Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Einige Gedanken
und unsere ganze Seele wird bey dem Anblicke in
eine Geschäftigkeit kommen, die sie an nichts wei-
ter denken läßt; der ganze Vorrath ihrer Ideen
wird sich, so zu sagen, in Bewegung setzen, und
das ganze System ihrer Empfindungen wird er-
schüttert werden. Mit dieser Saite ist unsere
ganze Seele harmonisch gestimmt. Alles, was
wir wissen, alles, was wir wollen, hat irgend
eine augenscheinliche oder geheime Beziehung auf
eine solche Schilderung. -- Wenn die Erscheinung
nicht so gewöhnlich wäre, so würde es uns wun-
derbar vorkommen müssen, daß der gemeinste elen-
deste Kopf unter den Zuschauern einer Minna,
der, wenn er einen Wirth, einen Major Tellheim,
einen Wachtmeister wie Paul Werner, selbst reden
lassen sollte, nicht ein Wort würde zu finden wis-
sen, wodurch sich diese Stände oder diese Charak-
tere unterschieden, doch, wenn diese Sprache von
dem Manne von Genie gefunden ist, sie sogleich
für die rechte eigentliche erkennt, und ihre Rich-
tigkeit gleichsam durch seine eignen Erinnerungen
bestätigt. -- Wie ist dieß anders möglich, als

Einige Gedanken
und unſere ganze Seele wird bey dem Anblicke in
eine Geſchaͤftigkeit kommen, die ſie an nichts wei-
ter denken laͤßt; der ganze Vorrath ihrer Ideen
wird ſich, ſo zu ſagen, in Bewegung ſetzen, und
das ganze Syſtem ihrer Empfindungen wird er-
ſchuͤttert werden. Mit dieſer Saite iſt unſere
ganze Seele harmoniſch geſtimmt. Alles, was
wir wiſſen, alles, was wir wollen, hat irgend
eine augenſcheinliche oder geheime Beziehung auf
eine ſolche Schilderung. — Wenn die Erſcheinung
nicht ſo gewoͤhnlich waͤre, ſo wuͤrde es uns wun-
derbar vorkommen muͤſſen, daß der gemeinſte elen-
deſte Kopf unter den Zuſchauern einer Minna,
der, wenn er einen Wirth, einen Major Tellheim,
einen Wachtmeiſter wie Paul Werner, ſelbſt reden
laſſen ſollte, nicht ein Wort wuͤrde zu finden wiſ-
ſen, wodurch ſich dieſe Staͤnde oder dieſe Charak-
tere unterſchieden, doch, wenn dieſe Sprache von
dem Manne von Genie gefunden iſt, ſie ſogleich
fuͤr die rechte eigentliche erkennt, und ihre Rich-
tigkeit gleichſam durch ſeine eignen Erinnerungen
beſtaͤtigt. — Wie iſt dieß anders moͤglich, als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0288" n="282"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einige Gedanken</hi></fw><lb/>
und un&#x017F;ere ganze Seele wird bey dem Anblicke in<lb/>
eine Ge&#x017F;cha&#x0364;ftigkeit kommen, die &#x017F;ie an nichts wei-<lb/>
ter denken la&#x0364;ßt; der ganze Vorrath ihrer Ideen<lb/>
wird &#x017F;ich, &#x017F;o zu &#x017F;agen, in Bewegung &#x017F;etzen, und<lb/>
das ganze Sy&#x017F;tem ihrer Empfindungen wird er-<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;ttert werden. Mit die&#x017F;er Saite i&#x017F;t un&#x017F;ere<lb/>
ganze Seele harmoni&#x017F;ch ge&#x017F;timmt. Alles, was<lb/>
wir wi&#x017F;&#x017F;en, alles, was wir wollen, hat irgend<lb/>
eine augen&#x017F;cheinliche oder geheime Beziehung auf<lb/>
eine &#x017F;olche Schilderung. &#x2014; Wenn die Er&#x017F;cheinung<lb/>
nicht &#x017F;o gewo&#x0364;hnlich wa&#x0364;re, &#x017F;o wu&#x0364;rde es uns wun-<lb/>
derbar vorkommen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, daß der gemein&#x017F;te elen-<lb/>
de&#x017F;te Kopf unter den Zu&#x017F;chauern einer Minna,<lb/>
der, wenn er einen Wirth, einen Major Tellheim,<lb/>
einen Wachtmei&#x017F;ter wie Paul Werner, &#x017F;elb&#x017F;t reden<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollte, nicht ein Wort wu&#x0364;rde zu finden wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, wodurch &#x017F;ich die&#x017F;e Sta&#x0364;nde oder die&#x017F;e Charak-<lb/>
tere unter&#x017F;chieden, doch, wenn die&#x017F;e Sprache von<lb/>
dem Manne von Genie gefunden i&#x017F;t, &#x017F;ie &#x017F;ogleich<lb/>
fu&#x0364;r die rechte eigentliche erkennt, und ihre Rich-<lb/>
tigkeit gleich&#x017F;am durch &#x017F;eine eignen Erinnerungen<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;tigt. &#x2014; Wie i&#x017F;t dieß anders mo&#x0364;glich, als<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282/0288] Einige Gedanken und unſere ganze Seele wird bey dem Anblicke in eine Geſchaͤftigkeit kommen, die ſie an nichts wei- ter denken laͤßt; der ganze Vorrath ihrer Ideen wird ſich, ſo zu ſagen, in Bewegung ſetzen, und das ganze Syſtem ihrer Empfindungen wird er- ſchuͤttert werden. Mit dieſer Saite iſt unſere ganze Seele harmoniſch geſtimmt. Alles, was wir wiſſen, alles, was wir wollen, hat irgend eine augenſcheinliche oder geheime Beziehung auf eine ſolche Schilderung. — Wenn die Erſcheinung nicht ſo gewoͤhnlich waͤre, ſo wuͤrde es uns wun- derbar vorkommen muͤſſen, daß der gemeinſte elen- deſte Kopf unter den Zuſchauern einer Minna, der, wenn er einen Wirth, einen Major Tellheim, einen Wachtmeiſter wie Paul Werner, ſelbſt reden laſſen ſollte, nicht ein Wort wuͤrde zu finden wiſ- ſen, wodurch ſich dieſe Staͤnde oder dieſe Charak- tere unterſchieden, doch, wenn dieſe Sprache von dem Manne von Genie gefunden iſt, ſie ſogleich fuͤr die rechte eigentliche erkennt, und ihre Rich- tigkeit gleichſam durch ſeine eignen Erinnerungen beſtaͤtigt. — Wie iſt dieß anders moͤglich, als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/288
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/288>, abgerufen am 23.11.2024.