Da dieser Schmuck so leicht der Wahrheit Ein- trag thut, so empfinden wir die überwundene Schwierigkeit, wenn beide glücklich vereinigt sind, und genießen das Vergnügen der Kunst. Da uns oft die Würde des Ausdrucks auf gemeine Wahrheit erst aufmerksam machen muß: so wer- den wir im Bilde gewahr, was uns im Original entwischte, und genießen also das Vergnügen an der Natur.
Den lezten Punkt des alten Plans, welche Leidenschaften zu erwecken am nüzlichsten seyn, halte ich für unnöthig zu berühren. Jede wohl- getroffene Schilderung hat den Nutzen, daß sie uns den Menschen kennen lehrt. Seine Leiden- schaften wechseln zwar in den verschiedenen Zeit- punkten vielleicht eben so ab, wie seine Krankhei- ten, und es scheint also am nüzlichsten zu seyn, jedesmal diejenigen zur öffentlichen Belehrung oder Warnung im Bilde auszustellen, zu denen die Versuchungen am größten, oder deren schlim- me Folgen die ausgebreitetsten sind. Allein, nach der Wahrheit und der Erfahrung, nüzt die Poesie
uͤber das Intereſſirende.
Da dieſer Schmuck ſo leicht der Wahrheit Ein- trag thut, ſo empfinden wir die uͤberwundene Schwierigkeit, wenn beide gluͤcklich vereinigt ſind, und genießen das Vergnuͤgen der Kunſt. Da uns oft die Wuͤrde des Ausdrucks auf gemeine Wahrheit erſt aufmerkſam machen muß: ſo wer- den wir im Bilde gewahr, was uns im Original entwiſchte, und genießen alſo das Vergnuͤgen an der Natur.
Den lezten Punkt des alten Plans, welche Leidenſchaften zu erwecken am nuͤzlichſten ſeyn, halte ich fuͤr unnoͤthig zu beruͤhren. Jede wohl- getroffene Schilderung hat den Nutzen, daß ſie uns den Menſchen kennen lehrt. Seine Leiden- ſchaften wechſeln zwar in den verſchiedenen Zeit- punkten vielleicht eben ſo ab, wie ſeine Krankhei- ten, und es ſcheint alſo am nuͤzlichſten zu ſeyn, jedesmal diejenigen zur oͤffentlichen Belehrung oder Warnung im Bilde auszuſtellen, zu denen die Verſuchungen am groͤßten, oder deren ſchlim- me Folgen die ausgebreitetſten ſind. Allein, nach der Wahrheit und der Erfahrung, nuͤzt die Poeſie
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uͤber das Intereſſirende.
Da dieſer Schmuck ſo leicht der Wahrheit Ein-
trag thut, ſo empfinden wir die uͤberwundene
Schwierigkeit, wenn beide gluͤcklich vereinigt ſind,
und genießen das Vergnuͤgen der Kunſt. Da
uns oft die Wuͤrde des Ausdrucks auf gemeine
Wahrheit erſt aufmerkſam machen muß: ſo wer-
den wir im Bilde gewahr, was uns im Original
entwiſchte, und genießen alſo das Vergnuͤgen an
der Natur.
Den lezten Punkt des alten Plans, welche
Leidenſchaften zu erwecken am nuͤzlichſten ſeyn,
halte ich fuͤr unnoͤthig zu beruͤhren. Jede wohl-
getroffene Schilderung hat den Nutzen, daß ſie
uns den Menſchen kennen lehrt. Seine Leiden-
ſchaften wechſeln zwar in den verſchiedenen Zeit-
punkten vielleicht eben ſo ab, wie ſeine Krankhei-
ten, und es ſcheint alſo am nuͤzlichſten zu ſeyn,
jedesmal diejenigen zur oͤffentlichen Belehrung
oder Warnung im Bilde auszuſtellen, zu denen
die Verſuchungen am groͤßten, oder deren ſchlim-
me Folgen die ausgebreitetſten ſind. Allein, nach
der Wahrheit und der Erfahrung, nuͤzt die Poeſie
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/433>, abgerufen am 25.11.2024.
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