schwind, und wird also zur Satyre oder zur Spöt- terey mehr als andre Köpfe aufgelegt seyn. Eben dieser Geist der Beobachtung, der ihn fähig macht, selbst alle diese kleinen Verhältnisse zu wissen, um sie zu beobachten, macht ihn auch zu- gleich aufmerksam, wenn andre sie aus den Au- gen setzen.
Das Lächerliche ist das Ungereimte in Klei- nigkeiten. Eine Seele, die nur immer auf das Große, auf gewisse Hauptbegriffe, auf ganze Summen von Merkmalen geht, übersieht diese kleinen Mishelligkeiten oder vergißt sie augenblick- lich. Von dem andern, der nicht über die Sa- chen grübelt, sondern sie nur ansieht, werden sie gefaßt und behalten. Die Seele des ersten ist ein Maler, der die großen Züge allein abson- dert, und durch sie das Bild entwirft; die Seele des andern ist ein Spiegel, der die Sache ganz, wie sie ist, mit allen ihren kleinsten Flecken dar- stellt.
Die andere Gattung von Verstande, die rä- sonnirende, wenn ich so sagen darf, gehört ei-
Ueber die Pruͤfung
ſchwind, und wird alſo zur Satyre oder zur Spoͤt- terey mehr als andre Koͤpfe aufgelegt ſeyn. Eben dieſer Geiſt der Beobachtung, der ihn faͤhig macht, ſelbſt alle dieſe kleinen Verhaͤltniſſe zu wiſſen, um ſie zu beobachten, macht ihn auch zu- gleich aufmerkſam, wenn andre ſie aus den Au- gen ſetzen.
Das Laͤcherliche iſt das Ungereimte in Klei- nigkeiten. Eine Seele, die nur immer auf das Große, auf gewiſſe Hauptbegriffe, auf ganze Summen von Merkmalen geht, uͤberſieht dieſe kleinen Mishelligkeiten oder vergißt ſie augenblick- lich. Von dem andern, der nicht uͤber die Sa- chen gruͤbelt, ſondern ſie nur anſieht, werden ſie gefaßt und behalten. Die Seele des erſten iſt ein Maler, der die großen Zuͤge allein abſon- dert, und durch ſie das Bild entwirft; die Seele des andern iſt ein Spiegel, der die Sache ganz, wie ſie iſt, mit allen ihren kleinſten Flecken dar- ſtellt.
Die andere Gattung von Verſtande, die raͤ- ſonnirende, wenn ich ſo ſagen darf, gehoͤrt ei-
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Ueber die Pruͤfung
ſchwind, und wird alſo zur Satyre oder zur Spoͤt-
terey mehr als andre Koͤpfe aufgelegt ſeyn. Eben
dieſer Geiſt der Beobachtung, der ihn faͤhig
macht, ſelbſt alle dieſe kleinen Verhaͤltniſſe zu
wiſſen, um ſie zu beobachten, macht ihn auch zu-
gleich aufmerkſam, wenn andre ſie aus den Au-
gen ſetzen.
Das Laͤcherliche iſt das Ungereimte in Klei-
nigkeiten. Eine Seele, die nur immer auf das
Große, auf gewiſſe Hauptbegriffe, auf ganze
Summen von Merkmalen geht, uͤberſieht dieſe
kleinen Mishelligkeiten oder vergißt ſie augenblick-
lich. Von dem andern, der nicht uͤber die Sa-
chen gruͤbelt, ſondern ſie nur anſieht, werden ſie
gefaßt und behalten. Die Seele des erſten iſt
ein Maler, der die großen Zuͤge allein abſon-
dert, und durch ſie das Bild entwirft; die Seele
des andern iſt ein Spiegel, der die Sache ganz,
wie ſie iſt, mit allen ihren kleinſten Flecken dar-
ſtellt.
Die andere Gattung von Verſtande, die raͤ-
ſonnirende, wenn ich ſo ſagen darf, gehoͤrt ei-
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/64>, abgerufen am 23.11.2024.
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