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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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Auf- und Untergehen der Gestirne zu bezeichnen. Dies haben noch zu den Zeiten der Griechen und Römer die Dichter und Schriftsteller vom Feldbau beybehalten. Es ist daher zur Erklärung der Alten nothwendig, die Tage des Jahres finden zu können, an welchen zu jeder Zeit und an jedem Orte ein gegebnes Gestirn akronyktisch u. s. w. auf- und untergegangen ist. Noch etwas hievon s. unter dem Artikel: Aufgang.

Akustik, Acustice, Acoustique.

Diesen Namen führt die Lehre vom Schall und Ton, welche zugleich die physikalischen und mathematischen Gründe der Musik in sich begreift. Der Name ist griechischen Ursprungs, und bedeutet: Gehörlehre.

Die mathematische Theorie der Musik hat schon die Alten beschäftiget. Man schreibt ihre Erfindung dem Pythagoras zu, welcher nach der Erzählung des Iamblichus in dem Klange der Schmiedehämmer Accorde bemerkt, und aus dem Gewichte der Hämmer die Verhältnisse derselben geschlossen haben soll. Es wird hinzugesetzt, er habe Saiten durch angehangene Gewichte von gleicher Größe mit den Gewichten der Hämmer gespannt, uud durch eben diese Accorde erhalten. Dieser Zusatz ist offenbar falsch, weil die Verhältnisse der Accorde oder Consonanzen (z. B. für die Octave 1:1/2) nicht Verhältnisse der Spannungen, sondern vielmehr der Längen der Saiten sind, und angehangene Gewichte, wenn sie Saiten von gleicher Länge zu einem Accorde spannen sollen, sich nicht, wie jene Längen, sondern umgekehrt, wie die Quadratzahlen derselben (für die Octave wie 1/4:1) verhalten müssen.

Die theoretischen Musiker der Alten haben sich in zwo Secten, die Pythagoräer und Aristoxenianer, getheilt. Jene sahen mit Recht auf die Zahl, welche die Verhältnisse der Accorde ausdrücken, hiengen aber an gewissen willkührlich angenommenen Sätzen, z. B. daß die Quarte über der Octave keine Consonanz gebe, weil ihr Verhältniß (1:3/8) nicht einfach genug sey. Diese verwarfen die Verhältnisse gänzlich, beriefen sich bloß auf


Auf- und Untergehen der Geſtirne zu bezeichnen. Dies haben noch zu den Zeiten der Griechen und Roͤmer die Dichter und Schriftſteller vom Feldbau beybehalten. Es iſt daher zur Erklaͤrung der Alten nothwendig, die Tage des Jahres finden zu koͤnnen, an welchen zu jeder Zeit und an jedem Orte ein gegebnes Geſtirn akronyktiſch u. ſ. w. auf- und untergegangen iſt. Noch etwas hievon ſ. unter dem Artikel: Aufgang.

Akuſtik, Acuſtice, Acouſtique.

Dieſen Namen fuͤhrt die Lehre vom Schall und Ton, welche zugleich die phyſikaliſchen und mathematiſchen Gruͤnde der Muſik in ſich begreift. Der Name iſt griechiſchen Urſprungs, und bedeutet: Gehoͤrlehre.

Die mathematiſche Theorie der Muſik hat ſchon die Alten beſchaͤftiget. Man ſchreibt ihre Erfindung dem Pythagoras zu, welcher nach der Erzaͤhlung des Iamblichus in dem Klange der Schmiedehaͤmmer Accorde bemerkt, und aus dem Gewichte der Haͤmmer die Verhaͤltniſſe derſelben geſchloſſen haben ſoll. Es wird hinzugeſetzt, er habe Saiten durch angehangene Gewichte von gleicher Groͤße mit den Gewichten der Haͤmmer geſpannt, uud durch eben dieſe Accorde erhalten. Dieſer Zuſatz iſt offenbar falſch, weil die Verhaͤltniſſe der Accorde oder Conſonanzen (z. B. fuͤr die Octave 1:1/2) nicht Verhaͤltniſſe der Spannungen, ſondern vielmehr der Laͤngen der Saiten ſind, und angehangene Gewichte, wenn ſie Saiten von gleicher Laͤnge zu einem Accorde ſpannen ſollen, ſich nicht, wie jene Laͤngen, ſondern umgekehrt, wie die Quadratzahlen derſelben (fuͤr die Octave wie 1/4:1) verhalten muͤſſen.

