Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.Einige Gedanken andern mehr reizenden Ideen, die sich eindringenwollen, leisten müssen. Nicht die Sachen, die wir lesen, erhalten die Seele in ihrer Richtung auf dieselben, sondern unsre Begierde zu lernen, unsre Pflicht, oder die Absicht, wozu wir die Nach- richten brauchen; wir werden nicht angezogen, wir selbst stellen uns zu der Sache hin, und zwin- gen uns dabey zu bleiben. In diesem Falle wer- den wir nimmermehr sagen, daß das Buch in- teressant sey; wir werden nur sagen, daß wir fleißig arbeiten. Gesezt aber, ein ander Werk, das wir ebenfalls aus Pflicht oder Zwang zu lesen anfiengen, enthalte Geschichte, Schilderungen, Reden, die uns, indem wir fortfahren, unsrer ur- sprünglichen Absicht, warum wir lasen, nach und nach uneingedenk machen, und uns bloß mit den Sachen selbst beschäftigen, die wir in jedem Au- genblicke erfahren; gesezt, die Begierde, die an- fangs nur auf einen entfernten Endzweck, und auf das Lesen als auf ein Mittel gerichtet war, gehe nun auf den Inhalt des Buchs selbst, wir lesen nunmehro bloß, um zu wissen, was gesagt Einige Gedanken andern mehr reizenden Ideen, die ſich eindringenwollen, leiſten muͤſſen. Nicht die Sachen, die wir leſen, erhalten die Seele in ihrer Richtung auf dieſelben, ſondern unſre Begierde zu lernen, unſre Pflicht, oder die Abſicht, wozu wir die Nach- richten brauchen; wir werden nicht angezogen, wir ſelbſt ſtellen uns zu der Sache hin, und zwin- gen uns dabey zu bleiben. In dieſem Falle wer- den wir nimmermehr ſagen, daß das Buch in- tereſſant ſey; wir werden nur ſagen, daß wir fleißig arbeiten. Geſezt aber, ein ander Werk, das wir ebenfalls aus Pflicht oder Zwang zu leſen anfiengen, enthalte Geſchichte, Schilderungen, Reden, die uns, indem wir fortfahren, unſrer ur- ſpruͤnglichen Abſicht, warum wir laſen, nach und nach uneingedenk machen, und uns bloß mit den Sachen ſelbſt beſchaͤftigen, die wir in jedem Au- genblicke erfahren; geſezt, die Begierde, die an- fangs nur auf einen entfernten Endzweck, und auf das Leſen als auf ein Mittel gerichtet war, gehe nun auf den Inhalt des Buchs ſelbſt, wir leſen nunmehro bloß, um zu wiſſen, was geſagt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0262" n="256"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einige Gedanken</hi></fw><lb/> andern mehr reizenden Ideen, die ſich eindringen<lb/> wollen, leiſten muͤſſen. Nicht die Sachen, die<lb/> wir leſen, erhalten die Seele in ihrer Richtung<lb/> auf dieſelben, ſondern unſre Begierde zu lernen,<lb/> unſre Pflicht, oder die Abſicht, wozu wir die Nach-<lb/> richten brauchen; wir werden nicht angezogen,<lb/> wir ſelbſt ſtellen uns zu der Sache hin, und zwin-<lb/> gen uns dabey zu bleiben. In dieſem Falle wer-<lb/> den wir nimmermehr ſagen, daß das Buch in-<lb/> tereſſant ſey; wir werden nur ſagen, daß wir<lb/> fleißig arbeiten. Geſezt aber, ein ander Werk,<lb/> das wir ebenfalls aus Pflicht oder Zwang zu leſen<lb/> anfiengen, enthalte Geſchichte, Schilderungen,<lb/> Reden, die uns, indem wir fortfahren, unſrer ur-<lb/> ſpruͤnglichen Abſicht, warum wir laſen, nach und<lb/> nach uneingedenk machen, und uns bloß mit den<lb/> Sachen ſelbſt beſchaͤftigen, die wir in jedem Au-<lb/> genblicke erfahren; geſezt, die Begierde, die an-<lb/> fangs nur auf einen entfernten Endzweck, und<lb/> auf das Leſen als auf ein Mittel gerichtet war,<lb/> gehe nun auf den Inhalt des Buchs ſelbſt, wir<lb/> leſen nunmehro bloß, um zu wiſſen, was geſagt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [256/0262]
Einige Gedanken
andern mehr reizenden Ideen, die ſich eindringen
wollen, leiſten muͤſſen. Nicht die Sachen, die
wir leſen, erhalten die Seele in ihrer Richtung
auf dieſelben, ſondern unſre Begierde zu lernen,
unſre Pflicht, oder die Abſicht, wozu wir die Nach-
richten brauchen; wir werden nicht angezogen,
wir ſelbſt ſtellen uns zu der Sache hin, und zwin-
gen uns dabey zu bleiben. In dieſem Falle wer-
den wir nimmermehr ſagen, daß das Buch in-
tereſſant ſey; wir werden nur ſagen, daß wir
fleißig arbeiten. Geſezt aber, ein ander Werk,
das wir ebenfalls aus Pflicht oder Zwang zu leſen
anfiengen, enthalte Geſchichte, Schilderungen,
Reden, die uns, indem wir fortfahren, unſrer ur-
ſpruͤnglichen Abſicht, warum wir laſen, nach und
nach uneingedenk machen, und uns bloß mit den
Sachen ſelbſt beſchaͤftigen, die wir in jedem Au-
genblicke erfahren; geſezt, die Begierde, die an-
fangs nur auf einen entfernten Endzweck, und
auf das Leſen als auf ein Mittel gerichtet war,
gehe nun auf den Inhalt des Buchs ſelbſt, wir
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