das vollste Gnüge fand. Gedanken, die andern lebhaft werden sollen, müssen sich uns, zu der Zeit, da wir sie hervorbrachten, mit vorzüglicher Klarheit dargestellt haben. Und wenn die Hel- ligkeit der Begriffe den Leser vergnügen soll, bey dem sie doch durch die Verschiedenheit seiner Denkungsart etwas verdunkelt wird, wie sollte sie den Schriftsteller gleichgültig gelassen haben, bey dem sie in ihrem ersten Lichte strahlt! Wenn Begebenheiten zeitvertreibend oder rührend sind für diejenigen, die sie stückweise und nach und nach erfahren, wie vielmehr müssen sie denjeni- gen ergözt oder gerührt haben, der sie auf ein- mal übersah, und ihre Theile selbst ausbildete!
Die Aufmerksamkeit des Scribenten ist alle- mal größer, als die Aufmerksamkeit auch des be- sten Lesers. Was dieser nicht entwischen und doch nicht anstrengen soll, muß also jene noch weit stärker und mit größrer Leichtigkeit gefes- felt haben.
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uͤber das Intereſſirende.
das vollſte Gnuͤge fand. Gedanken, die andern lebhaft werden ſollen, muͤſſen ſich uns, zu der Zeit, da wir ſie hervorbrachten, mit vorzuͤglicher Klarheit dargeſtellt haben. Und wenn die Hel- ligkeit der Begriffe den Leſer vergnuͤgen ſoll, bey dem ſie doch durch die Verſchiedenheit ſeiner Denkungsart etwas verdunkelt wird, wie ſollte ſie den Schriftſteller gleichguͤltig gelaſſen haben, bey dem ſie in ihrem erſten Lichte ſtrahlt! Wenn Begebenheiten zeitvertreibend oder ruͤhrend ſind fuͤr diejenigen, die ſie ſtuͤckweiſe und nach und nach erfahren, wie vielmehr muͤſſen ſie denjeni- gen ergoͤzt oder geruͤhrt haben, der ſie auf ein- mal uͤberſah, und ihre Theile ſelbſt ausbildete!
Die Aufmerkſamkeit des Scribenten iſt alle- mal groͤßer, als die Aufmerkſamkeit auch des be- ſten Leſers. Was dieſer nicht entwiſchen und doch nicht anſtrengen ſoll, muß alſo jene noch weit ſtaͤrker und mit groͤßrer Leichtigkeit gefeſ- felt haben.
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uͤber das Intereſſirende.
das vollſte Gnuͤge fand. Gedanken, die andern
lebhaft werden ſollen, muͤſſen ſich uns, zu der
Zeit, da wir ſie hervorbrachten, mit vorzuͤglicher
Klarheit dargeſtellt haben. Und wenn die Hel-
ligkeit der Begriffe den Leſer vergnuͤgen ſoll, bey
dem ſie doch durch die Verſchiedenheit ſeiner
Denkungsart etwas verdunkelt wird, wie ſollte
ſie den Schriftſteller gleichguͤltig gelaſſen haben,
bey dem ſie in ihrem erſten Lichte ſtrahlt! Wenn
Begebenheiten zeitvertreibend oder ruͤhrend ſind
fuͤr diejenigen, die ſie ſtuͤckweiſe und nach und
nach erfahren, wie vielmehr muͤſſen ſie denjeni-
gen ergoͤzt oder geruͤhrt haben, der ſie auf ein-
mal uͤberſah, und ihre Theile ſelbſt ausbildete!
Die Aufmerkſamkeit des Scribenten iſt alle-
mal groͤßer, als die Aufmerkſamkeit auch des be-
ſten Leſers. Was dieſer nicht entwiſchen und
doch nicht anſtrengen ſoll, muß alſo jene noch
weit ſtaͤrker und mit groͤßrer Leichtigkeit gefeſ-
felt haben.
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/445>, abgerufen am 16.07.2024.
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