allen den wichtigen kleinen Umständen erfahren seyn, welche mit der Materie, die ihn beschäftiget, mit den Werkzeugen und der besondern Behandlung derselben in Verbindung stehen, und sich durch Uebung und Wiederholung der guten Beobachtungen großer Männer eine praktische Geschicklichkeit im Beobachten erworben haben. Weder allzulebhafte, noch allzuträge Köpfe können vorzüglichen Anspruch auf Talente zur Beobachtung machen. Jene sehen alles mit einem Blicke, und halten für handgreiflich, was kaum wahrscheinlich ist; diese verlieren Zeit und Gelegenheit über allzulangen Zweifeln, trauen ihren eignen Wahrnehmungen nicht, fürchten die Mühe, und können besser Schiedsrichter bey fremden Beobachtungen, als selbst Beobachter seyn.
Beym Beobachten selbst muß man sich den Weg durch eine gute Methode zu verkürzen suchen, große und zusammengesetzte Gegenstände in Theile zerlegen, und unter diesen diejenigen auszuwählen wissen, an deren Ergründung das meiste gelegen ist. So verfuhr Newton bey seinen Beobachtungen über das Licht, wobey er bald die verschiedne Brechbarkeit der Stralen für den Umstand erkannte, der der Untersuchung vor andern würdig sey. Eine gute Methode führt oft zu Entdeckungen, die man sonst nicht gemacht hätte, leitet auf die Mittel, das zu erkennen, was man sucht, und sichert für der Gefahr, etwas Wichtiges zu übersehen. Die besten Beobachter haben sich im Anfange ihrer Untersuchungen methodisch geordnete Fragen vorgelegt, und nach diesen den Plan zu ihren Beobachtungen entworfen.
Der Beobachter muß ferner die Beschaffenheit seiner sinnlichen Werkzeuge, z. B. die Güte seiner Augen, die Entfernung, in der er deutlich sieht rc. genau kennen, so wie die Mittel, sie auf die vortheilhafteste Art zu brauchen, die günstigsten Zeitpunkte für dieselben, und die Hindernisse, die ihrer Vollkommenheit entgegenstehen. Das Zeugniß gut beschaffener und geübter Sinne führt selten in Irrthum, wenn anders der Beobachter die Theorie des Sinns wohl kennt, und weiß, wie er über die Empfindungen,
allen den wichtigen kleinen Umſtaͤnden erfahren ſeyn, welche mit der Materie, die ihn beſchaͤftiget, mit den Werkzeugen und der beſondern Behandlung derſelben in Verbindung ſtehen, und ſich durch Uebung und Wiederholung der guten Beobachtungen großer Maͤnner eine praktiſche Geſchicklichkeit im Beobachten erworben haben. Weder allzulebhafte, noch allzutraͤge Koͤpfe koͤnnen vorzuͤglichen Anſpruch auf Talente zur Beobachtung machen. Jene ſehen alles mit einem Blicke, und halten fuͤr handgreiflich, was kaum wahrſcheinlich iſt; dieſe verlieren Zeit und Gelegenheit uͤber allzulangen Zweifeln, trauen ihren eignen Wahrnehmungen nicht, fuͤrchten die Muͤhe, und koͤnnen beſſer Schiedsrichter bey fremden Beobachtungen, als ſelbſt Beobachter ſeyn.
Beym Beobachten ſelbſt muß man ſich den Weg durch eine gute Methode zu verkuͤrzen ſuchen, große und zuſammengeſetzte Gegenſtaͤnde in Theile zerlegen, und unter dieſen diejenigen auszuwaͤhlen wiſſen, an deren Ergruͤndung das meiſte gelegen iſt. So verfuhr Newton bey ſeinen Beobachtungen uͤber das Licht, wobey er bald die verſchiedne Brechbarkeit der Stralen fuͤr den Umſtand erkannte, der der Unterſuchung vor andern wuͤrdig ſey. Eine gute Methode fuͤhrt oft zu Entdeckungen, die man ſonſt nicht gemacht haͤtte, leitet auf die Mittel, das zu erkennen, was man ſucht, und ſichert fuͤr der Gefahr, etwas Wichtiges zu uͤberſehen. Die beſten Beobachter haben ſich im Anfange ihrer Unterſuchungen methodiſch geordnete Fragen vorgelegt, und nach dieſen den Plan zu ihren Beobachtungen entworfen.
