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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Ueber den Einfluß einiger
merksam gemacht worden, der fand, wenn er
näher mit ihr bekannt ward, Schriftsteller und
Künstler, die Hochachtung und Bewunderung
verdienten. Die Veränderung war so plözlich,
so groß, daß sie nothwendig so wohl die Fran-
zosen selbst, als auch ihre Nachbarn in eine Art
von Betäubung setzen mußte, in welcher beide
nicht wußten, was sie von sich und was sie von
den andern zu halten hätten. Jene glaubten
getrost, daß sie die erste Nation auf der Welt
wären, und in der That hatten sie einigen An-
spruch auf diesen Namen.

Die deutsche Nation war damals noch ein
so zusammengeseztes, ungleichartiges Ganze, daß
das Urtheil über jene sehr verschieden ausfiel.
Alle, die durch ihren Rang oder ihre Theilneh-
mung an den öffentlichen Staatsgeschäften den
Glanz dieses erobernden und witzigen Volks mehr
in die Nähe sahen, und ihn mit der traurigen
Dunkelheit ihrer eigenen Nation verglichen, wel-
che nichts als Schulgelehrte aufweisen konnte;
die alle beeiferten sich, an diesem Glanze Theil

Ueber den Einfluß einiger
merkſam gemacht worden, der fand, wenn er
naͤher mit ihr bekannt ward, Schriftſteller und
Kuͤnſtler, die Hochachtung und Bewunderung
verdienten. Die Veraͤnderung war ſo ploͤzlich,
ſo groß, daß ſie nothwendig ſo wohl die Fran-
zoſen ſelbſt, als auch ihre Nachbarn in eine Art
von Betaͤubung ſetzen mußte, in welcher beide
nicht wußten, was ſie von ſich und was ſie von
den andern zu halten haͤtten. Jene glaubten
getroſt, daß ſie die erſte Nation auf der Welt
waͤren, und in der That hatten ſie einigen An-
ſpruch auf dieſen Namen.

Die deutſche Nation war damals noch ein
ſo zuſammengeſeztes, ungleichartiges Ganze, daß
das Urtheil uͤber jene ſehr verſchieden ausfiel.
Alle, die durch ihren Rang oder ihre Theilneh-
mung an den oͤffentlichen Staatsgeſchaͤften den
Glanz dieſes erobernden und witzigen Volks mehr
in die Naͤhe ſahen, und ihn mit der traurigen
Dunkelheit ihrer eigenen Nation verglichen, wel-
che nichts als Schulgelehrte aufweiſen konnte;
die alle beeiferten ſich, an dieſem Glanze Theil

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[446/0452] Ueber den Einfluß einiger merkſam gemacht worden, der fand, wenn er naͤher mit ihr bekannt ward, Schriftſteller und Kuͤnſtler, die Hochachtung und Bewunderung verdienten. Die Veraͤnderung war ſo ploͤzlich, ſo groß, daß ſie nothwendig ſo wohl die Fran- zoſen ſelbſt, als auch ihre Nachbarn in eine Art von Betaͤubung ſetzen mußte, in welcher beide nicht wußten, was ſie von ſich und was ſie von den andern zu halten haͤtten. Jene glaubten getroſt, daß ſie die erſte Nation auf der Welt waͤren, und in der That hatten ſie einigen An- ſpruch auf dieſen Namen. Die deutſche Nation war damals noch ein ſo zuſammengeſeztes, ungleichartiges Ganze, daß das Urtheil uͤber jene ſehr verſchieden ausfiel. Alle, die durch ihren Rang oder ihre Theilneh- mung an den oͤffentlichen Staatsgeſchaͤften den Glanz dieſes erobernden und witzigen Volks mehr in die Naͤhe ſahen, und ihn mit der traurigen Dunkelheit ihrer eigenen Nation verglichen, wel- che nichts als Schulgelehrte aufweiſen konnte; die alle beeiferten ſich, an dieſem Glanze Theil

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/452>, abgerufen am 06.05.2024.