Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


grösten Tiefe unter dem Horizonte um Mitternacht, doch den Dämmerungskreis noch nicht erreicht. Wird hingegen Qt<Qr, so trennt sich die Abenddämmerung wieder von der Morgendämmerung. Die Grenze, wo dies geschieht, ist da, wo Qt=Qr. Es ist aber Qt=SD oder der Abweichung der Sonne, Qr hingegen =QR--Rr, d. i. gleich der Aequatorhöhe des Orts weniger 18°, oder für Berlin (wo die Aequatorhöhe = 37° 27' 30" ist) =19° 27' 30". Daher dauret die Dämmerung in Berlin die ganze Nacht hindurch vom 16 May bis zum 25 Jul., an welchen beyden Tagen der Sonne Abweichung beyläufig eben so groß ist.

Die Tage der kürzesten Dämmerung zu finden, ist eine Aufgabe, deren Auflösung durch Differentialrechnug Johann Bernoullin (Opp. T. I. p. 64. ingl. Act. erudit. 1692. p. 446.) nebst seinem Bruder fünf Jahre lang beschäftiget hat. Dennoch hatte sie schon Nunnez oder Nonius (De crepusculis, liber. 1541. P. II. prop. 17.) durch die Geometrie der Alten aufgelöset. Die ausführliche Auflösung durch Differentialrechnung vermittelst der Methode des Grösten und Kleinsten hat erst de l'Hospital (Analyse des infiniments petits, edit. de Paris. 1696. p. 52.) bekannt gemacht, und Hr. Kästner (Lulofs Einl. zur Kenntniß der Erdkugel, durch Kästner, Gött. u. Leipzig 1755. gr. 4. S. 84. u. f.) hat sie aus den sogenannten Formeln des Maupertuis, die aber eigentlich von Hrn. K. selbst gefunden worden sind, hergeleitet. Für den Tag der kürzesten Dämmerung muß seyn, woraus für die Polhöhe von Berlin (52° 32' 30") die Abweichung der Sonne 18° 5' gefunden wird, eine südliche Abweichung, welche die Sonne um den 1 März und 11 October erhält.

Die bisher betrachtete Dämmerung wird die astronomische genannt. Man unterscheidet von ihr die gemeine oder bürgerliche Dämmerung, welche die Zeit begreift, da man in Wohnungen, welche nicht gerade gegen


groͤſten Tiefe unter dem Horizonte um Mitternacht, doch den Daͤmmerungskreis noch nicht erreicht. Wird hingegen Qt<Qr, ſo trennt ſich die Abenddaͤmmerung wieder von der Morgendaͤmmerung. Die Grenze, wo dies geſchieht, iſt da, wo Qt=Qr. Es iſt aber Qt=SD oder der Abweichung der Sonne, Qr hingegen =QR—Rr, d. i. gleich der Aequatorhoͤhe des Orts weniger 18°, oder fuͤr Berlin (wo die Aequatorhoͤhe = 37° 27′ 30″ iſt) =19° 27′ 30″. Daher dauret die Daͤmmerung in Berlin die ganze Nacht hindurch vom 16 May bis zum 25 Jul., an welchen beyden Tagen der Sonne Abweichung beylaͤufig eben ſo groß iſt.

Die Tage der kuͤrzeſten Daͤmmerung zu finden, iſt eine Aufgabe, deren Aufloͤſung durch Differentialrechnug Johann Bernoullin (Opp. T. I. p. 64. ingl. Act. erudit. 1692. p. 446.) nebſt ſeinem Bruder fuͤnf Jahre lang beſchaͤftiget hat. Dennoch hatte ſie ſchon Nunnez oder Nonius (De crepuſculis, liber. 1541. P. II. prop. 17.) durch die Geometrie der Alten aufgeloͤſet. Die ausfuͤhrliche Aufloͤſung durch Differentialrechnung vermittelſt der Methode des Groͤſten und Kleinſten hat erſt de l'Hoſpital (Analyſe des infiniments petits, edit. de Paris. 1696. p. 52.) bekannt gemacht, und Hr. Kaͤſtner (Lulofs Einl. zur Kenntniß der Erdkugel, durch Kaͤſtner, Goͤtt. u. Leipzig 1755. gr. 4. S. 84. u. f.) hat ſie aus den ſogenannten Formeln des Maupertuis, die aber eigentlich von Hrn. K. ſelbſt gefunden worden ſind, hergeleitet. Fuͤr den Tag der kuͤrzeſten Daͤmmerung muß ſeyn, woraus fuͤr die Polhoͤhe von Berlin (52° 32′ 30″) die Abweichung der Sonne 18° 5′ gefunden wird, eine ſuͤdliche Abweichung, welche die Sonne um den 1 Maͤrz und 11 October erhaͤlt.

