die weichlich macht, die in dem Schatten der Ru- he und bey dem Genusse einschläfert.
Noch ist der Charakter der Leidenschaften an- ders, wenn bloß das Gute oder Böse erwartet wird, und anders wenn es nun kömmt.
Allgemeine Regeln zu geben, welche Leiden- schaften sich am leichtesten mittheilen lassen, mag vielleicht sehr mißlich seyn; aber jeder darf seine Erfahrungen anführen, und der Leser hat immer Vortheil, wenn er sie mit seinen eignen vergleicht.
Uns also scheint es 1) daß, insofern die Sympathie von den Vorstellungen der Seele her- kömmt, körperlicher Schmerz und Lust am wenig- sten Theilnehmung veranlassen. Vorstellen kön- nen wir sie uns wenig, wenn nicht der Körper hilft. Daher diejenigen, die von einem so festen Baue des Körper und so abgehärteten Fibern sind, daß von hieraus der Zugang zur Seele verschlossen ist, gesezt auch, daß sie das fühlbar- ste Herz haben, doch bey den körperlichen Leiden andrer, wenn nicht moralische dazu kommen, wenig empfinden. Das Unglück, woran wir
Einige Gedanken
die weichlich macht, die in dem Schatten der Ru- he und bey dem Genuſſe einſchlaͤfert.
Noch iſt der Charakter der Leidenſchaften an- ders, wenn bloß das Gute oder Boͤſe erwartet wird, und anders wenn es nun koͤmmt.
Allgemeine Regeln zu geben, welche Leiden- ſchaften ſich am leichteſten mittheilen laſſen, mag vielleicht ſehr mißlich ſeyn; aber jeder darf ſeine Erfahrungen anfuͤhren, und der Leſer hat immer Vortheil, wenn er ſie mit ſeinen eignen vergleicht.
Uns alſo ſcheint es 1) daß, inſofern die Sympathie von den Vorſtellungen der Seele her- koͤmmt, koͤrperlicher Schmerz und Luſt am wenig- ſten Theilnehmung veranlaſſen. Vorſtellen koͤn- nen wir ſie uns wenig, wenn nicht der Koͤrper hilft. Daher diejenigen, die von einem ſo feſten Baue des Koͤrper und ſo abgehaͤrteten Fibern ſind, daß von hieraus der Zugang zur Seele verſchloſſen iſt, geſezt auch, daß ſie das fuͤhlbar- ſte Herz haben, doch bey den koͤrperlichen Leiden andrer, wenn nicht moraliſche dazu kommen, wenig empfinden. Das Ungluͤck, woran wir
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Einige Gedanken
die weichlich macht, die in dem Schatten der Ru-
he und bey dem Genuſſe einſchlaͤfert.
Noch iſt der Charakter der Leidenſchaften an-
ders, wenn bloß das Gute oder Boͤſe erwartet
wird, und anders wenn es nun koͤmmt.
Allgemeine Regeln zu geben, welche Leiden-
ſchaften ſich am leichteſten mittheilen laſſen, mag
vielleicht ſehr mißlich ſeyn; aber jeder darf ſeine
Erfahrungen anfuͤhren, und der Leſer hat immer
Vortheil, wenn er ſie mit ſeinen eignen vergleicht.
Uns alſo ſcheint es 1) daß, inſofern die
Sympathie von den Vorſtellungen der Seele her-
koͤmmt, koͤrperlicher Schmerz und Luſt am wenig-
ſten Theilnehmung veranlaſſen. Vorſtellen koͤn-
nen wir ſie uns wenig, wenn nicht der Koͤrper
hilft. Daher diejenigen, die von einem ſo feſten
Baue des Koͤrper und ſo abgehaͤrteten Fibern
ſind, daß von hieraus der Zugang zur Seele
verſchloſſen iſt, geſezt auch, daß ſie das fuͤhlbar-
ſte Herz haben, doch bey den koͤrperlichen Leiden
andrer, wenn nicht moraliſche dazu kommen,
wenig empfinden. Das Ungluͤck, woran wir
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/330>, abgerufen am 25.11.2024.
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