Alle die Gegenstände, oder die Arten sie vor- zustellen, welche, ohne unsre freywillige Anstren- gung, vermöge des Wohlgefallens, das sie in uns erregen, sich unsrer Aufmerksamkeit bemäch- tigen und dieselbe stätig machen, diese, glauben wir, soll das Wort interessant von andern Arten der Gegenstände unterscheiden; -- es soll die Dinge ausdrücken, welche auf eben die Weise und vermöge eben der Triebfedern uns nach ihren Vor- stellungen begierig machen, wie das uns aufmerk- sam macht, was zur Befriedigung unsers Eigen- nutzes etwas beytragen kann.
Dieser Unterschied zwischen der Aufmerksam- keit, deren Urheber wir selbst sind, und zwischen der, die das Werk der Gegenstände ist, fällt bey den gemeinsten Verrichtungen des Lebens in die Augen. Gesezt, man lese ein Werk der Genea- logie oder Diplomatik. Es kann seyn, daß wir mit unsrer ganzen Aufmerksamkeit lesen: aber wir sind uns auch dabey der Mühe bewußt, die es uns kostet, der Zerstreuungen, die wir alle Au- genblicke abwehren, des Widerstandes, den wir
uͤber das Intereſſirende.
Alle die Gegenſtaͤnde, oder die Arten ſie vor- zuſtellen, welche, ohne unſre freywillige Anſtren- gung, vermoͤge des Wohlgefallens, das ſie in uns erregen, ſich unſrer Aufmerkſamkeit bemaͤch- tigen und dieſelbe ſtaͤtig machen, dieſe, glauben wir, ſoll das Wort intereſſant von andern Arten der Gegenſtaͤnde unterſcheiden; — es ſoll die Dinge ausdruͤcken, welche auf eben die Weiſe und vermoͤge eben der Triebfedern uns nach ihren Vor- ſtellungen begierig machen, wie das uns aufmerk- ſam macht, was zur Befriedigung unſers Eigen- nutzes etwas beytragen kann.
Dieſer Unterſchied zwiſchen der Aufmerkſam- keit, deren Urheber wir ſelbſt ſind, und zwiſchen der, die das Werk der Gegenſtaͤnde iſt, faͤllt bey den gemeinſten Verrichtungen des Lebens in die Augen. Geſezt, man leſe ein Werk der Genea- logie oder Diplomatik. Es kann ſeyn, daß wir mit unſrer ganzen Aufmerkſamkeit leſen: aber wir ſind uns auch dabey der Muͤhe bewußt, die es uns koſtet, der Zerſtreuungen, die wir alle Au- genblicke abwehren, des Widerſtandes, den wir
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uͤber das Intereſſirende.
Alle die Gegenſtaͤnde, oder die Arten ſie vor-
zuſtellen, welche, ohne unſre freywillige Anſtren-
gung, vermoͤge des Wohlgefallens, das ſie in
uns erregen, ſich unſrer Aufmerkſamkeit bemaͤch-
tigen und dieſelbe ſtaͤtig machen, dieſe, glauben
wir, ſoll das Wort intereſſant von andern Arten
der Gegenſtaͤnde unterſcheiden; — es ſoll die
Dinge ausdruͤcken, welche auf eben die Weiſe und
vermoͤge eben der Triebfedern uns nach ihren Vor-
ſtellungen begierig machen, wie das uns aufmerk-
ſam macht, was zur Befriedigung unſers Eigen-
nutzes etwas beytragen kann.
Dieſer Unterſchied zwiſchen der Aufmerkſam-
keit, deren Urheber wir ſelbſt ſind, und zwiſchen
der, die das Werk der Gegenſtaͤnde iſt, faͤllt bey
den gemeinſten Verrichtungen des Lebens in die
Augen. Geſezt, man leſe ein Werk der Genea-
logie oder Diplomatik. Es kann ſeyn, daß wir
mit unſrer ganzen Aufmerkſamkeit leſen: aber
wir ſind uns auch dabey der Muͤhe bewußt, die
es uns koſtet, der Zerſtreuungen, die wir alle Au-
genblicke abwehren, des Widerſtandes, den wir
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/261>, abgerufen am 23.11.2024.
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