Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueber den Einfluß einiger
tionen mögen nun zur Verbesserung oder Ver-
schlimmerung gereichen, so werden sie demjenigen
allemal Verderbnisse scheinen, der an die Neue-
rungen noch nicht gewöhnt ist. Freylich würde
unsre Sprache ganz anders seyn, wenn unsre
Nation, als die erste an Kultur und Künsten,
alles das aus sich selbst hervorgebracht hätte,
was ihr jezt von andern ist überliefert worden
anders würde sie seyn, wenn die Griechen und
Römer so unsre Nachbarn wären, wie jezt die
Franzosen und Engländer; anders endlich, wenn
die sprachverwandten nordischen Nationen ent-
weder vor uns oder mit uns zu gleicher Zeit durch
ihre Schriftsteller Aufsehen gemacht hätten. Viel-
leicht, wenn bey der Sache ja etwas zu bedauern
ist, so ist es dieß, daß wir gerade am meisten mit
Völkern in Verbindung gestanden, deren Sprache
so wenig mit der unsrigen gemein hat, und uns
niemals um diejenigen bekümmert haben, die un-
sre eigne älteste Sprache oder einen Dialekt der-
selben reden.

Ueber den Einfluß einiger
tionen moͤgen nun zur Verbeſſerung oder Ver-
ſchlimmerung gereichen, ſo werden ſie demjenigen
allemal Verderbniſſe ſcheinen, der an die Neue-
rungen noch nicht gewoͤhnt iſt. Freylich wuͤrde
unſre Sprache ganz anders ſeyn, wenn unſre
Nation, als die erſte an Kultur und Kuͤnſten,
alles das aus ſich ſelbſt hervorgebracht haͤtte,
was ihr jezt von andern iſt uͤberliefert worden
anders wuͤrde ſie ſeyn, wenn die Griechen und
Roͤmer ſo unſre Nachbarn waͤren, wie jezt die
Franzoſen und Englaͤnder; anders endlich, wenn
die ſprachverwandten nordiſchen Nationen ent-
weder vor uns oder mit uns zu gleicher Zeit durch
ihre Schriftſteller Aufſehen gemacht haͤtten. Viel-
leicht, wenn bey der Sache ja etwas zu bedauern
iſt, ſo iſt es dieß, daß wir gerade am meiſten mit
Voͤlkern in Verbindung geſtanden, deren Sprache
ſo wenig mit der unſrigen gemein hat, und uns
niemals um diejenigen bekuͤmmert haben, die un-
ſre eigne aͤlteſte Sprache oder einen Dialekt der-
ſelben reden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0468" n="462"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ueber den Einfluß einiger</hi></fw><lb/>
tionen mo&#x0364;gen nun zur Verbe&#x017F;&#x017F;erung oder Ver-<lb/>
&#x017F;chlimmerung gereichen, &#x017F;o werden &#x017F;ie demjenigen<lb/>
allemal Verderbni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;cheinen, der an die Neue-<lb/>
rungen noch nicht gewo&#x0364;hnt i&#x017F;t. Freylich wu&#x0364;rde<lb/>
un&#x017F;re Sprache ganz anders &#x017F;eyn, wenn un&#x017F;re<lb/>
Nation, als die er&#x017F;te an Kultur und Ku&#x0364;n&#x017F;ten,<lb/>
alles das aus &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t hervorgebracht ha&#x0364;tte,<lb/>
was ihr jezt von andern i&#x017F;t u&#x0364;berliefert worden<lb/>
anders wu&#x0364;rde &#x017F;ie &#x017F;eyn, wenn die Griechen und<lb/>
Ro&#x0364;mer &#x017F;o un&#x017F;re Nachbarn wa&#x0364;ren, wie jezt die<lb/>
Franzo&#x017F;en und Engla&#x0364;nder; anders endlich, wenn<lb/>
die &#x017F;prachverwandten nordi&#x017F;chen Nationen ent-<lb/>
weder vor uns oder mit uns zu gleicher Zeit durch<lb/>
ihre Schrift&#x017F;teller Auf&#x017F;ehen gemacht ha&#x0364;tten. Viel-<lb/>
leicht, wenn bey der Sache ja etwas zu bedauern<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t es dieß, daß wir gerade am mei&#x017F;ten mit<lb/>
Vo&#x0364;lkern in Verbindung ge&#x017F;tanden, deren Sprache<lb/>
&#x017F;o wenig mit der un&#x017F;rigen gemein hat, und uns<lb/>
niemals um diejenigen beku&#x0364;mmert haben, die un-<lb/>
&#x017F;re eigne a&#x0364;lte&#x017F;te Sprache oder einen Dialekt der-<lb/>
&#x017F;elben reden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[462/0468] Ueber den Einfluß einiger tionen moͤgen nun zur Verbeſſerung oder Ver- ſchlimmerung gereichen, ſo werden ſie demjenigen allemal Verderbniſſe ſcheinen, der an die Neue- rungen noch nicht gewoͤhnt iſt. Freylich wuͤrde unſre Sprache ganz anders ſeyn, wenn unſre Nation, als die erſte an Kultur und Kuͤnſten, alles das aus ſich ſelbſt hervorgebracht haͤtte, was ihr jezt von andern iſt uͤberliefert worden anders wuͤrde ſie ſeyn, wenn die Griechen und Roͤmer ſo unſre Nachbarn waͤren, wie jezt die Franzoſen und Englaͤnder; anders endlich, wenn die ſprachverwandten nordiſchen Nationen ent- weder vor uns oder mit uns zu gleicher Zeit durch ihre Schriftſteller Aufſehen gemacht haͤtten. Viel- leicht, wenn bey der Sache ja etwas zu bedauern iſt, ſo iſt es dieß, daß wir gerade am meiſten mit Voͤlkern in Verbindung geſtanden, deren Sprache ſo wenig mit der unſrigen gemein hat, und uns niemals um diejenigen bekuͤmmert haben, die un- ſre eigne aͤlteſte Sprache oder einen Dialekt der- ſelben reden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/468
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/468>, abgerufen am 06.05.2024.