Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

der Fähigkeiten.
keit der Bilder und die Genauigkeit des Ausdrucks
geschwinder einsehen, als die feinen Schönheiten
der Harmonie, die Uebereinstimmung des Ganzen,
oder den Ton, der überhaupt darinne herrscht.
Von einem Gemälde werden sie die dichterischen
Schönheiten weit eher als die mechanischen fin-
den; der Ausdruck der Leidenschaften wird von ih-
nen besser bemerkt werden, als die Wirkungen des
Lichts oder die Harmonie der Farben; und ihre
Entscheidung wird oft von des Malers seiner un-
terschieden seyn.

Unter diese Sachen, die nicht erklärt, sondern
nur gefühlt werden können, wie sie seyn müssen,
gehören fast die ganzen Gesetze des Wohlstandes
und der Lebensart; die Klugheit in den Geschäf-
ten des täglichen Lebens; die beständige Rücksicht
bey allem, was man sagt oder thut, auf die Cha-
raktere, die Verhältnisse und die Umstände der
Personen, mit denen man zu thun hat. In die-
sem allem wird unser junger Philosoph von dem
bloß gemeinen Verstande des andern übertroffen
werden.

der Faͤhigkeiten.
keit der Bilder und die Genauigkeit des Ausdrucks
geſchwinder einſehen, als die feinen Schoͤnheiten
der Harmonie, die Uebereinſtimmung des Ganzen,
oder den Ton, der uͤberhaupt darinne herrſcht.
Von einem Gemaͤlde werden ſie die dichteriſchen
Schoͤnheiten weit eher als die mechaniſchen fin-
den; der Ausdruck der Leidenſchaften wird von ih-
nen beſſer bemerkt werden, als die Wirkungen des
Lichts oder die Harmonie der Farben; und ihre
Entſcheidung wird oft von des Malers ſeiner un-
terſchieden ſeyn.

Unter dieſe Sachen, die nicht erklaͤrt, ſondern
nur gefuͤhlt werden koͤnnen, wie ſie ſeyn muͤſſen,
gehoͤren faſt die ganzen Geſetze des Wohlſtandes
und der Lebensart; die Klugheit in den Geſchaͤf-
ten des taͤglichen Lebens; die beſtaͤndige Ruͤckſicht
bey allem, was man ſagt oder thut, auf die Cha-
raktere, die Verhaͤltniſſe und die Umſtaͤnde der
Perſonen, mit denen man zu thun hat. In die-
ſem allem wird unſer junger Philoſoph von dem
bloß gemeinen Verſtande des andern uͤbertroffen
werden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0069" n="63"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Fa&#x0364;higkeiten.</hi></fw><lb/>
keit der Bilder und die Genauigkeit des Ausdrucks<lb/>
ge&#x017F;chwinder ein&#x017F;ehen, als die feinen Scho&#x0364;nheiten<lb/>
der Harmonie, die Ueberein&#x017F;timmung des Ganzen,<lb/>
oder den Ton, der u&#x0364;berhaupt darinne herr&#x017F;cht.<lb/>
Von einem Gema&#x0364;lde werden &#x017F;ie die dichteri&#x017F;chen<lb/>
Scho&#x0364;nheiten weit eher als die mechani&#x017F;chen fin-<lb/>
den; der Ausdruck der Leiden&#x017F;chaften wird von ih-<lb/>
nen be&#x017F;&#x017F;er bemerkt werden, als die Wirkungen des<lb/>
Lichts oder die Harmonie der Farben; und ihre<lb/>
Ent&#x017F;cheidung wird oft von des Malers &#x017F;einer un-<lb/>
ter&#x017F;chieden &#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p>Unter die&#x017F;e Sachen, die nicht erkla&#x0364;rt, &#x017F;ondern<lb/>
nur gefu&#x0364;hlt werden ko&#x0364;nnen, wie &#x017F;ie &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
geho&#x0364;ren fa&#x017F;t die ganzen Ge&#x017F;etze des Wohl&#x017F;tandes<lb/>
und der Lebensart; die Klugheit in den Ge&#x017F;cha&#x0364;f-<lb/>
ten des ta&#x0364;glichen Lebens; die be&#x017F;ta&#x0364;ndige Ru&#x0364;ck&#x017F;icht<lb/>
bey allem, was man &#x017F;agt oder thut, auf die Cha-<lb/>
raktere, die Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e und die Um&#x017F;ta&#x0364;nde der<lb/>
Per&#x017F;onen, mit denen man zu thun hat. In die-<lb/>
&#x017F;em allem wird un&#x017F;er junger Philo&#x017F;oph von dem<lb/>
bloß gemeinen Ver&#x017F;tande des andern u&#x0364;bertroffen<lb/>
werden.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0069] der Faͤhigkeiten. keit der Bilder und die Genauigkeit des Ausdrucks geſchwinder einſehen, als die feinen Schoͤnheiten der Harmonie, die Uebereinſtimmung des Ganzen, oder den Ton, der uͤberhaupt darinne herrſcht. Von einem Gemaͤlde werden ſie die dichteriſchen Schoͤnheiten weit eher als die mechaniſchen fin- den; der Ausdruck der Leidenſchaften wird von ih- nen beſſer bemerkt werden, als die Wirkungen des Lichts oder die Harmonie der Farben; und ihre Entſcheidung wird oft von des Malers ſeiner un- terſchieden ſeyn. Unter dieſe Sachen, die nicht erklaͤrt, ſondern nur gefuͤhlt werden koͤnnen, wie ſie ſeyn muͤſſen, gehoͤren faſt die ganzen Geſetze des Wohlſtandes und der Lebensart; die Klugheit in den Geſchaͤf- ten des taͤglichen Lebens; die beſtaͤndige Ruͤckſicht bey allem, was man ſagt oder thut, auf die Cha- raktere, die Verhaͤltniſſe und die Umſtaͤnde der Perſonen, mit denen man zu thun hat. In die- ſem allem wird unſer junger Philoſoph von dem bloß gemeinen Verſtande des andern uͤbertroffen werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/69
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/69>, abgerufen am 27.11.2024.