Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


dieses Körpers Oberfläche stärker angezogen werden, als sie unter sich selbst zusammenhängen. Denn die anhängenden Theile reissen sich ja von den übrigen los, um an dem Körper zu bleiben, oder sich an ihn zu hängen. Wenn daher die Wirkungen des Anhängens nicht erfolgen, so kann man schließen, daß die Theile der flüßigen Materie unter sich selbst stärker zusammenhängen, als sie von dem festen Körper angezogen werden. So muß der Zusammenhang der Theile des Quecksilbers unter einander selbst, stärker als ihr Anhängen an die Epidermis oder an das Glas seyn; denn der Finger oder die Glasröhre werden vom Quecksilber nicht benetzt, sondern trocken herausgezogen.

Quecksilber benetzt Bley, Gold, Silber und andere Metalle, da es hingegen Eisen, Glas rc. trocken läßt. Wasser hängt sich an die meisten Körper, nur dann nicht, wenn ihre Oberflächen mit Oel und andern fetten Materien, mit Bärlapp oder Hexenmehl (semen lycopodii) rc. bedeckt sind. Schon diese wenigen Beyspiele zeigen, daß sich verschiedene Materien mit verschiedener Stärke anziehen, und daß das Anhängen bisweilen stärker, bisweilen schwächer, als der Zusammenhang der Theile flüßiger Körper unter einander selbst, sey. Einige Naturforscher haben hierüber das allgemeine Gesetz annehmen wollen, daß flüßige Massen mit specifisch schwereren festen Massen stärker, mit specifisch leichtern hingegen schwächer, als unter sich, zusammenhängen. Diese Behauptung wird zwar dadurch wahrscheinlich, daß schwere Flüßigkeiten, wie Quecksilber, sich nur an wenige, und an die schwersten festen Körper, leichte hingegen, wie Wasser, sich fast an alle feste Körper, hängen. Es ist aber die Allgemeinheit des Satzes bey weitem noch nicht erwiesen, und die Erfahrung stimmt nicht allezeit mit ihm überein: wenn man auch gleich die nöthige Einschränkung beyfügt, daß man ihn nicht von der specifischen Schwere der ganzen Zusammensetzung, sondern von der Schwere der einzelnen Theile der Körper verstehen müsse. Die einzelnen Theile eines Körpers nemlich können specifisch


dieſes Koͤrpers Oberflaͤche ſtaͤrker angezogen werden, als ſie unter ſich ſelbſt zuſammenhaͤngen. Denn die anhaͤngenden Theile reiſſen ſich ja von den uͤbrigen los, um an dem Koͤrper zu bleiben, oder ſich an ihn zu haͤngen. Wenn daher die Wirkungen des Anhaͤngens nicht erfolgen, ſo kann man ſchließen, daß die Theile der fluͤßigen Materie unter ſich ſelbſt ſtaͤrker zuſammenhaͤngen, als ſie von dem feſten Koͤrper angezogen werden. So muß der Zuſammenhang der Theile des Queckſilbers unter einander ſelbſt, ſtaͤrker als ihr Anhaͤngen an die Epidermis oder an das Glas ſeyn; denn der Finger oder die Glasroͤhre werden vom Queckſilber nicht benetzt, ſondern trocken herausgezogen.

