Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.der ältesten und neuern Schriftsteller. Leuten nicht statt, die nicht einen eigenen Stoffbearbeiteten, sondern einen solchen, welcher das Eigenthum der Nation geworden war. -- Ihre Fabeln waren eben deswegen einfacher, nicht bloß weil sie das Einfache liebten, weil ihr Genie frucht- barer war, aus sehr wenigen Zufällen eine Menge interessanter Reden und Handlungen herauszuzie- hen; sondern vornehmlich, weil ihnen diese Fa- beln so einfach waren überliefert worden, weil es Fabeln waren, die man nicht zum Vergnügen er- dichtet hatte, sondern die nach und nach durch un- merkliche Zusätze und Abänderungen aus der er- sten Tradition waren gebildet worden. -- Ueber- haupt muß alles das, was von einem einzigen Kopfe in der Absicht hervorgebracht wird, zu un- terrichten oder zu rühren, einen ganz andern Cha- rakter haben, als was so zu sagen das Resultat von tausend Köpfen, und der Zusammenfluß von Ideen und Meynungen einer noch ganz inculti- virten Nation ist. Für uns ist dieses Band, das die dichterische M 4
der aͤlteſten und neuern Schriftſteller. Leuten nicht ſtatt, die nicht einen eigenen Stoffbearbeiteten, ſondern einen ſolchen, welcher das Eigenthum der Nation geworden war. — Ihre Fabeln waren eben deswegen einfacher, nicht bloß weil ſie das Einfache liebten, weil ihr Genie frucht- barer war, aus ſehr wenigen Zufaͤllen eine Menge intereſſanter Reden und Handlungen herauszuzie- hen; ſondern vornehmlich, weil ihnen dieſe Fa- beln ſo einfach waren uͤberliefert worden, weil es Fabeln waren, die man nicht zum Vergnuͤgen er- dichtet hatte, ſondern die nach und nach durch un- merkliche Zuſaͤtze und Abaͤnderungen aus der er- ſten Tradition waren gebildet worden. — Ueber- haupt muß alles das, was von einem einzigen Kopfe in der Abſicht hervorgebracht wird, zu un- terrichten oder zu ruͤhren, einen ganz andern Cha- rakter haben, als was ſo zu ſagen das Reſultat von tauſend Koͤpfen, und der Zuſammenfluß von Ideen und Meynungen einer noch ganz inculti- virten Nation iſt. Fuͤr uns iſt dieſes Band, das die dichteriſche M 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0189" n="183"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.</hi></fw><lb/> Leuten nicht ſtatt, die nicht einen eigenen Stoff<lb/> bearbeiteten, ſondern einen ſolchen, welcher das<lb/> Eigenthum der Nation geworden war. — Ihre<lb/> Fabeln waren eben deswegen einfacher, nicht bloß<lb/> weil ſie das Einfache liebten, weil ihr Genie frucht-<lb/> barer war, aus ſehr wenigen Zufaͤllen eine Menge<lb/> intereſſanter Reden und Handlungen herauszuzie-<lb/> hen; ſondern vornehmlich, weil ihnen dieſe Fa-<lb/> beln ſo einfach waren uͤberliefert worden, weil es<lb/> Fabeln waren, die man nicht zum Vergnuͤgen er-<lb/> dichtet hatte, ſondern die nach und nach durch un-<lb/> merkliche Zuſaͤtze und Abaͤnderungen aus der er-<lb/> ſten Tradition waren gebildet worden. — Ueber-<lb/> haupt muß alles das, was von einem einzigen<lb/> Kopfe in der Abſicht hervorgebracht wird, zu un-<lb/> terrichten oder zu ruͤhren, einen ganz andern Cha-<lb/> rakter haben, als was ſo zu ſagen das Reſultat<lb/> von tauſend Koͤpfen, und der Zuſammenfluß von<lb/> Ideen und Meynungen einer noch ganz inculti-<lb/> virten Nation iſt.</p><lb/> <p>Fuͤr uns iſt dieſes Band, das die dichteriſche<lb/> Welt mit der wirklichen zuſammenhieng, zerriſſen;<lb/> <fw place="bottom" type="sig">M 4</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [183/0189]
der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.
Leuten nicht ſtatt, die nicht einen eigenen Stoff
bearbeiteten, ſondern einen ſolchen, welcher das
Eigenthum der Nation geworden war. — Ihre
Fabeln waren eben deswegen einfacher, nicht bloß
weil ſie das Einfache liebten, weil ihr Genie frucht-
barer war, aus ſehr wenigen Zufaͤllen eine Menge
intereſſanter Reden und Handlungen herauszuzie-
hen; ſondern vornehmlich, weil ihnen dieſe Fa-
beln ſo einfach waren uͤberliefert worden, weil es
Fabeln waren, die man nicht zum Vergnuͤgen er-
dichtet hatte, ſondern die nach und nach durch un-
merkliche Zuſaͤtze und Abaͤnderungen aus der er-
ſten Tradition waren gebildet worden. — Ueber-
haupt muß alles das, was von einem einzigen
Kopfe in der Abſicht hervorgebracht wird, zu un-
terrichten oder zu ruͤhren, einen ganz andern Cha-
rakter haben, als was ſo zu ſagen das Reſultat
von tauſend Koͤpfen, und der Zuſammenfluß von
Ideen und Meynungen einer noch ganz inculti-
virten Nation iſt.
Fuͤr uns iſt dieſes Band, das die dichteriſche
Welt mit der wirklichen zuſammenhieng, zerriſſen;
M 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |