Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Die Gestalt der Sonnenatmosphäre muß, den Erscheinungen des Thierkreislichts zufolge, ein sehr abgeplattetes Sphäroid seyn, oder einer auf beyden Seiten erhabnen Glaslinse gleichen. Wir sehen das Thierkreislicht stets unter der Gestalt eines zugespitzten Streifens, wie etwa ACB Taf. II. Fig. 26. (fuseau), und es giebt keinen runden Körper, der so erschiene, als das linsenförmige Sphäroid, wenn es aus der Ebne seines größten Kreises betrachtet wird. Nach Cassini Beobachtungen ist diese Ebne die Ebne des Sonnenäquators, oder der Umdrehung der Sonne um ihre Axe, gegen welche, wie die Beobachtungen der Sonnenflecken längst gelehrt haben, die Ebne der Erdbahn unter einem Winkel von 7 1/2 Grad geneigt ist. Sehr wahrscheinlich wird also die starke Abplattung der Sonnenatmosphäre durch die Umwälzung der Sonne um ihre Axe eben so verursacht, wie die Abplattung der Erde selbst und ihres Luftkreises durch die tägliche Umdrehung der Erde veranlasset wird; und die Stärke dieser Abplattung zeigt eine ungemeine Feinheit und Leichtigkeit der Materie des Thierkreislichts an. Da die Erdbahn mit der Ebne des Sonnenäquators nur einen sehr kleinen Winkel macht, so können wir nie in Lagen kommen, in welchen uns dieses Sphäroid anders, als in der Form einer zugespitzten Säule erschiene; da es sonst, aus einem Punkte in der Axe gesehen, als ein Kreis um die Sonne erscheinen müste. Wie weit sich diese Sonnenatmosphäre erstrecke, kan aus der Weite geschlossen werden, um welche die Spitze des Thierkreislichts von dem scheinbaren Orte der Sonne absteht. Beträgt diese Weite 90°, so muß sich die Sonnenatmosphäre bis an die Erdbahn erstrecken; beträgt sie noch mehr, so muß die letztere sogar bis über die Erdbahn hinausgehen. Da man nun die gedachte Weite bisweilen 93, 95, 100 Grad gefunden hat, so läst sich hieraus folgern, daß der Umfang der Sonnenatmosphäre sich zu
Die Geſtalt der Sonnenatmoſphaͤre muß, den Erſcheinungen des Thierkreislichts zufolge, ein ſehr abgeplattetes Sphaͤroid ſeyn, oder einer auf beyden Seiten erhabnen Glaslinſe gleichen. Wir ſehen das Thierkreislicht ſtets unter der Geſtalt eines zugeſpitzten Streifens, wie etwa ACB Taf. II. Fig. 26. (fuſeau), und es giebt keinen runden Koͤrper, der ſo erſchiene, als das linſenfoͤrmige Sphaͤroid, wenn es aus der Ebne ſeines groͤßten Kreiſes betrachtet wird. Nach Caſſini Beobachtungen iſt dieſe Ebne die Ebne des Sonnenaͤquators, oder der Umdrehung der Sonne um ihre Axe, gegen welche, wie die Beobachtungen der Sonnenflecken laͤngſt gelehrt haben, die Ebne der Erdbahn unter einem Winkel von 7 1/2 Grad geneigt iſt. Sehr wahrſcheinlich wird alſo die ſtarke Abplattung der Sonnenatmoſphaͤre durch die Umwaͤlzung der Sonne um ihre Axe eben ſo verurſacht, wie die Abplattung der Erde ſelbſt und ihres Luftkreiſes durch die taͤgliche Umdrehung der Erde veranlaſſet wird; und die Staͤrke dieſer Abplattung zeigt eine ungemeine Feinheit und Leichtigkeit der Materie des Thierkreislichts an. Da die Erdbahn mit der Ebne des Sonnenaͤquators nur einen ſehr kleinen Winkel macht, ſo koͤnnen wir nie in Lagen kommen, in welchen uns dieſes Sphaͤroid anders, als in der Form einer zugeſpitzten Saͤule erſchiene; da es ſonſt, aus einem Punkte in der Axe geſehen, als ein Kreis um die Sonne erſcheinen muͤſte. Wie weit ſich dieſe Sonnenatmoſphaͤre erſtrecke, kan aus der Weite geſchloſſen werden, um welche die Spitze des Thierkreislichts von dem ſcheinbaren Orte der Sonne abſteht. Betraͤgt dieſe Weite 90°, ſo muß ſich die Sonnenatmoſphaͤre bis an die Erdbahn erſtrecken; betraͤgt ſie noch mehr, ſo muß die letztere ſogar bis uͤber die Erdbahn hinausgehen. Da man nun die gedachte Weite bisweilen 93, 95, 100 Grad gefunden hat, ſo laͤſt ſich hieraus folgern, daß der Umfang der Sonnenatmoſphaͤre ſich zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0173" xml:id="P.1.159" n="159"/><lb/> nur, daß ſie leuchtet und durchſichtig iſt; ihr Licht kan entweder ihr eigen ſeyn, oder davon herkommen, daß ihre Theilchen einen Theil des Sonnenlichts zuruͤckwerfen.