Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.der Fähigkeiten. keit der Einbildungskraft schließen, die ihre Wir-kungen äußert, ohne uns die Mittel dazu zu ent- decken. Diejenigen, deren Ideen bloß von der gegenwärtigen Empfindung bestimmt werden, ha- ben auch niemals andere Leidenschaften, als die aus ihrer wirklichen Verfassung und ihren Um- ständen entstehen. Wem aber die gütige Natur, außer der einen Welt, die sie seinem Sinne vor- gestellt hat, die Gabe verleiht, noch viele andere in sich selbst zu bauen, der verliert sich oft von den Dingen, die ihn umgeben, mit seinen Begierden eben so wohl als mit seinen Gedanken, und seine Vergnügungen und seine Schmerzen entstehen nicht bloß aus der Lage, die er in dieser Welt hat, sondern auch aus der, welche er in der von ihm erdichteten annimmt. In einem höhern Alter hat man so viele C 5
der Faͤhigkeiten. keit der Einbildungskraft ſchließen, die ihre Wir-kungen aͤußert, ohne uns die Mittel dazu zu ent- decken. Diejenigen, deren Ideen bloß von der gegenwaͤrtigen Empfindung beſtimmt werden, ha- ben auch niemals andere Leidenſchaften, als die aus ihrer wirklichen Verfaſſung und ihren Um- ſtaͤnden entſtehen. Wem aber die guͤtige Natur, außer der einen Welt, die ſie ſeinem Sinne vor- geſtellt hat, die Gabe verleiht, noch viele andere in ſich ſelbſt zu bauen, der verliert ſich oft von den Dingen, die ihn umgeben, mit ſeinen Begierden eben ſo wohl als mit ſeinen Gedanken, und ſeine Vergnuͤgungen und ſeine Schmerzen entſtehen nicht bloß aus der Lage, die er in dieſer Welt hat, ſondern auch aus der, welche er in der von ihm erdichteten annimmt. In einem hoͤhern Alter hat man ſo viele C 5
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der Faͤhigkeiten.
keit der Einbildungskraft ſchließen, die ihre Wir-
kungen aͤußert, ohne uns die Mittel dazu zu ent-
decken. Diejenigen, deren Ideen bloß von der
gegenwaͤrtigen Empfindung beſtimmt werden, ha-
ben auch niemals andere Leidenſchaften, als die
aus ihrer wirklichen Verfaſſung und ihren Um-
ſtaͤnden entſtehen. Wem aber die guͤtige Natur,
außer der einen Welt, die ſie ſeinem Sinne vor-
geſtellt hat, die Gabe verleiht, noch viele andere
in ſich ſelbſt zu bauen, der verliert ſich oft von den
Dingen, die ihn umgeben, mit ſeinen Begierden
eben ſo wohl als mit ſeinen Gedanken, und ſeine
Vergnuͤgungen und ſeine Schmerzen entſtehen
nicht bloß aus der Lage, die er in dieſer Welt hat,
ſondern auch aus der, welche er in der von ihm
erdichteten annimmt.
In einem hoͤhern Alter hat man ſo viele
Muͤhe nicht noͤthig, dieſe Kraft gleichſam auf der
That zu ertappen und ſie bey ihrer geheimen
Wirkſamkeit zu uͤberraſchen; man kann ſie als-
dann dazu auffodern, und ihr ſelbſt die Arbeiten
vorſchreiben, nach denen man ſie beurtheilen will.
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