Queckſilber benetzt Bley, Gold, Silber und andere Metalle, da es hingegen Eiſen, Glas rc. trocken laͤßt. Waſſer haͤngt ſich an die meiſten Koͤrper, nur dann nicht, wenn ihre Oberflaͤchen mit Oel und andern fetten Materien, mit Baͤrlapp oder Hexenmehl (ſemen lycopodii) rc. bedeckt ſind. Schon dieſe wenigen Beyſpiele zeigen, daß ſich verſchiedene Materien mit verſchiedener Staͤrke anziehen, und daß das Anhaͤngen bisweilen ſtaͤrker, bisweilen ſchwaͤcher, als der Zuſammenhang der Theile fluͤßiger Koͤrper unter einander ſelbſt, ſey. Einige Naturforſcher haben hieruͤber das allgemeine Geſetz annehmen wollen, daß fluͤßige Maſſen mit ſpecifiſch ſchwereren feſten Maſſen ſtaͤrker, mit ſpecifiſch leichtern hingegen ſchwaͤcher, als unter ſich, zuſammenhaͤngen. Dieſe Behauptung wird zwar dadurch wahrſcheinlich, daß ſchwere Fluͤßigkeiten, wie Queckſilber, ſich nur an wenige, und an die ſchwerſten feſten Koͤrper, leichte hingegen, wie Waſſer, ſich faſt an alle feſte Koͤrper, haͤngen. Es iſt aber die Allgemeinheit des Satzes bey weitem noch nicht erwieſen, und die Erfahrung ſtimmt nicht allezeit mit ihm uͤberein: wenn man auch gleich die noͤthige Einſchraͤnkung beyfuͤgt, daß man ihn nicht von der ſpecifiſchen Schwere der ganzen Zuſammenſetzung, ſondern von der Schwere der einzelnen Theile der Koͤrper verſtehen muͤſſe. Die einzelnen Theile eines Koͤrpers nemlich koͤnnen ſpecifiſch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0060" xml:id="P.1.46" n="46"/><lb/>
die&#x017F;es Ko&#x0364;rpers Oberfla&#x0364;che &#x017F;ta&#x0364;rker angezogen werden, als &#x017F;ie unter &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu&#x017F;ammenha&#x0364;ngen. Denn die anha&#x0364;ngenden Theile rei&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich ja von den u&#x0364;brigen los, um an dem Ko&#x0364;rper zu bleiben, oder &#x017F;ich an ihn zu ha&#x0364;ngen. Wenn daher die Wirkungen des Anha&#x0364;ngens nicht erfolgen, &#x017F;o kann man &#x017F;chließen, daß die Theile der flu&#x0364;ßigen Materie unter &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#b">&#x017F;ta&#x0364;rker</hi> zu&#x017F;ammenha&#x0364;ngen, als &#x017F;ie von dem fe&#x017F;ten Ko&#x0364;rper angezogen werden. So muß der Zu&#x017F;ammenhang der Theile des Queck&#x017F;ilbers unter einander &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ta&#x0364;rker als ihr Anha&#x0364;ngen an die Epidermis oder an das Glas &#x017F;eyn; denn der Finger oder die Glasro&#x0364;hre werden vom Queck&#x017F;ilber nicht benetzt, &#x017F;ondern trocken herausgezogen.</p>
          <p>Queck&#x017F;ilber benetzt Bley, Gold, Silber und andere Metalle, da es hingegen Ei&#x017F;en, Glas rc. trocken la&#x0364;ßt. Wa&#x017F;&#x017F;er ha&#x0364;ngt &#x017F;ich an die mei&#x017F;ten Ko&#x0364;rper, nur dann nicht, wenn ihre Oberfla&#x0364;chen mit Oel und andern fetten Materien, mit Ba&#x0364;rlapp oder Hexenmehl <hi rendition="#aq">(&#x017F;emen lycopodii)</hi> rc. bedeckt &#x017F;ind. Schon die&#x017F;e wenigen Bey&#x017F;piele zeigen, daß &#x017F;ich ver&#x017F;chiedene Materien mit ver&#x017F;chiedener Sta&#x0364;rke anziehen, und daß das Anha&#x0364;ngen bisweilen &#x017F;ta&#x0364;rker, bisweilen &#x017F;chwa&#x0364;cher, als der Zu&#x017F;ammenhang der Theile flu&#x0364;ßiger Ko&#x0364;rper unter einander &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ey. Einige Naturfor&#x017F;cher haben hieru&#x0364;ber das allgemeine Ge&#x017F;etz annehmen wollen, <hi rendition="#b">daß flu&#x0364;ßige Ma&#x017F;&#x017F;en mit &#x017F;pecifi&#x017F;ch &#x017F;chwereren fe&#x017F;ten Ma&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ta&#x0364;rker, mit &#x017F;pecifi&#x017F;ch leichtern hingegen &#x017F;chwa&#x0364;cher, als unter &#x017F;ich, zu&#x017F;ammenha&#x0364;ngen.