</p> <p>Die Geſtalt der Sonnenatmoſphaͤre muß, den Erſcheinungen des Thierkreislichts zufolge, ein ſehr abgeplattetes Sphaͤroid ſeyn, oder einer auf beyden Seiten erhabnen Glaslinſe gleichen. Wir ſehen das Thierkreislicht ſtets unter der Geſtalt eines zugeſpitzten Streifens, wie etwa <hi rendition="#aq">ACB</hi> Taf. <hi rendition="#aq">II.</hi> Fig. <hi rendition="#aq">26. (<hi rendition="#i">fuſeau</hi>),</hi> und es giebt keinen runden Koͤrper, der ſo erſchiene, als das linſenfoͤrmige Sphaͤroid, wenn es aus der Ebne ſeines groͤßten Kreiſes betrachtet wird. Nach <hi rendition="#b">Caſſini</hi> Beobachtungen iſt dieſe Ebne die Ebne des Sonnenaͤquators, oder der Umdrehung der Sonne um ihre Axe, gegen welche, wie die Beobachtungen der Sonnenflecken laͤngſt gelehrt haben, die Ebne der Erdbahn unter einem Winkel von 7 1/2 Grad geneigt iſt. Sehr wahrſcheinlich wird alſo die ſtarke Abplattung der Sonnenatmoſphaͤre durch die Umwaͤlzung der Sonne um ihre Axe eben ſo verurſacht, wie die Abplattung der Erde ſelbſt und ihres Luftkreiſes durch die taͤgliche Umdrehung der Erde veranlaſſet wird; und die Staͤrke dieſer Abplattung zeigt eine ungemeine Feinheit und Leichtigkeit der Materie des Thierkreislichts an. Da die Erdbahn mit der Ebne des Sonnenaͤquators nur einen ſehr kleinen Winkel macht, ſo koͤnnen wir nie in Lagen kommen, in welchen uns dieſes Sphaͤroid anders, als in der Form einer zugeſpitzten Saͤule erſchiene; da es ſonſt, aus einem Punkte in der Axe geſehen, als ein Kreis um die Sonne erſcheinen muͤſte.</p> <p>Wie weit ſich dieſe Sonnenatmoſphaͤre erſtrecke, kan aus der Weite geſchloſſen werden, um welche die Spitze des Thierkreislichts von dem ſcheinbaren Orte der Sonne abſteht. Betraͤgt dieſe Weite 90°, ſo muß ſich die Sonnenatmoſphaͤre bis an die Erdbahn erſtrecken; betraͤgt ſie noch mehr, ſo muß die letztere ſogar bis uͤber die Erdbahn hinausgehen. Da man nun die gedachte Weite bisweilen 93, 95, 100 Grad gefunden hat, ſo laͤſt ſich hieraus folgern, daß der Umfang der Sonnenatmoſphaͤre ſich zu<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [159/0173]
nur, daß ſie leuchtet und durchſichtig iſt; ihr Licht kan entweder ihr eigen ſeyn, oder davon herkommen, daß ihre Theilchen einen Theil des Sonnenlichts zuruͤckwerfen.
Die Geſtalt der Sonnenatmoſphaͤre muß, den Erſcheinungen des Thierkreislichts zufolge, ein ſehr abgeplattetes Sphaͤroid ſeyn, oder einer auf beyden Seiten erhabnen Glaslinſe gleichen. Wir ſehen das Thierkreislicht ſtets unter der Geſtalt eines zugeſpitzten Streifens, wie etwa ACB Taf. II. Fig. 26. (fuſeau), und es giebt keinen runden Koͤrper, der ſo erſchiene, als das linſenfoͤrmige Sphaͤroid, wenn es aus der Ebne ſeines groͤßten Kreiſes betrachtet wird. Nach Caſſini Beobachtungen iſt dieſe Ebne die Ebne des Sonnenaͤquators, oder der Umdrehung der Sonne um ihre Axe, gegen welche, wie die Beobachtungen der Sonnenflecken laͤngſt gelehrt haben, die Ebne der Erdbahn unter einem Winkel von 7 1/2 Grad geneigt iſt. Sehr wahrſcheinlich wird alſo die ſtarke Abplattung der Sonnenatmoſphaͤre durch die Umwaͤlzung der Sonne um ihre Axe eben ſo verurſacht, wie die Abplattung der Erde ſelbſt und ihres Luftkreiſes durch die taͤgliche Umdrehung der Erde veranlaſſet wird; und die Staͤrke dieſer Abplattung zeigt eine ungemeine Feinheit und Leichtigkeit der Materie des Thierkreislichts an. Da die Erdbahn mit der Ebne des Sonnenaͤquators nur einen ſehr kleinen Winkel macht, ſo koͤnnen wir nie in Lagen kommen, in welchen uns dieſes Sphaͤroid anders, als in der Form einer zugeſpitzten Saͤule erſchiene; da es ſonſt, aus einem Punkte in der Axe geſehen, als ein Kreis um die Sonne erſcheinen muͤſte.
Wie weit ſich dieſe Sonnenatmoſphaͤre erſtrecke, kan aus der Weite geſchloſſen werden, um welche die Spitze des Thierkreislichts von dem ſcheinbaren Orte der Sonne abſteht. Betraͤgt dieſe Weite 90°, ſo muß ſich die Sonnenatmoſphaͤre bis an die Erdbahn erſtrecken; betraͤgt ſie noch mehr, ſo muß die letztere ſogar bis uͤber die Erdbahn hinausgehen. Da man nun die gedachte Weite bisweilen 93, 95, 100 Grad gefunden hat, ſo laͤſt ſich hieraus folgern, daß der Umfang der Sonnenatmoſphaͤre ſich zu
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