Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Gravitation nach der Sonne liegt, so folgt hieraus nothwendig das Newtonische Gesetz dieser Gravitation.

III. Es möchte hiebey Ungeübten scheinen, als ob ein Körper, wie A (Taf. V. Fig. 78.), der unaufhörlich nach C gezogen oder getrieben wird, endlich doch den Punkt C selbst erreichen, oder wenigstens ihm unaufhörlich näher kommen müste. Es wird ihnen vielleicht unbegreiflich dünken, wie eine elliptische Bahn entstehen könne, in der sich zwar der Körper A in dem Theile AMP dem Mittelpunkte C beständig nähert, aber in der zwoten Hälfte PDA sich wieder eben so weit von C entfernt und nach A zurückkehret, da ihn doch eine beständige Kraft nach C zu treibt, welche noch überdies in P weit stärker, als in A ist. Der P. Castel hat dies als einen wichtigen Einwurf gegen die Newtonische Theorie vorgetragen.

Es wird aber diese Bedenklichkeit wegfallen, wenn man überlegt, daß der wirkliche Lauf des Körpers nicht allein durch die nach C gerichtete Centralkraft, sondern durch die Richtung und Geschwindigkeit der vorhergehenden Bewegung und eine aus derselben entstehende der erstern oft gerade entgegengesetzte Schwungkraft bestimmt wird. In der ersten Hälfte der Bahn ist die Richtung des Körpers überall eine solche, daß er schon um dieser Richtung willen allein sich C nähern würde, wie z. B. bey M der Körper vom M bis T dem Punkte C immer näher kommen würde. Hiezu kömmt nun noch die Wirkung der Centralkraft, und so wird allerdings durch beyde Annäherung an C bewirkt. Sobald aber der Punkt P erreicht ist, wo die Bahn aufs neue mit dem Radius vector rechte Winkel macht, geht die Richtung nach PQ, und hat nun eine solche Lage, daß sie an sich den Körper sogleich im ersten Augenblicke mehr von C zu entfernen sucht, und dies mit einer sehr großen Geschwindigkeit, weil er dem Mittelpunkte der Kräfte jetzt sehr nahe ist. Dieses Bestreben überwiegt hier die Wirkung der Centralkraft, und so verwandlet sich die vorige Annäherung an C jetzt in eine Entfernung von diesem Punkte.


Gravitation nach der Sonne liegt, ſo folgt hieraus nothwendig das Newtoniſche Geſetz dieſer Gravitation.

III. Es moͤchte hiebey Ungeuͤbten ſcheinen, als ob ein Koͤrper, wie A (Taf. V. Fig. 78.), der unaufhoͤrlich nach C gezogen oder getrieben wird, endlich doch den Punkt C ſelbſt erreichen, oder wenigſtens ihm unaufhoͤrlich naͤher kommen muͤſte. Es wird ihnen vielleicht unbegreiflich duͤnken, wie eine elliptiſche Bahn entſtehen koͤnne, in der ſich zwar der Koͤrper A in dem Theile AMP dem Mittelpunkte C beſtaͤndig naͤhert, aber in der zwoten Haͤlfte PDA ſich wieder eben ſo weit von C entfernt und nach A zuruͤckkehret, da ihn doch eine beſtaͤndige Kraft nach C zu treibt, welche noch uͤberdies in P weit ſtaͤrker, als in A iſt. Der P. Caſtel hat dies als einen wichtigen Einwurf gegen die Newtoniſche Theorie vorgetragen.

