schichte wieder verjüngt zu sehen; Züge aus ei- nem verehrten alten Schriftsteller in einem unge- wohnten Glanze wiederzufinden; und ihnen viel- leicht zum erstenmale aus Empfindung den Bey- fall zu schenken, den wir ihnen bisher nur des Ansehns und des Alterthums wegen vergönnt hatten.
So wie die alten Dichter von Seiten des Reichthums und der Mannichfaltigkeit des Stoffs, unter dem sie zu wählen hatten, einge- schränkter waren als die unsrigen, indem ihnen so viel Jahrhunderte von Geschichten, merkwür- digen Personen und Kenntnissen fehlten: so wa- ren sie auf der andern Seite begünstigt durch die allgemeinere Bekanntschaft, in welcher die gerin- gere Anzahl von Personen, Begebenheiten und Schriften stand, aus welchen sie den Stoff oder wenigstens den Schmuck ihrer Gedichte hernah- men. Ihre Schilderungen hatten nicht immer das Verdienst der Neuheit, aber sie hatten das Verdienst, geschwinder verstanden und durch- gängiger gefühlt zu werden. Personen, Oerter,
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uͤber das Intereſſirende.
ſchichte wieder verjuͤngt zu ſehen; Zuͤge aus ei- nem verehrten alten Schriftſteller in einem unge- wohnten Glanze wiederzufinden; und ihnen viel- leicht zum erſtenmale aus Empfindung den Bey- fall zu ſchenken, den wir ihnen bisher nur des Anſehns und des Alterthums wegen vergoͤnnt hatten.
So wie die alten Dichter von Seiten des Reichthums und der Mannichfaltigkeit des Stoffs, unter dem ſie zu waͤhlen hatten, einge- ſchraͤnkter waren als die unſrigen, indem ihnen ſo viel Jahrhunderte von Geſchichten, merkwuͤr- digen Perſonen und Kenntniſſen fehlten: ſo wa- ren ſie auf der andern Seite beguͤnſtigt durch die allgemeinere Bekanntſchaft, in welcher die gerin- gere Anzahl von Perſonen, Begebenheiten und Schriften ſtand, aus welchen ſie den Stoff oder wenigſtens den Schmuck ihrer Gedichte hernah- men. Ihre Schilderungen hatten nicht immer das Verdienſt der Neuheit, aber ſie hatten das Verdienſt, geſchwinder verſtanden und durch- gaͤngiger gefuͤhlt zu werden. Perſonen, Oerter,
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uͤber das Intereſſirende.
ſchichte wieder verjuͤngt zu ſehen; Zuͤge aus ei-
nem verehrten alten Schriftſteller in einem unge-
wohnten Glanze wiederzufinden; und ihnen viel-
leicht zum erſtenmale aus Empfindung den Bey-
fall zu ſchenken, den wir ihnen bisher nur des
Anſehns und des Alterthums wegen vergoͤnnt
hatten.
So wie die alten Dichter von Seiten des
Reichthums und der Mannichfaltigkeit des
Stoffs, unter dem ſie zu waͤhlen hatten, einge-
ſchraͤnkter waren als die unſrigen, indem ihnen
ſo viel Jahrhunderte von Geſchichten, merkwuͤr-
digen Perſonen und Kenntniſſen fehlten: ſo wa-
ren ſie auf der andern Seite beguͤnſtigt durch die
allgemeinere Bekanntſchaft, in welcher die gerin-
gere Anzahl von Perſonen, Begebenheiten und
Schriften ſtand, aus welchen ſie den Stoff oder
wenigſtens den Schmuck ihrer Gedichte hernah-
men. Ihre Schilderungen hatten nicht immer
das Verdienſt der Neuheit, aber ſie hatten das
Verdienſt, geſchwinder verſtanden und durch-
gaͤngiger gefuͤhlt zu werden. Perſonen, Oerter,
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/443>, abgerufen am 22.11.2024.
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