Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.Einige Gedanken Gattung, als der interessantesten unter allen, las-sen sich die Regeln und Fehler in dieser Art am leichtesten abstrahiren) der Dichter lehret, anstatt daß die Personen sprechen sollen. Nichts störet die Täuschung mehr, als wenn wir anstatt solcher Gedanken, die bloß aus der Situation und dem Charakter des Redenden erwachsen konnten, dieje- nigen Betrachtungen hören, die einem wohlbele- senen Menschen bey Gelegenheit dieser Situation und dieses Charakters einfallen können. -- Aber nichts ist ergötzender und anziehender, als einen denkenden Mann in wichtigen Umständen seines Lebens seine Begriffe sowohl als seine Empfindun- gen entwickeln zu sehen; nichts ist interessanter, als diesen Streit der Vernunft mit den Leiden- schaften zu sehen, ich meyne zu sehen, wie durch die allgemeinen Begriffe, Grundsätze, Maximen, die eine Person in ihre gegenwärtige Lage mit- bringt, die besondern Eindrücke, welche dieselbe von den Vorfällen erhält, eingeschränkt werden, und wie hinwiederum die neuen Erfahrungen, die sie jezt macht, auf diese alten Ideen zurückwirken, Einige Gedanken Gattung, als der intereſſanteſten unter allen, laſ-ſen ſich die Regeln und Fehler in dieſer Art am leichteſten abſtrahiren) der Dichter lehret, anſtatt daß die Perſonen ſprechen ſollen. Nichts ſtoͤret die Taͤuſchung mehr, als wenn wir anſtatt ſolcher Gedanken, die bloß aus der Situation und dem Charakter des Redenden erwachſen konnten, dieje- nigen Betrachtungen hoͤren, die einem wohlbele- ſenen Menſchen bey Gelegenheit dieſer Situation und dieſes Charakters einfallen koͤnnen. — Aber nichts iſt ergoͤtzender und anziehender, als einen denkenden Mann in wichtigen Umſtaͤnden ſeines Lebens ſeine Begriffe ſowohl als ſeine Empfindun- gen entwickeln zu ſehen; nichts iſt intereſſanter, als dieſen Streit der Vernunft mit den Leiden- ſchaften zu ſehen, ich meyne zu ſehen, wie durch die allgemeinen Begriffe, Grundſaͤtze, Maximen, die eine Perſon in ihre gegenwaͤrtige Lage mit- bringt, die beſondern Eindruͤcke, welche dieſelbe von den Vorfaͤllen erhaͤlt, eingeſchraͤnkt werden, und wie hinwiederum die neuen Erfahrungen, die ſie jezt macht, auf dieſe alten Ideen zuruͤckwirken, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0304" n="298"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einige Gedanken</hi></fw><lb/> Gattung, als der intereſſanteſten unter allen, laſ-<lb/> ſen ſich die Regeln und Fehler in dieſer Art am<lb/> leichteſten abſtrahiren) der Dichter lehret, anſtatt<lb/> daß <hi rendition="#fr">die Perſonen</hi> ſprechen ſollen. Nichts ſtoͤret<lb/> die Taͤuſchung mehr, als wenn wir anſtatt ſolcher<lb/> Gedanken, die bloß aus der Situation und dem<lb/> Charakter des Redenden erwachſen konnten, dieje-<lb/> nigen Betrachtungen hoͤren, die einem wohlbele-<lb/> ſenen Menſchen bey Gelegenheit dieſer Situation<lb/> und dieſes Charakters einfallen koͤnnen. — Aber<lb/> nichts iſt ergoͤtzender und anziehender, als einen<lb/> denkenden Mann in wichtigen Umſtaͤnden ſeines<lb/> Lebens ſeine Begriffe ſowohl als ſeine Empfindun-<lb/> gen entwickeln zu ſehen; nichts iſt intereſſanter,<lb/> als dieſen Streit der Vernunft mit den Leiden-<lb/> ſchaften zu ſehen, ich meyne zu ſehen, wie durch<lb/> die allgemeinen Begriffe, Grundſaͤtze, Maximen,<lb/> die eine Perſon in ihre gegenwaͤrtige Lage mit-<lb/> bringt, die beſondern Eindruͤcke, welche dieſelbe<lb/> von den Vorfaͤllen erhaͤlt, eingeſchraͤnkt werden,<lb/> und wie hinwiederum die neuen Erfahrungen, die<lb/> ſie jezt macht, auf dieſe alten Ideen zuruͤckwirken,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [298/0304]
Einige Gedanken
Gattung, als der intereſſanteſten unter allen, laſ-
ſen ſich die Regeln und Fehler in dieſer Art am
leichteſten abſtrahiren) der Dichter lehret, anſtatt
daß die Perſonen ſprechen ſollen. Nichts ſtoͤret
die Taͤuſchung mehr, als wenn wir anſtatt ſolcher
Gedanken, die bloß aus der Situation und dem
Charakter des Redenden erwachſen konnten, dieje-
nigen Betrachtungen hoͤren, die einem wohlbele-
ſenen Menſchen bey Gelegenheit dieſer Situation
und dieſes Charakters einfallen koͤnnen. — Aber
nichts iſt ergoͤtzender und anziehender, als einen
denkenden Mann in wichtigen Umſtaͤnden ſeines
Lebens ſeine Begriffe ſowohl als ſeine Empfindun-
gen entwickeln zu ſehen; nichts iſt intereſſanter,
als dieſen Streit der Vernunft mit den Leiden-
ſchaften zu ſehen, ich meyne zu ſehen, wie durch
die allgemeinen Begriffe, Grundſaͤtze, Maximen,
die eine Perſon in ihre gegenwaͤrtige Lage mit-
bringt, die beſondern Eindruͤcke, welche dieſelbe
von den Vorfaͤllen erhaͤlt, eingeſchraͤnkt werden,
und wie hinwiederum die neuen Erfahrungen, die
ſie jezt macht, auf dieſe alten Ideen zuruͤckwirken,
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