurch befördert, daß man die Fläche des Drachen der Richtung des Windes nicht gerade entgegen kehret, sondern, wie den Flügel einer Windmühle, schief gegen denselben richtet, wobey die Wirkung des Windes am stärksten ist, wenn die auf der Fläche des Drachens gezognen Horizontallinien mit der Richtung des Windes einen Winkel von 54° 34' machen. Die Schnur wird im Anfang stark angezogen, und man läuft damit dem Winde entgegen, um seinen Stoß gegen die Fläche noch mehr zu verstärken. So lassen sich dergleichen Drachen an einer langen Schnur vom Winde auf beträchtliche Höhen treiben.
Franklin kam im Jahre 1752 zuerst auf den Gedanken, einen solchen Drachen in die Wolken aufsteigen zu lassen, um die Elektricität derselben herabzuleiten, und dadurch einen directen Beweis der von ihm behaupteten Gleichheit des Blitzes und der Elektricität zu erhalten. Er wuste damals noch nicht, daß zugespitzte Stangen von mäßiger Höhe schon dazu hinreichend wären, und sahe also den Drachen als das leichteste Mittel an, sich einen Zutritt zu den höhern Gegenden des Donners zu verschaffen. Er breitete zu dem Ende ein großes seidnes Schnupftuch über zwey kreuzweis gelegte Stäbgen aus, und ließ dasselbe bey Gelegenheit des ersten aufsteigenden Gewitters an einer hänfenen Schnur in die Höhe, an deren unterstes Ende er
ſolchen Drachen hebe, erklaͤrt Muſſchenbroek(Introductio ad phil. nat. §. 573.). Taf. V. Fig. 90. ſey an den Stab AB die ſchlaffe Schnur DEC angebunden. Wenn nun an irgend einen Punkt derſelben E noch die Schnur EM befeſtiget und bey M mit der Hand gehalten wird, die Flaͤche des Drachen aber mit der horizontalen Richtung des Windes OP einen ſchiefen Winkel = OPH macht, ſo laͤſt ſich der Stoß des Windes OP gegen den Schwerpunkt O, in die beyden Theile OH und HP zerlegen. Da der letztere Theil der Flaͤche AB gleichlaufend iſt, und daher nicht auf ihre Bewegung wirkt, ſo bleibt blos der erſtere Theil OH wirkſam; der Drache wird nach der Richtung OH fortgetrieben; er ſteigt alſo hoͤher, weil H hoͤher, als O, liegt. Zugleich wird dieſe Wirkung noch dadurch befoͤrdert, daß man die Flaͤche des Drachen der Richtung des Windes nicht gerade entgegen kehret, ſondern, wie den Fluͤgel einer Windmuͤhle, ſchief gegen denſelben richtet, wobey die Wirkung des Windes am ſtaͤrkſten iſt, wenn die auf der Flaͤche des Drachens gezognen Horizontallinien mit der Richtung des Windes einen Winkel von 54° 34′ machen. Die Schnur wird im Anfang ſtark angezogen, und man laͤuft damit dem Winde entgegen, um ſeinen Stoß gegen die Flaͤche noch mehr zu verſtaͤrken. So laſſen ſich dergleichen Drachen an einer langen Schnur vom Winde auf betraͤchtliche Hoͤhen treiben.
Franklin kam im Jahre 1752 zuerſt auf den Gedanken, einen ſolchen Drachen in die Wolken aufſteigen zu laſſen, um die Elektricitaͤt derſelben herabzuleiten, und dadurch einen directen Beweis der von ihm behaupteten Gleichheit des Blitzes und der Elektricitaͤt zu erhalten. Er wuſte damals noch nicht, daß zugeſpitzte Stangen von maͤßiger Hoͤhe ſchon dazu hinreichend waͤren, und ſahe alſo den Drachen als das leichteſte Mittel an, ſich einen Zutritt zu den hoͤhern Gegenden des Donners zu verſchaffen. Er breitete zu dem Ende ein großes ſeidnes Schnupftuch uͤber zwey kreuzweis gelegte Staͤbgen aus, und ließ daſſelbe bey Gelegenheit des erſten aufſteigenden Gewitters an einer haͤnfenen Schnur in die Hoͤhe, an deren unterſtes Ende er
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ſolchen Drachen hebe, erklaͤrt Muſſchenbroek (Introductio ad phil. nat. §. 573.). Taf. V. Fig. 90. ſey an den Stab AB die ſchlaffe Schnur DEC angebunden. Wenn nun an irgend einen Punkt derſelben E noch die Schnur EM befeſtiget und bey M mit der Hand gehalten wird, die Flaͤche des Drachen aber mit der horizontalen Richtung des Windes OP einen ſchiefen Winkel = OPH macht, ſo laͤſt ſich der Stoß des Windes OP gegen den Schwerpunkt O, in die beyden Theile OH und HP zerlegen. Da der letztere Theil der Flaͤche AB gleichlaufend iſt, und daher nicht auf ihre Bewegung wirkt, ſo bleibt blos der erſtere Theil OH wirkſam; der Drache wird nach der Richtung OH fortgetrieben; er ſteigt alſo hoͤher, weil H hoͤher, als O, liegt. Zugleich wird dieſe Wirkung noch dadurch befoͤrdert, daß man die Flaͤche des Drachen der Richtung des Windes nicht gerade entgegen kehret, ſondern, wie den Fluͤgel einer Windmuͤhle, ſchief gegen denſelben richtet, wobey die Wirkung des Windes am ſtaͤrkſten iſt, wenn die auf der Flaͤche des Drachens gezognen Horizontallinien mit der Richtung des Windes einen Winkel von 54° 34′ machen. Die Schnur wird im Anfang ſtark angezogen, und man laͤuft damit dem Winde entgegen, um ſeinen Stoß gegen die Flaͤche noch mehr zu verſtaͤrken. So laſſen ſich dergleichen Drachen an einer langen Schnur vom Winde auf betraͤchtliche Hoͤhen treiben.
Franklin kam im Jahre 1752 zuerſt auf den Gedanken, einen ſolchen Drachen in die Wolken aufſteigen zu laſſen, um die Elektricitaͤt derſelben herabzuleiten, und dadurch einen directen Beweis der von ihm behaupteten Gleichheit des Blitzes und der Elektricitaͤt zu erhalten. Er wuſte damals noch nicht, daß zugeſpitzte Stangen von maͤßiger Hoͤhe ſchon dazu hinreichend waͤren, und ſahe alſo den Drachen als das leichteſte Mittel an, ſich einen Zutritt zu den hoͤhern Gegenden des Donners zu verſchaffen. Er breitete zu dem Ende ein großes ſeidnes Schnupftuch uͤber zwey kreuzweis gelegte Staͤbgen aus, und ließ daſſelbe bey Gelegenheit des erſten aufſteigenden Gewitters an einer haͤnfenen Schnur in die Hoͤhe, an deren unterſtes Ende er
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/611>, abgerufen am 22.11.2024.
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