</hi> Die&#x017F;e Behauptung wird zwar dadurch wahr&#x017F;cheinlich, daß &#x017F;chwere Flu&#x0364;ßigkeiten, wie Queck&#x017F;ilber, &#x017F;ich nur an wenige, und an die &#x017F;chwer&#x017F;ten fe&#x017F;ten Ko&#x0364;rper, leichte hingegen, wie Wa&#x017F;&#x017F;er, &#x017F;ich fa&#x017F;t an alle fe&#x017F;te Ko&#x0364;rper, ha&#x0364;ngen. Es i&#x017F;t aber die Allgemeinheit des Satzes bey weitem noch nicht erwie&#x017F;en, und die Erfahrung &#x017F;timmt nicht allezeit mit ihm u&#x0364;berein: wenn man auch gleich die no&#x0364;thige Ein&#x017F;chra&#x0364;nkung beyfu&#x0364;gt, daß man ihn nicht von der &#x017F;pecifi&#x017F;chen Schwere der ganzen Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung, &#x017F;ondern von der Schwere der einzelnen Theile der Ko&#x0364;rper ver&#x017F;tehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Die einzelnen Theile eines Ko&#x0364;rpers nemlich ko&#x0364;nnen &#x017F;pecifi&#x017F;ch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0060] dieſes Koͤrpers Oberflaͤche ſtaͤrker angezogen werden, als ſie unter ſich ſelbſt zuſammenhaͤngen. Denn die anhaͤngenden Theile reiſſen ſich ja von den uͤbrigen los, um an dem Koͤrper zu bleiben, oder ſich an ihn zu haͤngen. Wenn daher die Wirkungen des Anhaͤngens nicht erfolgen, ſo kann man ſchließen, daß die Theile der fluͤßigen Materie unter ſich ſelbſt ſtaͤrker zuſammenhaͤngen, als ſie von dem feſten Koͤrper angezogen werden. So muß der Zuſammenhang der Theile des Queckſilbers unter einander ſelbſt, ſtaͤrker als ihr Anhaͤngen an die Epidermis oder an das Glas ſeyn; denn der Finger oder die Glasroͤhre werden vom Queckſilber nicht benetzt, ſondern trocken herausgezogen. Queckſilber benetzt Bley, Gold, Silber und andere Metalle, da es hingegen Eiſen, Glas rc. trocken laͤßt. Waſſer haͤngt ſich an die meiſten Koͤrper, nur dann nicht, wenn ihre Oberflaͤchen mit Oel und andern fetten Materien, mit Baͤrlapp oder Hexenmehl (ſemen lycopodii) rc. bedeckt ſind. Schon dieſe wenigen Beyſpiele zeigen, daß ſich verſchiedene Materien mit verſchiedener Staͤrke anziehen, und daß das Anhaͤngen bisweilen ſtaͤrker, bisweilen ſchwaͤcher, als der Zuſammenhang der Theile fluͤßiger Koͤrper unter einander ſelbſt, ſey. Einige Naturforſcher haben hieruͤber das allgemeine Geſetz annehmen wollen, daß fluͤßige Maſſen mit ſpecifiſch ſchwereren feſten Maſſen ſtaͤrker, mit ſpecifiſch leichtern hingegen ſchwaͤcher, als unter ſich, zuſammenhaͤngen. Dieſe Behauptung wird zwar dadurch wahrſcheinlich, daß ſchwere Fluͤßigkeiten, wie Queckſilber, ſich nur an wenige, und an die ſchwerſten feſten Koͤrper, leichte hingegen, wie Waſſer, ſich faſt an alle feſte Koͤrper, haͤngen. Es iſt aber die Allgemeinheit des Satzes bey weitem noch nicht erwieſen, und die Erfahrung ſtimmt nicht allezeit mit ihm uͤberein: wenn man auch gleich die noͤthige Einſchraͤnkung beyfuͤgt, daß man ihn nicht von der ſpecifiſchen Schwere der ganzen Zuſammenſetzung, ſondern von der Schwere der einzelnen Theile der Koͤrper verſtehen muͤſſe. Die einzelnen Theile eines Koͤrpers nemlich koͤnnen ſpecifiſch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/60
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/60>, abgerufen am 24.11.2024.