Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Art zu wirken der Mensch in diesem Leben nie durchschauen wird.

Dies ist es, was ich im Allgemeinen über die Ursachen der Entstehung und Aenderung der Bewegungen zu sagen weiß. Ich gestehe gern, daß es nicht viel sey; inzwischen ist es mit keinen aus der Luft gegriffenen Hypothesen vermischt, und zureichend, um die ganze Mechanik des Himmels und der Erde daraus herzuleiten. Andere glauben vielleicht, hierinn heller zu sehen, und zum Beyspiele hievon will ich aus Herr Lichtenbergs Magazin für das Neuste aus der Physik rc. (III. B. 2 St. S. 19 u. f.) mit wenigem anführen, was für Begriffe sich ein neuerer physikalischer Schriftsteller (Geologie, oder Betrachtung der Erde, von F. W. Sack, kön. Hof- und Kriminalgerichtsrath, Breslau 1785. gr. 8.) von dem Ursprunge und der Natur der Bewegung mache.

Der Begrif von Bewegung, sagt Herr Sack, daß bey ihr ein Körper seinen Ort ändert, ist unzulänglich; denn wenn ein Stein an einem Faden hängt, und dieser nach einiger Zeit zerreißt, so ist dies Zerreißen ein Produkt der Bewegung, und der Stein kan auch vor dem Zerreißen nicht in Ruhe am Faden gewesen seyn. Mit dem Druck ist es eben so. Die Bewegung ist also nicht als Produkt, sondern als Matrir der Welt anzusehen; sie ist ein Ingrediens der Bestandtheile jedes Atoms, dem Bewegung nach allen Gegenden von Natur wesentlich eigen ist. Ist die Bewegung des Atoms nach allen Gegenden zugleich und gleich stark vorhanden, so zeigt sich zwar scheinbare Ruhe, welche aber nichts anders, als ein Produkt mehrerer Bewegungen ist, und also der Bewegung selbst nicht entgegengesetzt werden kan. Wahre Ruhe kömmt in der ganzen Welt nicht vor.

Um nun die Bewegung eines geworfenen Steins zu erklären, sagt Hr. Sack, es werde die der Hand ebenfalls wesentlich eigne Bewegung nach allen Gegenden, mit einer der Bewegungen des Steins vereiniget, und nun verlasse er die vorige scheinbare Ruhe. Wegen der Vereinigung mit der Hand könne er nun auch die bestimmte Bewegung


Art zu wirken der Menſch in dieſem Leben nie durchſchauen wird.

Dies iſt es, was ich im Allgemeinen uͤber die Urſachen der Entſtehung und Aenderung der Bewegungen zu ſagen weiß. Ich geſtehe gern, daß es nicht viel ſey; inzwiſchen iſt es mit keinen aus der Luft gegriffenen Hypotheſen vermiſcht, und zureichend, um die ganze Mechanik des Himmels und der Erde daraus herzuleiten. Andere glauben vielleicht, hierinn heller zu ſehen, und zum Beyſpiele hievon will ich aus Herr Lichtenbergs Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſik rc. (III. B. 2 St. S. 19 u. f.) mit wenigem anfuͤhren, was fuͤr Begriffe ſich ein neuerer phyſikaliſcher Schriftſteller (Geologie, oder Betrachtung der Erde, von F. W. Sack, koͤn. Hof- und Kriminalgerichtsrath, Breslau 1785. gr. 8.) von dem Urſprunge und der Natur der Bewegung mache.

Der Begrif von Bewegung, ſagt Herr Sack, daß bey ihr ein Koͤrper ſeinen Ort aͤndert, iſt unzulaͤnglich; denn wenn ein Stein an einem Faden haͤngt, und dieſer nach einiger Zeit zerreißt, ſo iſt dies Zerreißen ein Produkt der Bewegung, und der Stein kan auch vor dem Zerreißen nicht in Ruhe am Faden geweſen ſeyn. Mit dem Druck iſt es eben ſo. Die Bewegung iſt alſo nicht als Produkt, ſondern als Matrir der Welt anzuſehen; ſie iſt ein Ingrediens der Beſtandtheile jedes Atoms, dem Bewegung nach allen Gegenden von Natur weſentlich eigen iſt. Iſt die Bewegung des Atoms nach allen Gegenden zugleich und gleich ſtark vorhanden, ſo zeigt ſich zwar ſcheinbare Ruhe, welche aber nichts anders, als ein Produkt mehrerer Bewegungen iſt, und alſo der Bewegung ſelbſt nicht entgegengeſetzt werden kan. Wahre Ruhe koͤmmt in der ganzen Welt nicht vor.

