Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueber die Prüfung
cher Verstand, ohne diesen Witz, hält keine an-
dern Ideen gegen einander, als wo sich schon aus
dem, was er von ihnen weiß, ihre Uebereinstim-
mung vorhersehen läßt, und wo es also bloß dar-
auf ankömmt, dieselbe auf etwas Bestimmtes und
Deutliches zu bringen. Auf diese Art verfährt
die kluge Vorsichtigkeit in den gewöhnlichen Ge-
schäften des gemeinen Lebens, und die bescheidene
Lehrbegierde in der Erlernung der Wissenschaften.
Diese Eigenschaften sichern den Menschen vor Ver-
wegenheit und Irrthum; aber sie machen ihn
auch zu großen Unternehmungen und zu neuen
Entdeckungen untüchtig. Wenn aber mit dem
Verstande sich der Witz vermählt, so wird der
erste beherzter und unternehmender. Er bekömmt
einen gewissen geheimen Zug, die unähnlichsten
Begriffe mit einander zu vergleichen, und die
entferntesten zusammenzubringen; das Feld seiner
Geschäftigkeit wird größer, die Vergleichung ge-
schieht schneller; die Verbindungen, die er macht,
werden mannichfaltiger und neuer.

Ueber die Pruͤfung
cher Verſtand, ohne dieſen Witz, haͤlt keine an-
dern Ideen gegen einander, als wo ſich ſchon aus
dem, was er von ihnen weiß, ihre Uebereinſtim-
mung vorherſehen laͤßt, und wo es alſo bloß dar-
auf ankoͤmmt, dieſelbe auf etwas Beſtimmtes und
Deutliches zu bringen. Auf dieſe Art verfaͤhrt
die kluge Vorſichtigkeit in den gewoͤhnlichen Ge-
ſchaͤften des gemeinen Lebens, und die beſcheidene
Lehrbegierde in der Erlernung der Wiſſenſchaften.
Dieſe Eigenſchaften ſichern den Menſchen vor Ver-
wegenheit und Irrthum; aber ſie machen ihn
auch zu großen Unternehmungen und zu neuen
Entdeckungen untuͤchtig. Wenn aber mit dem
Verſtande ſich der Witz vermaͤhlt, ſo wird der
erſte beherzter und unternehmender. Er bekoͤmmt
einen gewiſſen geheimen Zug, die unaͤhnlichſten
Begriffe mit einander zu vergleichen, und die
entfernteſten zuſammenzubringen; das Feld ſeiner
Geſchaͤftigkeit wird groͤßer, die Vergleichung ge-
ſchieht ſchneller; die Verbindungen, die er macht,
werden mannichfaltiger und neuer.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0098" n="92"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ueber die Pru&#x0364;fung</hi></fw><lb/>
cher Ver&#x017F;tand, ohne die&#x017F;en Witz, ha&#x0364;lt keine an-<lb/>
dern Ideen gegen einander, als wo &#x017F;ich &#x017F;chon aus<lb/>
dem, was er von ihnen weiß, ihre Ueberein&#x017F;tim-<lb/>
mung vorher&#x017F;ehen la&#x0364;ßt, und wo es al&#x017F;o bloß dar-<lb/>
auf anko&#x0364;mmt, die&#x017F;elbe auf etwas Be&#x017F;timmtes und<lb/>
Deutliches zu bringen. Auf die&#x017F;e Art verfa&#x0364;hrt<lb/>
die kluge Vor&#x017F;ichtigkeit in den gewo&#x0364;hnlichen Ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ften des gemeinen Lebens, und die be&#x017F;cheidene<lb/>
Lehrbegierde in der Erlernung der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften.<lb/>
Die&#x017F;e Eigen&#x017F;chaften &#x017F;ichern den Men&#x017F;chen vor Ver-<lb/>
wegenheit und Irrthum; aber &#x017F;ie machen ihn<lb/>
auch zu großen Unternehmungen und zu neuen<lb/>
Entdeckungen untu&#x0364;chtig. Wenn aber mit dem<lb/>
Ver&#x017F;tande &#x017F;ich der Witz verma&#x0364;hlt, &#x017F;o wird der<lb/>
er&#x017F;te beherzter und unternehmender. Er beko&#x0364;mmt<lb/>
einen gewi&#x017F;&#x017F;en geheimen Zug, die una&#x0364;hnlich&#x017F;ten<lb/>
Begriffe mit einander zu vergleichen, und die<lb/>
entfernte&#x017F;ten zu&#x017F;ammenzubringen; das Feld &#x017F;einer<lb/>
Ge&#x017F;cha&#x0364;ftigkeit wird gro&#x0364;ßer, die Vergleichung ge-<lb/>
&#x017F;chieht &#x017F;chneller; die Verbindungen, die er macht,<lb/>
werden mannichfaltiger und neuer.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0098] Ueber die Pruͤfung cher Verſtand, ohne dieſen Witz, haͤlt keine an- dern Ideen gegen einander, als wo ſich ſchon aus dem, was er von ihnen weiß, ihre Uebereinſtim- mung vorherſehen laͤßt, und wo es alſo bloß dar- auf ankoͤmmt, dieſelbe auf etwas Beſtimmtes und Deutliches zu bringen. Auf dieſe Art verfaͤhrt die kluge Vorſichtigkeit in den gewoͤhnlichen Ge- ſchaͤften des gemeinen Lebens, und die beſcheidene Lehrbegierde in der Erlernung der Wiſſenſchaften. Dieſe Eigenſchaften ſichern den Menſchen vor Ver- wegenheit und Irrthum; aber ſie machen ihn auch zu großen Unternehmungen und zu neuen Entdeckungen untuͤchtig. Wenn aber mit dem Verſtande ſich der Witz vermaͤhlt, ſo wird der erſte beherzter und unternehmender. Er bekoͤmmt einen gewiſſen geheimen Zug, die unaͤhnlichſten Begriffe mit einander zu vergleichen, und die entfernteſten zuſammenzubringen; das Feld ſeiner Geſchaͤftigkeit wird groͤßer, die Vergleichung ge- ſchieht ſchneller; die Verbindungen, die er macht, werden mannichfaltiger und neuer.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/98
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/98>, abgerufen am 05.05.2024.