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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Anmerkungen über Gellerts Moral,
erforscht, an sich selbst Versuche gemacht hat, wie
man gut seyn könne, und seinen Lesern nicht bloß
die Folge seiner Schlüsse, sondern die Sammlung
seiner Erfahrungen mittheilt.

Diese Moral, sagt Gellert selbst, und seine
Freunde wiederholen es, soll mehr für das Herz,
als für den Verstand geschrieben seyn. Was die-
ses Versprechen für einen Sinn habe, zeigt die
Art selbst, auf welche er es erfüllt hat. Es konn-
te unmöglich seine Meynung seyn, daß er rühren
wollte, ohne zu unterrichten; denn wir sehen ihn
ja in der That weit länger mit der Erklärung,
als mit der Einschärfung der Pflichten beschäff-
tigt. Er verlangt nicht die Neigungen zu bessern,
ohne vorher die Meynungen und Grundsätze be-
richtigt zu haben; denn was ist denn der größte
Theil seines Buchs anders, als ein Vortrag all-
gemeiner Wahrheiten? Also nur das konnte er
meynen: einmal, daß das Vermögen und der
Eifer, die Pflichten auszuüben, nicht von einer
philosophischen Kenntniß der Natur des Men-
schen und des Ursprungs der Pflichten abhange;

Anmerkungen uͤber Gellerts Moral,
erforſcht, an ſich ſelbſt Verſuche gemacht hat, wie
man gut ſeyn koͤnne, und ſeinen Leſern nicht bloß
die Folge ſeiner Schluͤſſe, ſondern die Sammlung
ſeiner Erfahrungen mittheilt.

Dieſe Moral, ſagt Gellert ſelbſt, und ſeine
Freunde wiederholen es, ſoll mehr fuͤr das Herz,
als fuͤr den Verſtand geſchrieben ſeyn. Was die-
ſes Verſprechen fuͤr einen Sinn habe, zeigt die
Art ſelbſt, auf welche er es erfuͤllt hat. Es konn-
te unmoͤglich ſeine Meynung ſeyn, daß er ruͤhren
wollte, ohne zu unterrichten; denn wir ſehen ihn
ja in der That weit laͤnger mit der Erklaͤrung,
als mit der Einſchaͤrfung der Pflichten beſchaͤff-
tigt. Er verlangt nicht die Neigungen zu beſſern,
ohne vorher die Meynungen und Grundſaͤtze be-
richtigt zu haben; denn was iſt denn der groͤßte
Theil ſeines Buchs anders, als ein Vortrag all-
gemeiner Wahrheiten? Alſo nur das konnte er
meynen: einmal, daß das Vermoͤgen und der
Eifer, die Pflichten auszuuͤben, nicht von einer
philoſophiſchen Kenntniß der Natur des Men-
ſchen und des Urſprungs der Pflichten abhange;

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[208/0214] Anmerkungen uͤber Gellerts Moral, erforſcht, an ſich ſelbſt Verſuche gemacht hat, wie man gut ſeyn koͤnne, und ſeinen Leſern nicht bloß die Folge ſeiner Schluͤſſe, ſondern die Sammlung ſeiner Erfahrungen mittheilt. Dieſe Moral, ſagt Gellert ſelbſt, und ſeine Freunde wiederholen es, ſoll mehr fuͤr das Herz, als fuͤr den Verſtand geſchrieben ſeyn. Was die- ſes Verſprechen fuͤr einen Sinn habe, zeigt die Art ſelbſt, auf welche er es erfuͤllt hat. Es konn- te unmoͤglich ſeine Meynung ſeyn, daß er ruͤhren wollte, ohne zu unterrichten; denn wir ſehen ihn ja in der That weit laͤnger mit der Erklaͤrung, als mit der Einſchaͤrfung der Pflichten beſchaͤff- tigt. Er verlangt nicht die Neigungen zu beſſern, ohne vorher die Meynungen und Grundſaͤtze be- richtigt zu haben; denn was iſt denn der groͤßte Theil ſeines Buchs anders, als ein Vortrag all- gemeiner Wahrheiten? Alſo nur das konnte er meynen: einmal, daß das Vermoͤgen und der Eifer, die Pflichten auszuuͤben, nicht von einer philoſophiſchen Kenntniß der Natur des Men- ſchen und des Urſprungs der Pflichten abhange;

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/214>, abgerufen am 22.11.2024.