nem Grade von Schrecken verbunden, und hat also noch eine Mischung von der Leidenschaft, aus welcher sie entstanden war. Fälle dieser Art wer- den auf dem Theater öfter als im menschlichen Leben vorkommen, denn sie fordern immer eine wunderbare Verwickelung, um dem Menschen den wahren Gegenstand seiner Liebe oder seines Hasses zu verbergen, oder um ihn auf eine Zeit- lang wider seine wirklichen Gesinnungen handeln zu lassen.
Ein dritter Streit ist zwischen zwo Leiden- schaften, welche sich zwar einander nicht aufheben, welche nicht einander entgegenstehen, aber die doch entgegenstehende Maaßregeln und eine doppelte Aufführung brauchen.
Wenn ein Mensch zwo Personen liebt, wel- che einander hassen; wenn er die Gunst zwoer Personen sucht, die entgegenstehende Unterneh- mungen haben, an welchen sie ihn wollen Theil nehmen lassen, wenn er in zweyfachen Verbindun- gen ist, die ihm beide theuer sind, und ihm also entgegenstehende Pflichten auflegen: dann
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uͤber das Intereſſirende.
nem Grade von Schrecken verbunden, und hat alſo noch eine Miſchung von der Leidenſchaft, aus welcher ſie entſtanden war. Faͤlle dieſer Art wer- den auf dem Theater oͤfter als im menſchlichen Leben vorkommen, denn ſie fordern immer eine wunderbare Verwickelung, um dem Menſchen den wahren Gegenſtand ſeiner Liebe oder ſeines Haſſes zu verbergen, oder um ihn auf eine Zeit- lang wider ſeine wirklichen Geſinnungen handeln zu laſſen.
Ein dritter Streit iſt zwiſchen zwo Leiden- ſchaften, welche ſich zwar einander nicht aufheben, welche nicht einander entgegenſtehen, aber die doch entgegenſtehende Maaßregeln und eine doppelte Auffuͤhrung brauchen.
Wenn ein Menſch zwo Perſonen liebt, wel- che einander haſſen; wenn er die Gunſt zwoer Perſonen ſucht, die entgegenſtehende Unterneh- mungen haben, an welchen ſie ihn wollen Theil nehmen laſſen, wenn er in zweyfachen Verbindun- gen iſt, die ihm beide theuer ſind, und ihm alſo entgegenſtehende Pflichten auflegen: dann
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uͤber das Intereſſirende.
nem Grade von Schrecken verbunden, und hat
alſo noch eine Miſchung von der Leidenſchaft, aus
welcher ſie entſtanden war. Faͤlle dieſer Art wer-
den auf dem Theater oͤfter als im menſchlichen
Leben vorkommen, denn ſie fordern immer eine
wunderbare Verwickelung, um dem Menſchen
den wahren Gegenſtand ſeiner Liebe oder ſeines
Haſſes zu verbergen, oder um ihn auf eine Zeit-
lang wider ſeine wirklichen Geſinnungen handeln
zu laſſen.
Ein dritter Streit iſt zwiſchen zwo Leiden-
ſchaften, welche ſich zwar einander nicht aufheben,
welche nicht einander entgegenſtehen, aber die doch
entgegenſtehende Maaßregeln und eine doppelte
Auffuͤhrung brauchen.
Wenn ein Menſch zwo Perſonen liebt, wel-
che einander haſſen; wenn er die Gunſt zwoer
Perſonen ſucht, die entgegenſtehende Unterneh-
mungen haben, an welchen ſie ihn wollen Theil
nehmen laſſen, wenn er in zweyfachen Verbindun-
gen iſt, die ihm beide theuer ſind, und ihm
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/351>, abgerufen am 22.11.2024.
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