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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Einige Gedanken
oder uns desselben erinnern. Aber davon ist
jezt die Rede nicht. Diese Maler der Wollust
also, auch der feinern gesitteten Wollust, errei-
chen doch ihren Zweck, gesezt er wäre auch der
edelste, am wenigsten. Es ist umsonst, seine
Seele in einen Zustand, der ganz leidend ist,
worinn sie nichts wirkt, sondern bloß Eindrücke
andrer Dinge empfängt, freywillig zu versetzen.
Nur die Freude, die geschäftig, behende, mit
Unternehmungen schwanger, voll großer Hof-
nungen ist; diese nur können wir bey uns selbst,
ohne sie zu fühlen, nachmachen: denn unsre
Kräfte zu Handlungen zu erwecken, haben wir
die Gewalt; aber Eindrücke hervorzubringen,
wenn die Gegenstände nicht da sind, haben wir
keine. Was die verschiedene Arten der Unlust
anbetrifft, so kömmt viel auf den Charakter des
Zuschauers an. Ein männlicher Geist wird
mehr Antheil an dem Zorne, und ein weiblicher
mehr Antheil an der Betrübniß nehmen. Jenes
scheint der Fall bey den Alten gewesen zu seyn:
deswegen konnten sie auch so schreckliche Ge-

Einige Gedanken
oder uns deſſelben erinnern. Aber davon iſt
jezt die Rede nicht. Dieſe Maler der Wolluſt
alſo, auch der feinern geſitteten Wolluſt, errei-
chen doch ihren Zweck, geſezt er waͤre auch der
edelſte, am wenigſten. Es iſt umſonſt, ſeine
Seele in einen Zuſtand, der ganz leidend iſt,
worinn ſie nichts wirkt, ſondern bloß Eindruͤcke
andrer Dinge empfaͤngt, freywillig zu verſetzen.
Nur die Freude, die geſchaͤftig, behende, mit
Unternehmungen ſchwanger, voll großer Hof-
nungen iſt; dieſe nur koͤnnen wir bey uns ſelbſt,
ohne ſie zu fuͤhlen, nachmachen: denn unſre
Kraͤfte zu Handlungen zu erwecken, haben wir
die Gewalt; aber Eindruͤcke hervorzubringen,
wenn die Gegenſtaͤnde nicht da ſind, haben wir
keine. Was die verſchiedene Arten der Unluſt
anbetrifft, ſo koͤmmt viel auf den Charakter des
Zuſchauers an. Ein maͤnnlicher Geiſt wird
mehr Antheil an dem Zorne, und ein weiblicher
mehr Antheil an der Betruͤbniß nehmen. Jenes
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[326/0332] Einige Gedanken oder uns deſſelben erinnern. Aber davon iſt jezt die Rede nicht. Dieſe Maler der Wolluſt alſo, auch der feinern geſitteten Wolluſt, errei- chen doch ihren Zweck, geſezt er waͤre auch der edelſte, am wenigſten. Es iſt umſonſt, ſeine Seele in einen Zuſtand, der ganz leidend iſt, worinn ſie nichts wirkt, ſondern bloß Eindruͤcke andrer Dinge empfaͤngt, freywillig zu verſetzen. Nur die Freude, die geſchaͤftig, behende, mit Unternehmungen ſchwanger, voll großer Hof- nungen iſt; dieſe nur koͤnnen wir bey uns ſelbſt, ohne ſie zu fuͤhlen, nachmachen: denn unſre Kraͤfte zu Handlungen zu erwecken, haben wir die Gewalt; aber Eindruͤcke hervorzubringen, wenn die Gegenſtaͤnde nicht da ſind, haben wir keine. Was die verſchiedene Arten der Unluſt anbetrifft, ſo koͤmmt viel auf den Charakter des Zuſchauers an. Ein maͤnnlicher Geiſt wird mehr Antheil an dem Zorne, und ein weiblicher mehr Antheil an der Betruͤbniß nehmen. Jenes ſcheint der Fall bey den Alten geweſen zu ſeyn: deswegen konnten ſie auch ſo ſchreckliche Ge-

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/332>, abgerufen am 23.11.2024.