Es wird aber dieſe Bedenklichkeit wegfallen, wenn man uͤberlegt, daß der wirkliche Lauf des Koͤrpers nicht allein durch die nach C gerichtete Centralkraft, ſondern durch die Richtung und Geſchwindigkeit der vorhergehenden Bewegung und eine aus derſelben entſtehende der erſtern oft gerade entgegengeſetzte Schwungkraft beſtimmt wird. In der erſten Haͤlfte der Bahn iſt die Richtung des Koͤrpers uͤberall eine ſolche, daß er ſchon um dieſer Richtung willen allein ſich C naͤhern wuͤrde, wie z. B. bey M der Koͤrper vom M bis T dem Punkte C immer naͤher kommen wuͤrde. Hiezu koͤmmt nun noch die Wirkung der Centralkraft, und ſo wird allerdings durch beyde Annaͤherung an C bewirkt. Sobald aber der Punkt P erreicht iſt, wo die Bahn aufs neue mit dem Radius vector rechte Winkel macht, geht die Richtung nach PQ, und hat nun eine ſolche Lage, daß ſie an ſich den Koͤrper ſogleich im erſten Augenblicke mehr von C zu entfernen ſucht, und dies mit einer ſehr großen Geſchwindigkeit, weil er dem Mittelpunkte der Kraͤfte jetzt ſehr nahe iſt. Dieſes Beſtreben uͤberwiegt hier die Wirkung der Centralkraft, und ſo verwandlet ſich die vorige Annaͤherung an C jetzt in eine Entfernung von dieſem Punkte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0491" xml:id="P.1.477" n="477"/><lb/>
Gravitation nach der Sonne liegt, &#x017F;o folgt hieraus nothwendig das Newtoni&#x017F;che Ge&#x017F;etz die&#x017F;er Gravitation.</p>
          <p><hi rendition="#aq">III.</hi> Es mo&#x0364;chte hiebey Ungeu&#x0364;bten &#x017F;cheinen, als ob ein Ko&#x0364;rper, wie <hi rendition="#aq">A</hi> (Taf. <hi rendition="#aq">V.</hi> Fig. 78.), der unaufho&#x0364;rlich nach <hi rendition="#aq">C</hi> gezogen oder getrieben wird, endlich doch den Punkt <hi rendition="#aq">C</hi> &#x017F;elb&#x017F;t erreichen, oder wenig&#x017F;tens ihm unaufho&#x0364;rlich na&#x0364;her kommen mu&#x0364;&#x017F;te. Es wird ihnen vielleicht unbegreiflich du&#x0364;nken, wie eine ellipti&#x017F;che Bahn ent&#x017F;tehen ko&#x0364;nne, in der &#x017F;ich zwar der Ko&#x0364;rper <hi rendition="#aq">A</hi> in dem Theile <hi rendition="#aq">AMP</hi> dem Mittelpunkte <hi rendition="#aq">C</hi> be&#x017F;ta&#x0364;ndig na&#x0364;hert, aber in der zwoten Ha&#x0364;lfte <hi rendition="#aq">PDA</hi> &#x017F;ich wieder eben &#x017F;o weit von <hi rendition="#aq">C</hi> entfernt und nach <hi rendition="#aq">A</hi> zuru&#x0364;ckkehret, da ihn doch eine be&#x017F;ta&#x0364;ndige Kraft nach <hi rendition="#aq">C</hi> zu treibt, welche noch u&#x0364;berdies in <hi rendition="#aq">P</hi> weit &#x017F;ta&#x0364;rker, als in <hi rendition="#aq">A</hi> i&#x017F;t. Der P. <hi rendition="#b">Ca&#x017F;tel</hi> hat dies als einen wichtigen Einwurf gegen die Newtoni&#x017F;che Theorie vorgetragen.</p>
          <p>Es wird aber die&#x017F;e Bedenklichkeit wegfallen, wenn man u&#x0364;berlegt, daß der wirkliche Lauf des Ko&#x0364;rpers nicht allein durch die nach <hi rendition="#aq">C</hi> gerichtete Centralkraft, &#x017F;ondern durch die Richtung und Ge&#x017F;chwindigkeit der vorhergehenden Bewegung und eine aus der&#x017F;elben ent&#x017F;tehende der er&#x017F;tern oft gerade entgegenge&#x017F;etzte <hi rendition="#b">Schwungkraft</hi> be&#x017F;timmt wird. In der er&#x017F;ten Ha&#x0364;lfte der Bahn i&#x017F;t die Richtung des Ko&#x0364;rpers u&#x0364;berall eine &#x017F;olche, daß er &#x017F;chon um die&#x017F;er Richtung willen