Um nun die Bewegung eines geworfenen Steins zu erklaͤren, ſagt Hr. Sack, es werde die der Hand ebenfalls weſentlich eigne Bewegung nach allen Gegenden, mit einer der Bewegungen des Steins vereiniget, und nun verlaſſe er die vorige ſcheinbare Ruhe. Wegen der Vereinigung mit der Hand koͤnne er nun auch die beſtimmte Bewegung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0338" xml:id="P.1.324" n="324"/><lb/>
Art zu wirken der Men&#x017F;ch in die&#x017F;em Leben nie durch&#x017F;chauen wird.</p>
          <p>Dies i&#x017F;t es, was ich im Allgemeinen u&#x0364;ber die Ur&#x017F;achen der Ent&#x017F;tehung und Aenderung der Bewegungen zu &#x017F;agen weiß. Ich ge&#x017F;tehe gern, daß es nicht viel &#x017F;ey; inzwi&#x017F;chen i&#x017F;t es mit keinen aus der Luft gegriffenen Hypothe&#x017F;en vermi&#x017F;cht, und zureichend, um die ganze Mechanik des Himmels und der Erde daraus herzuleiten. Andere glauben vielleicht, hierinn heller zu &#x017F;ehen, und zum Bey&#x017F;piele hievon will ich aus Herr <hi rendition="#b">Lichtenbergs</hi> Magazin fu&#x0364;r das Neu&#x017F;te aus der Phy&#x017F;ik rc. (<hi rendition="#aq">III.</hi> B. 2 St. S. 19 u. f.) mit wenigem anfu&#x0364;hren, was fu&#x0364;r Begriffe &#x017F;ich ein neuerer phy&#x017F;ikali&#x017F;cher Schrift&#x017F;teller (Geologie, oder Betrachtung der Erde, von F. W. <hi rendition="#b">Sack,</hi> ko&#x0364;n. Hof- und Kriminalgerichtsrath, Breslau 1785. gr. 8.) von dem Ur&#x017F;prunge und der Natur der Bewegung mache.</p>
          <p>Der Begrif von Bewegung, &#x017F;agt Herr Sack, daß bey ihr ein Ko&#x0364;rper &#x017F;einen Ort a&#x0364;ndert, i&#x017F;t unzula&#x0364;nglich; denn wenn ein Stein an einem Faden ha&#x0364;ngt, und die&#x017F;er nach einiger Zeit zerreißt, &#x017F;o i&#x017F;t dies Zerreißen ein Produkt der Bewegung, und der Stein kan auch vor dem Zerreißen nicht in Ruhe am Faden gewe&#x017F;en &#x017F;eyn. Mit dem Druck i&#x017F;t es eben &#x017F;o. Die Bewegung i&#x017F;t al&#x017F;o nicht als Produkt, &#x017F;ondern als <hi rendition="#b">Matrir</hi> der Welt anzu&#x017F;ehen; &#x017F;ie i&#x017F;t ein Ingrediens der Be&#x017F;tandtheile jedes Atoms, dem Bewegung nach allen Gegenden von Natur we&#x017F;entlich eigen i&#x017F;t. I&#x017F;t die Bewegung des Atoms nach allen Gegenden zugleich und gleich &#x017F;tark vorhanden, &#x017F;o zeigt &#x017F;ich zwar <hi rendition="#b">&#x017F;cheinbare Ruhe,</hi> welche aber nichts anders, als ein Produkt mehrerer Bewegungen i&#x017F;t, und al&#x017F;o der Bewegung &#x017F;elb&#x017F;t nicht entgegenge&#x017F;etzt werden kan. Wahre Ruhe ko&#x0364;mmt in der ganzen Welt nicht vor.</p>
          <p>Um nun die Bewegung eines geworfenen Steins zu erkla&#x0364;ren, &#x017F;agt Hr. Sack, es werde die der Hand ebenfalls we&#x017F;entlich eigne Bewegung nach allen Gegenden, mit einer der Bewegungen des Steins vereiniget, und nun verla&#x017F;&#x017F;e er die vorige &#x017F;cheinbare Ruhe. Wegen der Vereinigung mit der Hand ko&#x0364;nne er nun auch die be&#x017F;timmte Bewegung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[324/0338] Art zu wirken der Menſch in dieſem Leben nie durchſchauen wird. Dies iſt es, was ich im Allgemeinen uͤber die Urſachen der Entſtehung und Aenderung der Bewegungen zu ſagen weiß. Ich geſtehe gern, daß es nicht viel ſey; inzwiſchen iſt es mit keinen aus der Luft gegriffenen Hypotheſen vermiſcht, und zureichend, um die ganze Mechanik des Himmels und der Erde daraus herzuleiten. Andere glauben vielleicht, hierinn heller zu ſehen, und zum Beyſpiele hievon will ich aus Herr Lichtenbergs Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſik rc. (III. B. 2 St. S. 19 u. f.) mit wenigem anfuͤhren, was fuͤr Begriffe ſich ein neuerer phyſikaliſcher Schriftſteller (Geologie, oder Betrachtung der Erde, von F. W. Sack, koͤn. Hof- und Kriminalgerichtsrath, Breslau 1785. gr. 8.) von dem Urſprunge und der Natur der Bewegung mache. Der Begrif von Bewegung, ſagt Herr Sack, daß bey ihr ein Koͤrper ſeinen Ort aͤndert, iſt unzulaͤnglich; denn wenn ein Stein an einem Faden haͤngt, und dieſer nach einiger Zeit zerreißt, ſo iſt dies Zerreißen ein Produkt der Bewegung, und der Stein kan auch vor dem Zerreißen nicht in Ruhe am Faden geweſen ſeyn. Mit dem Druck iſt es eben ſo. Die Bewegung iſt alſo nicht als Produkt, ſondern als Matrir der Welt anzuſehen; ſie iſt ein Ingrediens der Beſtandtheile jedes Atoms, dem Bewegung nach allen Gegenden von Natur weſentlich eigen iſt. Iſt die Bewegung des Atoms nach allen Gegenden zugleich und gleich ſtark vorhanden, ſo zeigt ſich zwar ſcheinbare Ruhe, welche aber nichts anders, als ein Produkt mehrerer Bewegungen iſt, und alſo der Bewegung ſelbſt nicht entgegengeſetzt werden kan. Wahre Ruhe koͤmmt in der ganzen Welt nicht vor. Um nun die Bewegung eines geworfenen Steins zu erklaͤren, ſagt Hr. Sack, es werde die der Hand ebenfalls weſentlich eigne Bewegung nach allen Gegenden, mit einer der Bewegungen des Steins vereiniget, und nun verlaſſe er die vorige ſcheinbare Ruhe. Wegen der Vereinigung mit der Hand koͤnne er nun auch die beſtimmte Bewegung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/338
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/338>, abgerufen am 17.05.2024.