Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Ueber die Prüfung
vergißt, und die die andern nicht ergänzen können;
oder, weil er zu weit zu den Principien zurückgeht,
und seine Einbildungskraft erst durch eine Menge
von andern vorbereiten muß, deren Absicht man
nicht errathen kann.

So also zeigt sich diese Fähigkeit in dem Um-
gange und im gesellschaftlichen Leben.

Die höhern Verstandskräfte und den Geist
der Untersuchung durch die gewöhnlichen Aeuße-
rungen im gesellschaftlichen Leben kennen zu ler-
nen, ist schwer, weil er hier außer seiner ei-
gentlichen Sphäre ist, und ihn viele Hindernisse
entweder zurückhalten oder unbrauchbar ma-
chen; aber bey der Erlernung der Wissenschaf-
ten zeigt er sich uneingeschränkt und unverdun-
kelt.

Das erste Merkmal eines verständigen Lehr-
lings ist die Fähigkeit und die Neigung zu eignen
Betrachtungen. Die Verschiedenheit der mensch-
lichen Geister bringt unausbleiblich auch in ihre
ähnlichsten und übereinstimmendsten Begriffe eine
gewisse Verschiedenheit, sobald nur diese Begriffe

Ueber die Pruͤfung
vergißt, und die die andern nicht ergaͤnzen koͤnnen;
oder, weil er zu weit zu den Principien zuruͤckgeht,
und ſeine Einbildungskraft erſt durch eine Menge
von andern vorbereiten muß, deren Abſicht man
nicht errathen kann.

So alſo zeigt ſich dieſe Faͤhigkeit in dem Um-
gange und im geſellſchaftlichen Leben.

Die hoͤhern Verſtandskraͤfte und den Geiſt
der Unterſuchung durch die gewoͤhnlichen Aeuße-
rungen im geſellſchaftlichen Leben kennen zu ler-
nen, iſt ſchwer, weil er hier außer ſeiner ei-
gentlichen Sphaͤre iſt, und ihn viele Hinderniſſe
entweder zuruͤckhalten oder unbrauchbar ma-
chen; aber bey der Erlernung der Wiſſenſchaf-
ten zeigt er ſich uneingeſchraͤnkt und unverdun-
kelt.

Das erſte Merkmal eines verſtaͤndigen Lehr-
lings iſt die Faͤhigkeit und die Neigung zu eignen
Betrachtungen. Die Verſchiedenheit der menſch-
lichen Geiſter bringt unausbleiblich auch in ihre
aͤhnlichſten und uͤbereinſtimmendſten Begriffe eine
gewiſſe Verſchiedenheit, ſobald nur dieſe Begriffe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0078" n="72"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ueber die Pru&#x0364;fung</hi></fw><lb/>
vergißt, und die die andern nicht erga&#x0364;nzen ko&#x0364;nnen;<lb/>
oder, weil er zu weit zu den Principien zuru&#x0364;ckgeht,<lb/>
und &#x017F;eine Einbildungskraft er&#x017F;t durch eine Menge<lb/>
von andern vorbereiten muß, deren Ab&#x017F;icht man<lb/>
nicht errathen kann.</p><lb/>
        <p>So al&#x017F;o zeigt &#x017F;ich die&#x017F;e Fa&#x0364;higkeit in dem Um-<lb/>
gange und im ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Leben.</p><lb/>
        <p>Die ho&#x0364;hern Ver&#x017F;tandskra&#x0364;fte und den Gei&#x017F;t<lb/>
der Unter&#x017F;uchung durch die gewo&#x0364;hnlichen Aeuße-<lb/>
rungen im ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Leben kennen zu ler-<lb/>
nen, i&#x017F;t &#x017F;chwer, weil er hier außer &#x017F;einer ei-<lb/>
gentlichen Spha&#x0364;re i&#x017F;t, und ihn viele Hinderni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
entweder zuru&#x0364;ckhalten oder unbrauchbar ma-<lb/>
chen; aber bey der Erlernung der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaf-<lb/>
ten zeigt er &#x017F;ich uneinge&#x017F;chra&#x0364;nkt und unverdun-<lb/>
kelt.</p><lb/>
        <p>Das er&#x017F;te Merkmal eines ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen Lehr-<lb/>
lings i&#x017F;t die Fa&#x0364;higkeit und die Neigung zu eignen<lb/>
Betrachtungen. Die Ver&#x017F;chiedenheit der men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Gei&#x017F;ter bringt unausbleiblich auch in ihre<lb/>
a&#x0364;hnlich&#x017F;ten und u&#x0364;berein&#x017F;timmend&#x017F;ten Begriffe eine<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;e Ver&#x017F;chiedenheit, &#x017F;obald nur die&#x017F;e Begriffe<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0078] Ueber die Pruͤfung vergißt, und die die andern nicht ergaͤnzen koͤnnen; oder, weil er zu weit zu den Principien zuruͤckgeht, und ſeine Einbildungskraft erſt durch eine Menge von andern vorbereiten muß, deren Abſicht man nicht errathen kann. So alſo zeigt ſich dieſe Faͤhigkeit in dem Um- gange und im geſellſchaftlichen Leben. Die hoͤhern Verſtandskraͤfte und den Geiſt der Unterſuchung durch die gewoͤhnlichen Aeuße- rungen im geſellſchaftlichen Leben kennen zu ler- nen, iſt ſchwer, weil er hier außer ſeiner ei- gentlichen Sphaͤre iſt, und ihn viele Hinderniſſe entweder zuruͤckhalten oder unbrauchbar ma- chen; aber bey der Erlernung der Wiſſenſchaf- ten zeigt er ſich uneingeſchraͤnkt und unverdun- kelt. Das erſte Merkmal eines verſtaͤndigen Lehr- lings iſt die Faͤhigkeit und die Neigung zu eignen Betrachtungen. Die Verſchiedenheit der menſch- lichen Geiſter bringt unausbleiblich auch in ihre aͤhnlichſten und uͤbereinſtimmendſten Begriffe eine gewiſſe Verſchiedenheit, ſobald nur dieſe Begriffe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/78
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/78>, abgerufen am 04.05.2024.