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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Ueber die Prüfung
nicht nöthig, diese kleinen Umstände, die sie bloß
empfindet, und nach denen sie sich richtet, in Ge-
danken von den übrigen zu trennen und auszu-
drücken.

Und dieß ist drittens eben die Ursache, warum
diese Art von Köpfen weit eher zur Reise zu kom-
men scheint, als die andern. Ihr Verstand er-
scheint zugleich mit ihrer Einbildungskraft, und
diese ist eine unmittelbare Wirkung der Empfin-
dungen. Ueberdieß finden sie jeden Angenblick
und allenthalben Gegenstände, an denen sie ihn
üben; die Zerstreuungen und Zeitvertreibe, die
den Fortgang der übrigen Fähigkeiten verzögern,
sind so viele Gelegenheiten, diese zu schärfen.
Man wird also weit zeitiger von dieser Art von
Fähigkeit urtheilen können. Ein junger Mensch,
der im Umgange artig, in Gesellschaft klug und
vorsichtig, in Ausrichtung kleiner Geschäfte ge-
schickt und glücklich, aber ohne sonderlichen Ge-
schmack und Talente für die eigentlichen Wissen-
schaften ist; ein solcher junger Mensch hat die Art
von Verstand, davon wir reden.

Ueber die Pruͤfung
nicht noͤthig, dieſe kleinen Umſtaͤnde, die ſie bloß
empfindet, und nach denen ſie ſich richtet, in Ge-
danken von den uͤbrigen zu trennen und auszu-
druͤcken.

Und dieß iſt drittens eben die Urſache, warum
dieſe Art von Koͤpfen weit eher zur Reiſe zu kom-
men ſcheint, als die andern. Ihr Verſtand er-
ſcheint zugleich mit ihrer Einbildungskraft, und
dieſe iſt eine unmittelbare Wirkung der Empfin-
dungen. Ueberdieß finden ſie jeden Angenblick
und allenthalben Gegenſtaͤnde, an denen ſie ihn
uͤben; die Zerſtreuungen und Zeitvertreibe, die
den Fortgang der uͤbrigen Faͤhigkeiten verzoͤgern,
ſind ſo viele Gelegenheiten, dieſe zu ſchaͤrfen.
Man wird alſo weit zeitiger von dieſer Art von
Faͤhigkeit urtheilen koͤnnen. Ein junger Menſch,
der im Umgange artig, in Geſellſchaft klug und
vorſichtig, in Ausrichtung kleiner Geſchaͤfte ge-
ſchickt und gluͤcklich, aber ohne ſonderlichen Ge-
ſchmack und Talente fuͤr die eigentlichen Wiſſen-
ſchaften iſt; ein ſolcher junger Menſch hat die Art
von Verſtand, davon wir reden.

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[54/0060] Ueber die Pruͤfung nicht noͤthig, dieſe kleinen Umſtaͤnde, die ſie bloß empfindet, und nach denen ſie ſich richtet, in Ge- danken von den uͤbrigen zu trennen und auszu- druͤcken. Und dieß iſt drittens eben die Urſache, warum dieſe Art von Koͤpfen weit eher zur Reiſe zu kom- men ſcheint, als die andern. Ihr Verſtand er- ſcheint zugleich mit ihrer Einbildungskraft, und dieſe iſt eine unmittelbare Wirkung der Empfin- dungen. Ueberdieß finden ſie jeden Angenblick und allenthalben Gegenſtaͤnde, an denen ſie ihn uͤben; die Zerſtreuungen und Zeitvertreibe, die den Fortgang der uͤbrigen Faͤhigkeiten verzoͤgern, ſind ſo viele Gelegenheiten, dieſe zu ſchaͤrfen. Man wird alſo weit zeitiger von dieſer Art von Faͤhigkeit urtheilen koͤnnen. Ein junger Menſch, der im Umgange artig, in Geſellſchaft klug und vorſichtig, in Ausrichtung kleiner Geſchaͤfte ge- ſchickt und gluͤcklich, aber ohne ſonderlichen Ge- ſchmack und Talente fuͤr die eigentlichen Wiſſen- ſchaften iſt; ein ſolcher junger Menſch hat die Art von Verſtand, davon wir reden.

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/60>, abgerufen am 23.11.2024.