allein &#x017F;ich <hi rendition="#aq">C</hi> na&#x0364;hern wu&#x0364;rde, wie z. B. bey <hi rendition="#aq">M</hi> der Ko&#x0364;rper vom <hi rendition="#aq">M</hi> bis <hi rendition="#aq">T</hi> dem Punkte <hi rendition="#aq">C</hi> immer na&#x0364;her kommen wu&#x0364;rde. Hiezu ko&#x0364;mmt nun noch die Wirkung der Centralkraft, und &#x017F;o wird allerdings durch beyde Anna&#x0364;herung an <hi rendition="#aq">C</hi> bewirkt. Sobald aber der Punkt <hi rendition="#aq">P</hi> erreicht i&#x017F;t, wo die Bahn aufs neue mit dem Radius vector rechte Winkel macht, geht die Richtung nach <hi rendition="#aq">PQ,</hi> und hat nun eine &#x017F;olche Lage, daß &#x017F;ie an &#x017F;ich den Ko&#x0364;rper &#x017F;ogleich im er&#x017F;ten Augenblicke mehr von <hi rendition="#aq">C</hi> zu entfernen &#x017F;ucht, und dies mit einer &#x017F;ehr großen Ge&#x017F;chwindigkeit, weil er dem Mittelpunkte der Kra&#x0364;fte jetzt &#x017F;ehr nahe i&#x017F;t. Die&#x017F;es Be&#x017F;treben u&#x0364;berwiegt hier die Wirkung der Centralkraft, und &#x017F;o verwandlet &#x017F;ich die vorige Anna&#x0364;herung an <hi rendition="#aq">C</hi> jetzt in eine Entfernung von die&#x017F;em Punkte.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[477/0491] Gravitation nach der Sonne liegt, ſo folgt hieraus nothwendig das Newtoniſche Geſetz dieſer Gravitation. III. Es moͤchte hiebey Ungeuͤbten ſcheinen, als ob ein Koͤrper, wie A (Taf. V. Fig. 78.), der unaufhoͤrlich nach C gezogen oder getrieben wird, endlich doch den Punkt C ſelbſt erreichen, oder wenigſtens ihm unaufhoͤrlich naͤher kommen muͤſte. Es wird ihnen vielleicht unbegreiflich duͤnken, wie eine elliptiſche Bahn entſtehen koͤnne, in der ſich zwar der Koͤrper A in dem Theile AMP dem Mittelpunkte C beſtaͤndig naͤhert, aber in der zwoten Haͤlfte PDA ſich wieder eben ſo weit von C entfernt und nach A zuruͤckkehret, da ihn doch eine beſtaͤndige Kraft nach C zu treibt, welche noch uͤberdies in P weit ſtaͤrker, als in A iſt. Der P. Caſtel hat dies als einen wichtigen Einwurf gegen die Newtoniſche Theorie vorgetragen. Es wird aber dieſe Bedenklichkeit wegfallen, wenn man uͤberlegt, daß der wirkliche Lauf des Koͤrpers nicht allein durch die nach C gerichtete Centralkraft, ſondern durch die Richtung und Geſchwindigkeit der vorhergehenden Bewegung und eine aus derſelben entſtehende der erſtern oft gerade entgegengeſetzte Schwungkraft beſtimmt wird. In der erſten Haͤlfte der Bahn iſt die Richtung des Koͤrpers uͤberall eine ſolche, daß er ſchon um dieſer Richtung willen allein ſich C naͤhern wuͤrde, wie z. B. bey M der Koͤrper vom M bis T dem Punkte C immer naͤher kommen wuͤrde. Hiezu koͤmmt nun noch die Wirkung der Centralkraft, und ſo wird allerdings durch beyde Annaͤherung an C bewirkt. Sobald aber der Punkt P erreicht iſt, wo die Bahn aufs neue mit dem Radius vector rechte Winkel macht, geht die Richtung nach PQ, und hat nun eine ſolche Lage, daß ſie an ſich den Koͤrper ſogleich im erſten Augenblicke mehr von C zu entfernen ſucht, und dies mit einer ſehr großen Geſchwindigkeit, weil er dem Mittelpunkte der Kraͤfte jetzt ſehr nahe iſt. Dieſes Beſtreben uͤberwiegt hier die Wirkung der Centralkraft, und ſo verwandlet ſich die vorige Annaͤherung an C jetzt in eine Entfernung von dieſem Punkte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/491
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/491>, abgerufen am 22.11.2024.