Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.der Fähigkeiten. und beruht auf den Verhältnissen der Begriffe.Von dem bloß nachdenkenden Geiste wird der erste schwer gefaßt; er hat nichts, woran er sich hal- ten kann, und alles Vergoßne ist verloren. Aber der andre wird ihm leicht; er kömmt geschwind mit der Abstraction gewisser allgemeinen Regeln der Anordnung und Verbindung der Begriffe zu Stande, die er, ohne es zu wissen, bey der Er- klärung der Stellen zum Grunde legt, die er nicht nach den Bedeutungen aller einzelnen Wörter ver- steht; ein lebhaftes Gefühl vom Zusammenhange macht ihm beständig das Unrichtige oder das Mangelhafte seiner Erklärungen merklich, und hilft ihm oft zum voraus schon dasjenige muth- maßen, was er durch die Auslegung finden soll. Bey einer gewissen Fertigkeit in der Sprache, bey welcher er schon Versuche im Schreiben machen kann, wird es ihm oft an Wörtern und Ausdrücken fehlen, aber er wird dem Genie der Sprache we- niger Gewalt anthun; er wird viele von solchen Sprachfehlern begehen können, die bloß willkühr- liche Regeln der besondern Grammatik übertreten, der Faͤhigkeiten. und beruht auf den Verhaͤltniſſen der Begriffe.Von dem bloß nachdenkenden Geiſte wird der erſte ſchwer gefaßt; er hat nichts, woran er ſich hal- ten kann, und alles Vergoßne iſt verloren. Aber der andre wird ihm leicht; er koͤmmt geſchwind mit der Abſtraction gewiſſer allgemeinen Regeln der Anordnung und Verbindung der Begriffe zu Stande, die er, ohne es zu wiſſen, bey der Er- klaͤrung der Stellen zum Grunde legt, die er nicht nach den Bedeutungen aller einzelnen Woͤrter ver- ſteht; ein lebhaftes Gefuͤhl vom Zuſammenhange macht ihm beſtaͤndig das Unrichtige oder das Mangelhafte ſeiner Erklaͤrungen merklich, und hilft ihm oft zum voraus ſchon dasjenige muth- maßen, was er durch die Auslegung finden ſoll. Bey einer gewiſſen Fertigkeit in der Sprache, bey welcher er ſchon Verſuche im Schreiben machen kann, wird es ihm oft an Woͤrtern und Ausdruͤcken fehlen, aber er wird dem Genie der Sprache we- niger Gewalt anthun; er wird viele von ſolchen Sprachfehlern begehen koͤnnen, die bloß willkuͤhr- liche Regeln der beſondern Grammatik uͤbertreten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0081" n="75"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Faͤhigkeiten.</hi></fw><lb/> und beruht auf den Verhaͤltniſſen der Begriffe.<lb/> Von dem bloß nachdenkenden Geiſte wird der erſte<lb/> ſchwer gefaßt; er hat nichts, woran er ſich hal-<lb/> ten kann, und alles Vergoßne iſt verloren. Aber<lb/> der andre wird ihm leicht; er koͤmmt geſchwind<lb/> mit der Abſtraction gewiſſer allgemeinen Regeln<lb/> der Anordnung und Verbindung der Begriffe zu<lb/> Stande, die er, ohne es zu wiſſen, bey der Er-<lb/> klaͤrung der Stellen zum Grunde legt, die er nicht<lb/> nach den Bedeutungen aller einzelnen Woͤrter ver-<lb/> ſteht; ein lebhaftes Gefuͤhl vom Zuſammenhange<lb/> macht ihm beſtaͤndig das Unrichtige oder das<lb/> Mangelhafte ſeiner Erklaͤrungen merklich, und<lb/> hilft ihm oft zum voraus ſchon dasjenige muth-<lb/> maßen, was er durch die Auslegung finden ſoll.<lb/> Bey einer gewiſſen Fertigkeit in der Sprache, bey<lb/> welcher er ſchon Verſuche im Schreiben machen<lb/> kann, wird es ihm oft an Woͤrtern und Ausdruͤcken<lb/> fehlen, aber er wird dem Genie der Sprache we-<lb/> niger Gewalt anthun; er wird viele von ſolchen<lb/> Sprachfehlern begehen koͤnnen, die bloß willkuͤhr-<lb/> liche Regeln der beſondern Grammatik uͤbertreten,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [75/0081]
der Faͤhigkeiten.
und beruht auf den Verhaͤltniſſen der Begriffe.
Von dem bloß nachdenkenden Geiſte wird der erſte
ſchwer gefaßt; er hat nichts, woran er ſich hal-
ten kann, und alles Vergoßne iſt verloren. Aber
der andre wird ihm leicht; er koͤmmt geſchwind
mit der Abſtraction gewiſſer allgemeinen Regeln
der Anordnung und Verbindung der Begriffe zu
Stande, die er, ohne es zu wiſſen, bey der Er-
klaͤrung der Stellen zum Grunde legt, die er nicht
nach den Bedeutungen aller einzelnen Woͤrter ver-
ſteht; ein lebhaftes Gefuͤhl vom Zuſammenhange
macht ihm beſtaͤndig das Unrichtige oder das
Mangelhafte ſeiner Erklaͤrungen merklich, und
hilft ihm oft zum voraus ſchon dasjenige muth-
maßen, was er durch die Auslegung finden ſoll.
Bey einer gewiſſen Fertigkeit in der Sprache, bey
welcher er ſchon Verſuche im Schreiben machen
kann, wird es ihm oft an Woͤrtern und Ausdruͤcken
fehlen, aber er wird dem Genie der Sprache we-
niger Gewalt anthun; er wird viele von ſolchen
Sprachfehlern begehen koͤnnen, die bloß willkuͤhr-
liche Regeln der beſondern Grammatik uͤbertreten,
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