Die theoretiſchen Muſiker der Alten haben ſich in zwo Secten, die Pythagoraͤer und Ariſtoxenianer, getheilt. Jene ſahen mit Recht auf die Zahl, welche die Verhaͤltniſſe der Accorde ausdruͤcken, hiengen aber an gewiſſen willkuͤhrlich angenommenen Saͤtzen, z. B. daß die Quarte uͤber der Octave keine Conſonanz gebe, weil ihr Verhaͤltniß (1:3/8) nicht einfach genug ſey. Dieſe verwarfen die Verhaͤltniſſe gaͤnzlich, beriefen ſich bloß auf

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[89/0103] Auf- und Untergehen der Geſtirne zu bezeichnen. Dies haben noch zu den Zeiten der Griechen und Roͤmer die Dichter und Schriftſteller vom Feldbau beybehalten. Es iſt daher zur Erklaͤrung der Alten nothwendig, die Tage des Jahres finden zu koͤnnen, an welchen zu jeder Zeit und an jedem Orte ein gegebnes Geſtirn akronyktiſch u. ſ. w. auf- und untergegangen iſt. Noch etwas hievon ſ. unter dem Artikel: Aufgang. Akuſtik, Acuſtice, Acouſtique. Dieſen Namen fuͤhrt die Lehre vom Schall und Ton, welche zugleich die phyſikaliſchen und mathematiſchen Gruͤnde der Muſik in ſich begreift. Der Name iſt griechiſchen Urſprungs, und bedeutet: Gehoͤrlehre. Die mathematiſche Theorie der Muſik hat ſchon die Alten beſchaͤftiget. Man ſchreibt ihre Erfindung dem Pythagoras zu, welcher nach der Erzaͤhlung des Iamblichus in dem Klange der Schmiedehaͤmmer Accorde bemerkt, und aus dem Gewichte der Haͤmmer die Verhaͤltniſſe derſelben geſchloſſen haben ſoll. Es wird hinzugeſetzt, er habe Saiten durch angehangene Gewichte von gleicher Groͤße mit den Gewichten der Haͤmmer geſpannt, uud durch eben dieſe Accorde erhalten. Dieſer Zuſatz iſt offenbar falſch, weil die Verhaͤltniſſe der Accorde oder Conſonanzen (z. B. fuͤr die Octave 1:1/2) nicht Verhaͤltniſſe der Spannungen, ſondern vielmehr der Laͤngen der Saiten ſind, und angehangene Gewichte, wenn ſie Saiten von gleicher Laͤnge zu einem Accorde ſpannen ſollen, ſich nicht, wie jene Laͤngen, ſondern umgekehrt, wie die Quadratzahlen derſelben (fuͤr die Octave wie 1/4:1) verhalten muͤſſen. Die theoretiſchen Muſiker der Alten haben ſich in zwo Secten, die Pythagoraͤer und Ariſtoxenianer, getheilt. Jene ſahen mit Recht auf die Zahl, welche die Verhaͤltniſſe der Accorde ausdruͤcken, hiengen aber an gewiſſen willkuͤhrlich angenommenen Saͤtzen, z. B. daß die Quarte uͤber der Octave keine Conſonanz gebe, weil ihr Verhaͤltniß (1:3/8) nicht einfach genug ſey. Dieſe verwarfen die Verhaͤltniſſe gaͤnzlich, beriefen ſich bloß auf

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/103>, abgerufen am 02.05.2024.