Die bisher betrachtete Daͤmmerung wird die aſtronomiſche genannt. Man unterſcheidet von ihr die gemeine oder buͤrgerliche Daͤmmerung, welche die Zeit begreift, da man in Wohnungen, welche nicht gerade gegen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0568" xml:id="P.1.554" n="554"/><lb/>
gro&#x0364;&#x017F;ten Tiefe unter dem Horizonte um Mitternacht, doch den Da&#x0364;mmerungskreis noch nicht erreicht. Wird hingegen <hi rendition="#aq">Qt&lt;Qr,</hi> &#x017F;o trennt &#x017F;ich die Abendda&#x0364;mmerung wieder von der Morgenda&#x0364;mmerung. Die Grenze, wo dies ge&#x017F;chieht, i&#x017F;t da, wo <hi rendition="#aq">Qt=Qr.</hi> Es i&#x017F;t aber <hi rendition="#aq">Qt=SD</hi> oder der Abweichung der Sonne, <hi rendition="#aq">Qr</hi> hingegen <hi rendition="#aq">=QR&#x2014;Rr,</hi> d. i. gleich der Aequatorho&#x0364;he des Orts weniger 18°, oder fu&#x0364;r Berlin (wo die Aequatorho&#x0364;he = 37° 27&#x2032; 30&#x2033; i&#x017F;t) =19° 27&#x2032; 30&#x2033;. Daher dauret die Da&#x0364;mmerung in Berlin die ganze Nacht hindurch vom 16 May bis zum 25 Jul., an welchen beyden Tagen der Sonne Abweichung beyla&#x0364;ufig eben &#x017F;o groß i&#x017F;t.</p>
          <p>Die Tage der <hi rendition="#b">ku&#x0364;rze&#x017F;ten Da&#x0364;mmerung</hi> zu finden, i&#x017F;t eine Aufgabe, deren Auflo&#x0364;&#x017F;ung durch Differentialrechnug <hi rendition="#b">Johann Bernoullin</hi> (<hi rendition="#aq">Opp. T. I. p. 64.</hi> ingl. <hi rendition="#aq">Act. erudit. 1692. p. 446.</hi>) neb&#x017F;t &#x017F;einem Bruder fu&#x0364;nf Jahre lang be&#x017F;cha&#x0364;ftiget hat. Dennoch hatte &#x017F;ie &#x017F;chon <hi rendition="#b">Nunnez</hi> oder <hi rendition="#b">Nonius</hi> <hi rendition="#aq">(De crepu&#x017F;culis, liber. 1541. P. II. prop. 17.)</hi> durch die Geometrie der Alten aufgelo&#x0364;&#x017F;et. Die ausfu&#x0364;hrliche Auflo&#x0364;&#x017F;ung durch Differentialrechnung vermittel&#x017F;t der Methode des Gro&#x0364;&#x017F;ten und Klein&#x017F;ten hat er&#x017F;t <hi rendition="#b">de l'Ho&#x017F;pital</hi> <hi rendition="#aq">(Analy&#x017F;e des infiniments petits, edit. de Paris. 1696. p. 52.)</hi> bekannt gemacht, und Hr. <hi rendition="#b">Ka&#x0364;&#x017F;tner</hi> (<hi rendition="#b">Lulofs</hi> Einl. zur Kenntniß der Erdkugel, durch <hi rendition="#b">Ka&#x0364;&#x017F;tner,</hi> Go&#x0364;tt. u. Leipzig 1755. gr. 4. S. 84. u. f.) hat &#x017F;ie aus den &#x017F;ogenannten Formeln des <hi rendition="#b">Maupertuis,</hi> die aber eigentlich von Hrn. K. &#x017F;elb&#x017F;t gefunden worden &#x017F;ind, hergeleitet. Fu&#x0364;r den Tag der ku&#x0364;rze&#x017F;ten Da&#x0364;mmerung muß