Der Beobachter muß ferner die Beſchaffenheit ſeiner ſinnlichen Werkzeuge, z. B. die Guͤte ſeiner Augen, die Entfernung, in der er deutlich ſieht rc. genau kennen, ſo wie die Mittel, ſie auf die vortheilhafteſte Art zu brauchen, die guͤnſtigſten Zeitpunkte fuͤr dieſelben, und die Hinderniſſe, die ihrer Vollkommenheit entgegenſtehen. Das Zeugniß gut beſchaffener und geuͤbter Sinne fuͤhrt ſelten in Irrthum, wenn anders der Beobachter die Theorie des Sinns wohl kennt, und weiß, wie er uͤber die Empfindungen,
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allen den wichtigen kleinen Umſtaͤnden erfahren ſeyn, welche mit der Materie, die ihn beſchaͤftiget, mit den Werkzeugen und der beſondern Behandlung derſelben in Verbindung ſtehen, und ſich durch Uebung und Wiederholung der guten Beobachtungen großer Maͤnner eine praktiſche Geſchicklichkeit im Beobachten erworben haben. Weder allzulebhafte, noch allzutraͤge Koͤpfe koͤnnen vorzuͤglichen Anſpruch auf Talente zur Beobachtung machen. Jene ſehen alles mit einem Blicke, und halten fuͤr handgreiflich, was kaum wahrſcheinlich iſt; dieſe verlieren Zeit und Gelegenheit uͤber allzulangen Zweifeln, trauen ihren eignen Wahrnehmungen nicht, fuͤrchten die Muͤhe, und koͤnnen beſſer Schiedsrichter bey fremden Beobachtungen, als ſelbſt Beobachter ſeyn.</p><p>Beym Beobachten ſelbſt muß man ſich den Weg durch eine gute Methode zu verkuͤrzen ſuchen, große und zuſammengeſetzte Gegenſtaͤnde in Theile zerlegen, und unter dieſen diejenigen auszuwaͤhlen wiſſen, an deren Ergruͤndung das meiſte gelegen iſt. So verfuhr Newton bey ſeinen Beobachtungen uͤber das Licht, wobey er bald die verſchiedne Brechbarkeit der Stralen fuͤr den Umſtand erkannte, der der Unterſuchung vor andern wuͤrdig ſey. Eine gute Methode fuͤhrt oft zu Entdeckungen, die man ſonſt nicht gemacht haͤtte, leitet auf die Mittel, das zu erkennen, was man ſucht, und ſichert fuͤr der Gefahr, etwas Wichtiges zu uͤberſehen. Die beſten Beobachter haben ſich im Anfange ihrer Unterſuchungen methodiſch geordnete Fragen vorgelegt, und nach dieſen den Plan zu ihren Beobachtungen entworfen.</p><p>Der Beobachter muß ferner die Beſchaffenheit ſeiner ſinnlichen Werkzeuge, z. B. die Guͤte ſeiner Augen, die Entfernung, in der er deutlich ſieht rc. genau kennen, ſo wie die Mittel, ſie auf die vortheilhafteſte Art zu brauchen, die guͤnſtigſten Zeitpunkte fuͤr dieſelben, und die Hinderniſſe, die ihrer Vollkommenheit entgegenſtehen. Das Zeugniß gut beſchaffener und geuͤbter Sinne fuͤhrt ſelten in Irrthum, wenn anders der Beobachter die Theorie des Sinns wohl kennt, und weiß, wie er uͤber die Empfindungen,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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allen den wichtigen kleinen Umſtaͤnden erfahren ſeyn, welche mit der Materie, die ihn beſchaͤftiget, mit den Werkzeugen und der beſondern Behandlung derſelben in Verbindung ſtehen, und ſich durch Uebung und Wiederholung der guten Beobachtungen großer Maͤnner eine praktiſche Geſchicklichkeit im Beobachten erworben haben. Weder allzulebhafte, noch allzutraͤge Koͤpfe koͤnnen vorzuͤglichen Anſpruch auf Talente zur Beobachtung machen. Jene ſehen alles mit einem Blicke, und halten fuͤr handgreiflich, was kaum wahrſcheinlich iſt; dieſe verlieren Zeit und Gelegenheit uͤber allzulangen Zweifeln, trauen ihren eignen Wahrnehmungen nicht, fuͤrchten die Muͤhe, und koͤnnen beſſer Schiedsrichter bey fremden Beobachtungen, als ſelbſt Beobachter ſeyn.
Beym Beobachten ſelbſt muß man ſich den Weg durch eine gute Methode zu verkuͤrzen ſuchen, große und zuſammengeſetzte Gegenſtaͤnde in Theile zerlegen, und unter dieſen diejenigen auszuwaͤhlen wiſſen, an deren Ergruͤndung das meiſte gelegen iſt. So verfuhr Newton bey ſeinen Beobachtungen uͤber das Licht, wobey er bald die verſchiedne Brechbarkeit der Stralen fuͤr den Umſtand erkannte, der der Unterſuchung vor andern wuͤrdig ſey. Eine gute Methode fuͤhrt oft zu Entdeckungen, die man ſonſt nicht gemacht haͤtte, leitet auf die Mittel, das zu erkennen, was man ſucht, und ſichert fuͤr der Gefahr, etwas Wichtiges zu uͤberſehen. Die beſten Beobachter haben ſich im Anfange ihrer Unterſuchungen methodiſch geordnete Fragen vorgelegt, und nach dieſen den Plan zu ihren Beobachtungen entworfen.
Der Beobachter muß ferner die Beſchaffenheit ſeiner ſinnlichen Werkzeuge, z. B. die Guͤte ſeiner Augen, die Entfernung, in der er deutlich ſieht rc. genau kennen, ſo wie die Mittel, ſie auf die vortheilhafteſte Art zu brauchen, die guͤnſtigſten Zeitpunkte fuͤr dieſelben, und die Hinderniſſe, die ihrer Vollkommenheit entgegenſtehen. Das Zeugniß gut beſchaffener und geuͤbter Sinne fuͤhrt ſelten in Irrthum, wenn anders der Beobachter die Theorie des Sinns wohl kennt, und weiß, wie er uͤber die Empfindungen,
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/306>, abgerufen am 23.11.2024.
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