&#x017F;eyn, woraus fu&#x0364;r die Polho&#x0364;he von Berlin (52° 32&#x2032; 30&#x2033;) die Abweichung der Sonne 18° 5&#x2032; gefunden wird, eine &#x017F;u&#x0364;dliche Abweichung, welche die Sonne um den 1 Ma&#x0364;rz und 11 October erha&#x0364;lt.</p>
          <p>Die bisher betrachtete Da&#x0364;mmerung wird die <hi rendition="#b">a&#x017F;tronomi&#x017F;che</hi> genannt. Man unter&#x017F;cheidet von ihr die <hi rendition="#b">gemeine</hi> oder <hi rendition="#b">bu&#x0364;rgerliche</hi> Da&#x0364;mmerung, welche die Zeit begreift, da man in Wohnungen, welche nicht gerade gegen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[554/0568] groͤſten Tiefe unter dem Horizonte um Mitternacht, doch den Daͤmmerungskreis noch nicht erreicht. Wird hingegen Qt<Qr, ſo trennt ſich die Abenddaͤmmerung wieder von der Morgendaͤmmerung. Die Grenze, wo dies geſchieht, iſt da, wo Qt=Qr. Es iſt aber Qt=SD oder der Abweichung der Sonne, Qr hingegen =QR—Rr, d. i. gleich der Aequatorhoͤhe des Orts weniger 18°, oder fuͤr Berlin (wo die Aequatorhoͤhe = 37° 27′ 30″ iſt) =19° 27′ 30″. Daher dauret die Daͤmmerung in Berlin die ganze Nacht hindurch vom 16 May bis zum 25 Jul., an welchen beyden Tagen der Sonne Abweichung beylaͤufig eben ſo groß iſt. Die Tage der kuͤrzeſten Daͤmmerung zu finden, iſt eine Aufgabe, deren Aufloͤſung durch Differentialrechnug Johann Bernoullin (Opp. T. I. p. 64. ingl. Act. erudit. 1692. p. 446.) nebſt ſeinem Bruder fuͤnf Jahre lang beſchaͤftiget hat. Dennoch hatte ſie ſchon Nunnez oder Nonius (De crepuſculis, liber. 1541. P. II. prop. 17.) durch die Geometrie der Alten aufgeloͤſet. Die ausfuͤhrliche Aufloͤſung durch Differentialrechnung vermittelſt der Methode des Groͤſten und Kleinſten hat erſt de l'Hoſpital (Analyſe des infiniments petits, edit. de Paris. 1696. p. 52.) bekannt gemacht, und Hr. Kaͤſtner (Lulofs Einl. zur Kenntniß der Erdkugel, durch Kaͤſtner, Goͤtt. u. Leipzig 1755. gr. 4. S. 84. u. f.) hat ſie aus den ſogenannten Formeln des Maupertuis, die aber eigentlich von Hrn. K. ſelbſt gefunden worden ſind, hergeleitet. Fuͤr den Tag der kuͤrzeſten Daͤmmerung muß ſeyn, woraus fuͤr die Polhoͤhe von Berlin (52° 32′ 30″) die Abweichung der Sonne 18° 5′ gefunden wird, eine ſuͤdliche Abweichung, welche die Sonne um den 1 Maͤrz und 11 October erhaͤlt. Die bisher betrachtete Daͤmmerung wird die aſtronomiſche genannt. Man unterſcheidet von ihr die gemeine oder buͤrgerliche Daͤmmerung, welche die Zeit begreift, da man in Wohnungen, welche nicht gerade gegen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/568
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/568>, abgerufen am 22.11.2024.